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Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849.

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Wirksamkeit; streng in der Erfüllung ihrer Pflicht, glücklich in selbstvergessener Aufopferung, lebte sie nur im Wohle Anderer. Hermann erkannte und würdigte das stille Verdienst der Frauen, das meist nur durch Opfer gewonnen und durch Entsagung belohnt wird. "Da hat man", sagte er zu einem vertrauten Freunde, soviel Aufhebens von den Verdiensten gemacht, die ich haben soll; von den Verdiensten meiner Frau, die viel grösser und schwerer erworben sind, ist keine Rede." Sie besass nicht nur die zärtliche Liebe Hermanns, sondern auch seine Hochachtung und sein Vertrauen im vollen Masse. Mit aller Sorgfalt war sie bemüht, ihm das häusliche Leben ruhig und behaglich zu machen, und alle Sorgen desselben von ihm fern zu halten. Das war keine leichte Aufgabe, denn ihre Verhältnisse waren Anfangs beschränkt, und die Kriegsjahre brachten immer neue Lasten, die kaum zu erschwingen waren. Und doch wusste sie es so einzurichten, dass das ihm unentbehrliche Reitpferd nie abgeschafft wurde, ohne dass er ahnte, welche Einschränkungen und Entbehrungen sie sich deshalb auferlegte. Eine kräftige Stütze fand sie an seinem immer frischen Muth und Vertrauen, das von äusseren Sorgen nichts wusste; das Nothwendige werde sich schon finden, und was darüber sei, daran dürfe man sein Herz nicht hängen. Auch ward später, als er den grössten Theil seines Vermögens verlor, seine Heiterkeit nicht auf eine Stunde getrübt. Freilich war Hermann von äusseren Bedürfnissen im höchsten Grade unabhängig, in sinnlichen Genüssen äusserst mässig, obwohl er sie keineswegs verachtete, - so war ihm das Rauchen zur Gewohnheit geworden. Einfach, wie sein ganzes Wesen, war seine Erscheinung und seine Umgebung. Der Schnitt seiner Kleidung war seit Jahren unverändert geblieben; von früh bis spät war er in Stiefeln und Sporen; sein Sitz war ein einfacher Rohrstuhl, erst in seinen letzten Tagen bediente er sich, nur auf die Bitten der Seinigen, eines Lehnsessels. Er sah jede Bequemlichkeit in Wahrheit für eine Unbequemlichkeit an, und verachtete jegliche Verweichlichung; Unterstützung und Bedienung suchte er von sich zu halten, und wusste sich in mancherlei kleinen Verrichtungen, oft auf originelle Weise, selbst zu helfen, nicht ohne eine gewisse Geschicklichkeit in Handarbeiten. Den Seinigen machte er die Sorge für ihn nur dadurch schwer, dass er sie nicht an sich kommen liess, wo es geschah, mehr aus Freundlichkeit gegen ihre Dienstwilligkeit, als um seiner selbst willen. Sein inniges Einverständniss mit seiner Frau bewährte

Wirksamkeit; streng in der Erfüllung ihrer Pflicht, glücklich in selbstvergessener Aufopferung, lebte sie nur im Wohle Anderer. Hermann erkannte und würdigte das stille Verdienst der Frauen, das meist nur durch Opfer gewonnen und durch Entsagung belohnt wird. «Da hat man», sagte er zu einem vertrauten Freunde, soviel Aufhebens von den Verdiensten gemacht, die ich haben soll; von den Verdiensten meiner Frau, die viel grösser und schwerer erworben sind, ist keine Rede.» Sie besass nicht nur die zärtliche Liebe Hermanns, sondern auch seine Hochachtung und sein Vertrauen im vollen Masse. Mit aller Sorgfalt war sie bemüht, ihm das häusliche Leben ruhig und behaglich zu machen, und alle Sorgen desselben von ihm fern zu halten. Das war keine leichte Aufgabe, denn ihre Verhältnisse waren Anfangs beschränkt, und die Kriegsjahre brachten immer neue Lasten, die kaum zu erschwingen waren. Und doch wusste sie es so einzurichten, dass das ihm unentbehrliche Reitpferd nie abgeschafft wurde, ohne dass er ahnte, welche Einschränkungen und Entbehrungen sie sich deshalb auferlegte. Eine kräftige Stütze fand sie an seinem immer frischen Muth und Vertrauen, das von äusseren Sorgen nichts wusste; das Nothwendige werde sich schon finden, und was darüber sei, daran dürfe man sein Herz nicht hängen. Auch ward später, als er den grössten Theil seines Vermögens verlor, seine Heiterkeit nicht auf eine Stunde getrübt. Freilich war Hermann von äusseren Bedürfnissen im höchsten Grade unabhängig, in sinnlichen Genüssen äusserst mässig, obwohl er sie keineswegs verachtete, – so war ihm das Rauchen zur Gewohnheit geworden. Einfach, wie sein ganzes Wesen, war seine Erscheinung und seine Umgebung. Der Schnitt seiner Kleidung war seit Jahren unverändert geblieben; von früh bis spät war er in Stiefeln und Sporen; sein Sitz war ein einfacher Rohrstuhl, erst in seinen letzten Tagen bediente er sich, nur auf die Bitten der Seinigen, eines Lehnsessels. Er sah jede Bequemlichkeit in Wahrheit für eine Unbequemlichkeit an, und verachtete jegliche Verweichlichung; Unterstützung und Bedienung suchte er von sich zu halten, und wusste sich in mancherlei kleinen Verrichtungen, oft auf originelle Weise, selbst zu helfen, nicht ohne eine gewisse Geschicklichkeit in Handarbeiten. Den Seinigen machte er die Sorge für ihn nur dadurch schwer, dass er sie nicht an sich kommen liess, wo es geschah, mehr aus Freundlichkeit gegen ihre Dienstwilligkeit, als um seiner selbst willen. Sein inniges Einverständniss mit seiner Frau bewährte

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Wirksamkeit; streng in der Erfüllung ihrer Pflicht, glücklich in selbstvergessener Aufopferung, lebte sie nur im Wohle Anderer. Hermann erkannte und würdigte das stille Verdienst der Frauen, das meist nur durch Opfer gewonnen und durch Entsagung belohnt wird. «Da hat man», sagte er zu einem vertrauten Freunde, soviel Aufhebens von den Verdiensten gemacht, die ich haben soll; von den Verdiensten meiner Frau, die viel grösser und schwerer erworben sind, ist keine Rede.» Sie besass nicht nur die zärtliche Liebe Hermanns, sondern auch seine Hochachtung und sein Vertrauen im vollen Masse. Mit aller Sorgfalt war sie bemüht, ihm das häusliche Leben ruhig und behaglich zu machen, und alle Sorgen desselben von ihm fern zu halten. Das war keine leichte Aufgabe, denn ihre Verhältnisse waren Anfangs beschränkt, und die Kriegsjahre brachten immer neue Lasten, die kaum zu erschwingen waren. Und doch wusste sie es so einzurichten, dass das ihm unentbehrliche Reitpferd nie abgeschafft wurde, ohne dass er ahnte, welche Einschränkungen und Entbehrungen sie sich deshalb auferlegte. Eine kräftige Stütze fand sie an seinem immer frischen Muth und Vertrauen, das von äusseren Sorgen nichts wusste; das Nothwendige werde sich schon finden, und was darüber sei, daran dürfe man sein Herz nicht hängen. Auch ward später, als er den grössten Theil seines Vermögens verlor, seine Heiterkeit nicht auf eine Stunde getrübt. Freilich war Hermann von äusseren Bedürfnissen im höchsten Grade unabhängig, in sinnlichen Genüssen äusserst mässig, obwohl er sie keineswegs verachtete, &#x2013; so war ihm das Rauchen zur Gewohnheit geworden. Einfach, wie sein ganzes Wesen, war seine Erscheinung und seine Umgebung. Der Schnitt seiner Kleidung war seit Jahren unverändert geblieben; von früh bis spät war er in Stiefeln und Sporen; sein Sitz war ein einfacher Rohrstuhl, erst in seinen letzten Tagen bediente er sich, nur auf die Bitten der Seinigen, eines Lehnsessels. Er sah jede Bequemlichkeit in Wahrheit für eine Unbequemlichkeit an, und verachtete jegliche Verweichlichung; Unterstützung und Bedienung suchte er von sich zu halten, und wusste sich in mancherlei kleinen Verrichtungen, oft auf originelle Weise, selbst zu helfen, nicht ohne eine gewisse Geschicklichkeit in Handarbeiten. Den Seinigen machte er die Sorge für ihn nur dadurch schwer, dass er sie nicht an sich kommen liess, wo es geschah, mehr aus Freundlichkeit gegen ihre Dienstwilligkeit, als um seiner selbst willen. Sein inniges Einverständniss mit seiner Frau bewährte
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[29/0029] Wirksamkeit; streng in der Erfüllung ihrer Pflicht, glücklich in selbstvergessener Aufopferung, lebte sie nur im Wohle Anderer. Hermann erkannte und würdigte das stille Verdienst der Frauen, das meist nur durch Opfer gewonnen und durch Entsagung belohnt wird. «Da hat man», sagte er zu einem vertrauten Freunde, soviel Aufhebens von den Verdiensten gemacht, die ich haben soll; von den Verdiensten meiner Frau, die viel grösser und schwerer erworben sind, ist keine Rede.» Sie besass nicht nur die zärtliche Liebe Hermanns, sondern auch seine Hochachtung und sein Vertrauen im vollen Masse. Mit aller Sorgfalt war sie bemüht, ihm das häusliche Leben ruhig und behaglich zu machen, und alle Sorgen desselben von ihm fern zu halten. Das war keine leichte Aufgabe, denn ihre Verhältnisse waren Anfangs beschränkt, und die Kriegsjahre brachten immer neue Lasten, die kaum zu erschwingen waren. Und doch wusste sie es so einzurichten, dass das ihm unentbehrliche Reitpferd nie abgeschafft wurde, ohne dass er ahnte, welche Einschränkungen und Entbehrungen sie sich deshalb auferlegte. Eine kräftige Stütze fand sie an seinem immer frischen Muth und Vertrauen, das von äusseren Sorgen nichts wusste; das Nothwendige werde sich schon finden, und was darüber sei, daran dürfe man sein Herz nicht hängen. Auch ward später, als er den grössten Theil seines Vermögens verlor, seine Heiterkeit nicht auf eine Stunde getrübt. Freilich war Hermann von äusseren Bedürfnissen im höchsten Grade unabhängig, in sinnlichen Genüssen äusserst mässig, obwohl er sie keineswegs verachtete, – so war ihm das Rauchen zur Gewohnheit geworden. Einfach, wie sein ganzes Wesen, war seine Erscheinung und seine Umgebung. Der Schnitt seiner Kleidung war seit Jahren unverändert geblieben; von früh bis spät war er in Stiefeln und Sporen; sein Sitz war ein einfacher Rohrstuhl, erst in seinen letzten Tagen bediente er sich, nur auf die Bitten der Seinigen, eines Lehnsessels. Er sah jede Bequemlichkeit in Wahrheit für eine Unbequemlichkeit an, und verachtete jegliche Verweichlichung; Unterstützung und Bedienung suchte er von sich zu halten, und wusste sich in mancherlei kleinen Verrichtungen, oft auf originelle Weise, selbst zu helfen, nicht ohne eine gewisse Geschicklichkeit in Handarbeiten. Den Seinigen machte er die Sorge für ihn nur dadurch schwer, dass er sie nicht an sich kommen liess, wo es geschah, mehr aus Freundlichkeit gegen ihre Dienstwilligkeit, als um seiner selbst willen. Sein inniges Einverständniss mit seiner Frau bewährte

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Zitationshilfe: Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_rede_1849/29>, abgerufen am 21.11.2024.