hereinraffend. Es giebt keine wahre Größe oh¬ ne Jnnenwürkung von Selbstgenügsamkeit und Selbstbeschränkung. Ein sogenannter Tausend¬ künstler wird nie Werke für die Ewigkeit her¬ vorbringen, ein Allmannsfreund nie einen Bu¬ senbruder besitzen.
Die alten Völker hatten alle Hauptstädte. Da war die Seele des Volks mit Macht und Kraft eingewohnt, in den Großstädten der neu¬ ern Völker dunstet der Pfuhl der Ansteckung und des Verderbnisses. Jn jenen war die Ge¬ meinde des Volks, in diesen ist der Sammel¬ platz des Pöbels. Jn Griechenlands Staaten in Rom, Karthago und Jerusalem waren die Völker an ihre Hauptstadt gewachsen, wie die Schnecke an ihr Haus. Eben so war's in der schönen Mittelalterzeit Jtaliens. Dadurch er¬ reichten die Venediger, die erst in unsern Zeiten aus der Staatenreihe verschwanden, ein über¬ tausendjähriges Alter.
Griechenland als ein Ganzes, das Vorrö¬ mische Spanien (Vergl. Flor. L. II. cap. XVII. und Strabo Lib. III.), Jndien, die Schweizer Eidgenossenschaft, die Niederländische Vereini¬
hereinraffend. Es giebt keine wahre Größe oh¬ ne Jnnenwürkung von Selbſtgenügſamkeit und Selbſtbeſchränkung. Ein ſogenannter Tauſend¬ künſtler wird nie Werke für die Ewigkeit her¬ vorbringen, ein Allmannsfreund nie einen Bu¬ ſenbruder beſitzen.
Die alten Völker hatten alle Hauptſtädte. Da war die Seele des Volks mit Macht und Kraft eingewohnt, in den Großſtädten der neu¬ ern Völker dunſtet der Pfuhl der Anſteckung und des Verderbniſſes. Jn jenen war die Ge¬ meinde des Volks, in dieſen iſt der Sammel¬ platz des Pöbels. Jn Griechenlands Staaten in Rom, Karthago und Jeruſalem waren die Völker an ihre Hauptſtadt gewachſen, wie die Schnecke an ihr Haus. Eben ſo war's in der ſchönen Mittelalterzeit Jtaliens. Dadurch er¬ reichten die Venediger, die erſt in unſern Zeiten aus der Staatenreihe verſchwanden, ein über¬ tauſendjähriges Alter.
Griechenland als ein Ganzes, das Vorrö¬ miſche Spanien (Vergl. Flor. L. II. cap. XVII. und Strabo Lib. III.), Jndien, die Schweizer Eidgenoſſenſchaft, die Niederländiſche Vereini¬
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hereinraffend. Es giebt keine wahre Größe oh¬
ne Jnnenwürkung von Selbſtgenügſamkeit und
Selbſtbeſchränkung. Ein ſogenannter Tauſend¬
künſtler wird nie Werke für die Ewigkeit her¬
vorbringen, ein Allmannsfreund nie einen Bu¬
ſenbruder beſitzen.
Die alten Völker hatten alle Hauptſtädte.
Da war die Seele des Volks mit Macht und
Kraft eingewohnt, in den Großſtädten der neu¬
ern Völker dunſtet der Pfuhl der Anſteckung
und des Verderbniſſes. Jn jenen war die Ge¬
meinde des Volks, in dieſen iſt der Sammel¬
platz des Pöbels. Jn Griechenlands Staaten
in Rom, Karthago und Jeruſalem waren die
Völker an ihre Hauptſtadt gewachſen, wie die
Schnecke an ihr Haus. Eben ſo war's in der
ſchönen Mittelalterzeit Jtaliens. Dadurch er¬
reichten die Venediger, die erſt in unſern Zeiten
aus der Staatenreihe verſchwanden, ein über¬
tauſendjähriges Alter.
Griechenland als ein Ganzes, das Vorrö¬
miſche Spanien (Vergl. Flor. L. II. cap. XVII.
und Strabo Lib. III.), Jndien, die Schweizer
Eidgenoſſenſchaft, die Niederländiſche Vereini¬
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/134>, abgerufen am 23.11.2024.
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