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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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schaft gerathen. Nunmehr durch Römische Be¬
glückung gewitzigt, strebten sie zu werden, was
sie immer hätten bleiben sollen -- Jtalier. Hoch¬
gedanken sollten billig nicht aussterben. Der
Mittelalterische Lombardenbund vergaß diese
Lehre.

Zugvölker sogar, wenn sie Sassen wur¬
ben, den Abscheu gegen Ringmauern verloren,
Städte nicht mehr für große Kerker hielten, er¬
sahen bald die Wichtigkeit einer Hauptstadt.
So ward Jerusalem, und als das Volk in zwei
Staaten spaltete, konnte der größere nur sein
Dasein durch Gründung von Samaria sichern.
Muhammeds Reich hatte durch Glauben einen
Vereinigungsplatz an Mekka. Der war nicht
lange genug. Die städtehassenden Söhne der
Wüste mußten für ihr Großreich eine Haupt¬
stadt wählen, und so zog mit dessen Wachsthum
der Sitz von Mekka über Kufa, Damaskus,
nach Bagdad.

Das Römerreich war eine Küstenherrschaft,
das Mittelmeer umlagernd. Und sie hatten
Recht es "unser Meer" zu nennen, ihr Reich
für den Erdkreis zu nehmen, denn nur wenig

ſchaft gerathen. Nunmehr durch Römiſche Be¬
glückung gewitzigt, ſtrebten ſie zu werden, was
ſie immer hätten bleiben ſollen — Jtalier. Hoch¬
gedanken ſollten billig nicht ausſterben. Der
Mittelalteriſche Lombardenbund vergaß dieſe
Lehre.

Zugvölker ſogar, wenn ſie Saſſen wur¬
ben, den Abſcheu gegen Ringmauern verloren,
Städte nicht mehr für große Kerker hielten, er¬
ſahen bald die Wichtigkeit einer Hauptſtadt.
So ward Jeruſalem, und als das Volk in zwei
Staaten ſpaltete, konnte der größere nur ſein
Daſein durch Gründung von Samaria ſichern.
Muhammeds Reich hatte durch Glauben einen
Vereinigungsplatz an Mekka. Der war nicht
lange genug. Die ſtädtehaſſenden Söhne der
Wüſte mußten für ihr Großreich eine Haupt¬
ſtadt wählen, und ſo zog mit deſſen Wachsthum
der Sitz von Mekka über Kufa, Damaskus,
nach Bagdad.

Das Römerreich war eine Küſtenherrſchaft,
das Mittelmeer umlagernd. Und ſie hatten
Recht es „unſer Meer“ zu nennen, ihr Reich
für den Erdkreis zu nehmen, denn nur wenig

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[106/0136] 106 ſchaft gerathen. Nunmehr durch Römiſche Be¬ glückung gewitzigt, ſtrebten ſie zu werden, was ſie immer hätten bleiben ſollen — Jtalier. Hoch¬ gedanken ſollten billig nicht ausſterben. Der Mittelalteriſche Lombardenbund vergaß dieſe Lehre. Zugvölker ſogar, wenn ſie Saſſen wur¬ ben, den Abſcheu gegen Ringmauern verloren, Städte nicht mehr für große Kerker hielten, er¬ ſahen bald die Wichtigkeit einer Hauptſtadt. So ward Jeruſalem, und als das Volk in zwei Staaten ſpaltete, konnte der größere nur ſein Daſein durch Gründung von Samaria ſichern. Muhammeds Reich hatte durch Glauben einen Vereinigungsplatz an Mekka. Der war nicht lange genug. Die ſtädtehaſſenden Söhne der Wüſte mußten für ihr Großreich eine Haupt¬ ſtadt wählen, und ſo zog mit deſſen Wachsthum der Sitz von Mekka über Kufa, Damaskus, nach Bagdad. Das Römerreich war eine Küſtenherrſchaft, das Mittelmeer umlagernd. Und ſie hatten Recht es „unſer Meer“ zu nennen, ihr Reich für den Erdkreis zu nehmen, denn nur wenig

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/136>, abgerufen am 14.05.2024.