Das Geistliche darf nicht verweltlicht wer¬ den als solches. Jedem das Seine, in Tracht, in Namen, in Einrichtung. Gleiche Farbe der Kleidung ist nicht genug, auch gleicher Schnitt gehört zu einer Amtstracht, auch gleiche Güte des Zeuges. Die Hanswurstereien der Mode sind wider den Ernst eines öffentlichen Vertre¬ ters der Sittlichkeit. Überläßt man jedes Ein¬ zelnen Laune, und den Eingebungen des ersten besten Schneiderlings die Wahl des Anzugs; so ist für die Aufrechthaltung der Würde des Volkslehrers schlecht gesorgt. Zopf-Schulz in Gielsdorf bei Berlin war mit dem schweren Ge¬ brechen der Geniesucht behaftet, ihn reizte das Aufsehn Held freilehrerischer Meinung zu wer¬ den. Daß der Patron diese Fastnachtsmumme¬ rei begünstigte, beweiset seine Denkschwäche; wahrscheinlich ist er in seinen früheren Kriegs¬ diensten auch nicht im Schlafrock auf der Mu¬ sterung erschienen. Luther predigte wohl einst in einem rothen Futterhemde, doch verwieß es ihm der Kurfürst in einem eigenen Briefe, (Beyer's
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6. Geiſtlichkeit.
Das Geiſtliche darf nicht verweltlicht wer¬ den als ſolches. Jedem das Seine, in Tracht, in Namen, in Einrichtung. Gleiche Farbe der Kleidung iſt nicht genug, auch gleicher Schnitt gehört zu einer Amtstracht, auch gleiche Güte des Zeuges. Die Hanswurſtereien der Mode ſind wider den Ernſt eines öffentlichen Vertre¬ ters der Sittlichkeit. Überläßt man jedes Ein¬ zelnen Laune, und den Eingebungen des erſten beſten Schneiderlings die Wahl des Anzugs; ſo iſt für die Aufrechthaltung der Würde des Volkslehrers ſchlecht geſorgt. Zopf-Schulz in Gielsdorf bei Berlin war mit dem ſchweren Ge¬ brechen der Genieſucht behaftet, ihn reizte das Aufſehn Held freilehreriſcher Meinung zu wer¬ den. Daß der Patron dieſe Faſtnachtsmumme¬ rei begünſtigte, beweiſet ſeine Denkſchwäche; wahrſcheinlich iſt er in ſeinen früheren Kriegs¬ dienſten auch nicht im Schlafrock auf der Mu¬ ſterung erſchienen. Luther predigte wohl einſt in einem rothen Futterhemde, doch verwieß es ihm der Kurfürſt in einem eigenen Briefe, (Beyer’s
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6. Geiſtlichkeit.
Das Geiſtliche darf nicht verweltlicht wer¬
den als ſolches. Jedem das Seine, in Tracht,
in Namen, in Einrichtung. Gleiche Farbe der
Kleidung iſt nicht genug, auch gleicher Schnitt
gehört zu einer Amtstracht, auch gleiche Güte
des Zeuges. Die Hanswurſtereien der Mode
ſind wider den Ernſt eines öffentlichen Vertre¬
ters der Sittlichkeit. Überläßt man jedes Ein¬
zelnen Laune, und den Eingebungen des erſten
beſten Schneiderlings die Wahl des Anzugs;
ſo iſt für die Aufrechthaltung der Würde des
Volkslehrers ſchlecht geſorgt. Zopf-Schulz in
Gielsdorf bei Berlin war mit dem ſchweren Ge¬
brechen der Genieſucht behaftet, ihn reizte das
Aufſehn Held freilehreriſcher Meinung zu wer¬
den. Daß der Patron dieſe Faſtnachtsmumme¬
rei begünſtigte, beweiſet ſeine Denkſchwäche;
wahrſcheinlich iſt er in ſeinen früheren Kriegs¬
dienſten auch nicht im Schlafrock auf der Mu¬
ſterung erſchienen. Luther predigte wohl einſt in
einem rothen Futterhemde, doch verwieß es ihm
der Kurfürſt in einem eigenen Briefe, (Beyer’s
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/177>, abgerufen am 14.05.2024.
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