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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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"bemächtigte sich bei denen, die kein erleuchteter
"Sinn belebte, hier vornehme Gleichgültigkeit
"und eitler Rangstolz, dort schwärmelnder Pie¬
"tismus des Deutschen Charakters."

"[Das praktische Leben] kann allein sein
"Heil von angestrengter Kraft, von erleuchteter
"Thätigkeit und unermüdeter Tugend, nicht von
"duldender, hingegebener, in sich gekehrter Hei¬
"ligkeit erwarten; und zu dieser Thätigkeit ruft
"uns der Geist des Urchristenthums auf. Es be¬
"ruhigt zwar die stillen Momente unsers irdi¬
"schen Daseins, durch die Aussicht auf ein über¬
"sinnliches Vaterland; aber es erweckt auch den
"Sinn und die Seele zu muthigen Thaten, um
"uns Freiheit und Unabhängigkeit für die unge¬
"hinderte Übung des Verstandes und der Tu¬
"gend in dem irdischen zu erhalten. Unser Unter¬
"gang ist unvermeidlich, wenn wir im mystischen
"Quietismus [Ruhsucht] einer träumenden Ge¬
"müthlichkeit gen Himmel schauen, indeß auf
"der Erde alles verloren geht."

Eberhard's Geist des Urchristenthums. 3 Theile.
Halle 1807-1808. [Der verhallende
Schwanengesang einer Bardenstimme.]


„bemächtigte ſich bei denen, die kein erleuchteter
„Sinn belebte, hier vornehme Gleichgültigkeit
„und eitler Rangſtolz, dort ſchwärmelnder Pie¬
„tismus des Deutſchen Charakters.“

„[Das praktiſche Leben] kann allein ſein
„Heil von angeſtrengter Kraft, von erleuchteter
„Thätigkeit und unermüdeter Tugend, nicht von
„duldender, hingegebener, in ſich gekehrter Hei¬
„ligkeit erwarten; und zu dieſer Thätigkeit ruft
„uns der Geiſt des Urchriſtenthums auf. Es be¬
„ruhigt zwar die ſtillen Momente unſers irdi¬
„ſchen Daſeins, durch die Ausſicht auf ein über¬
„ſinnliches Vaterland; aber es erweckt auch den
„Sinn und die Seele zu muthigen Thaten, um
„uns Freiheit und Unabhängigkeit für die unge¬
„hinderte Übung des Verſtandes und der Tu¬
„gend in dem irdiſchen zu erhalten. Unſer Unter¬
„gang iſt unvermeidlich, wenn wir im myſtiſchen
„Quietismus [Ruhſucht] einer träumenden Ge¬
„müthlichkeit gen Himmel ſchauen, indeß auf
„der Erde alles verloren geht.“

Eberhard's Geiſt des Urchriſtenthums. 3 Theile.
Halle 1807–1808. [Der verhallende
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[166/0196] 166 „bemächtigte ſich bei denen, die kein erleuchteter „Sinn belebte, hier vornehme Gleichgültigkeit „und eitler Rangſtolz, dort ſchwärmelnder Pie¬ „tismus des Deutſchen Charakters.“ „[Das praktiſche Leben] kann allein ſein „Heil von angeſtrengter Kraft, von erleuchteter „Thätigkeit und unermüdeter Tugend, nicht von „duldender, hingegebener, in ſich gekehrter Hei¬ „ligkeit erwarten; und zu dieſer Thätigkeit ruft „uns der Geiſt des Urchriſtenthums auf. Es be¬ „ruhigt zwar die ſtillen Momente unſers irdi¬ „ſchen Daſeins, durch die Ausſicht auf ein über¬ „ſinnliches Vaterland; aber es erweckt auch den „Sinn und die Seele zu muthigen Thaten, um „uns Freiheit und Unabhängigkeit für die unge¬ „hinderte Übung des Verſtandes und der Tu¬ „gend in dem irdiſchen zu erhalten. Unſer Unter¬ „gang iſt unvermeidlich, wenn wir im myſtiſchen „Quietismus [Ruhſucht] einer träumenden Ge¬ „müthlichkeit gen Himmel ſchauen, indeß auf „der Erde alles verloren geht.“ Eberhard's Geiſt des Urchriſtenthums. 3 Theile. Halle 1807–1808. [Der verhallende Schwanengeſang einer Bardenſtimme.]

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/196>, abgerufen am 24.11.2024.