a) Man zieht die Kinder zu allen Gesell¬ schaften, wodurch sie frühzeitig altkluge Tauge¬ nichtse werden, und Sünden von Hörensagen lehrbegriffsmäßig kennen lernen, die das zarte Alter noch unfähig ist auszuüben. Erschrecklich! daß es so weit gekommen, daß der gesellschaftli¬ che Umgang der Erwachsenen verderblich für die Jugend würkt. Und der Mensch ist im ge¬ sellschaftlichen Leben bald wie der Stein, der durch Anhäufung von Außen wächst; bald wie der Schwamm, der jede Feuchtigkeit einsaugt. Die Viehzüchter wissen es längst, daß junges Vieh am Besten gedeiht, je weniger es durch Menschenhände geht; und nennen solch vorwi¬ tziges Zuchtspiel Markeln, von dem es ein geistiges und herziges eben so gut giebt, als ein reinthierisches.
b) Man lässet die Kinder an der ganzen Lebensweise der verkehrten Welt Theil nehmen, wo der Tag zur Nacht, die Nacht zum Tage¬ werk, und Nichtsthuerei zum Zeitvertreib wird.
c) Die Kinder machen alle Vergnügungen mit, amusiren und ennuyren sich -- Begriffe und Dinge, so es in jener Kinderwelt noch nicht
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a) Man zieht die Kinder zu allen Geſell¬ ſchaften, wodurch ſie frühzeitig altkluge Tauge¬ nichtſe werden, und Sünden von Hörenſagen lehrbegriffsmäßig kennen lernen, die das zarte Alter noch unfähig iſt auszuüben. Erſchrecklich! daß es ſo weit gekommen, daß der geſellſchaftli¬ che Umgang der Erwachſenen verderblich für die Jugend würkt. Und der Menſch iſt im ge¬ ſellſchaftlichen Leben bald wie der Stein, der durch Anhäufung von Außen wächſt; bald wie der Schwamm, der jede Feuchtigkeit einſaugt. Die Viehzüchter wiſſen es längſt, daß junges Vieh am Beſten gedeiht, je weniger es durch Menſchenhände geht; und nennen ſolch vorwi¬ tziges Zuchtſpiel Markeln, von dem es ein geiſtiges und herziges eben ſo gut giebt, als ein reinthieriſches.
b) Man läſſet die Kinder an der ganzen Lebensweiſe der verkehrten Welt Theil nehmen, wo der Tag zur Nacht, die Nacht zum Tage¬ werk, und Nichtsthuerei zum Zeitvertreib wird.
c) Die Kinder machen alle Vergnügungen mit, amusiren und ennuyren ſich — Begriffe und Dinge, ſo es in jener Kinderwelt noch nicht
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a) Man zieht die Kinder zu allen Geſell¬
ſchaften, wodurch ſie frühzeitig altkluge Tauge¬
nichtſe werden, und Sünden von Hörenſagen
lehrbegriffsmäßig kennen lernen, die das zarte
Alter noch unfähig iſt auszuüben. Erſchrecklich!
daß es ſo weit gekommen, daß der geſellſchaftli¬
che Umgang der Erwachſenen verderblich für
die Jugend würkt. Und der Menſch iſt im ge¬
ſellſchaftlichen Leben bald wie der Stein, der
durch Anhäufung von Außen wächſt; bald wie
der Schwamm, der jede Feuchtigkeit einſaugt.
Die Viehzüchter wiſſen es längſt, daß junges
Vieh am Beſten gedeiht, je weniger es durch
Menſchenhände geht; und nennen ſolch vorwi¬
tziges Zuchtſpiel Markeln, von dem es ein
geiſtiges und herziges eben ſo gut giebt, als ein
reinthieriſches.
b) Man läſſet die Kinder an der ganzen
Lebensweiſe der verkehrten Welt Theil nehmen,
wo der Tag zur Nacht, die Nacht zum Tage¬
werk, und Nichtsthuerei zum Zeitvertreib wird.
c) Die Kinder machen alle Vergnügungen
mit, amusiren und ennuyren ſich — Begriffe
und Dinge, ſo es in jener Kinderwelt noch nicht
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/207>, abgerufen am 27.11.2024.
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