Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

das kleine Lateinische von Scheller. --
Beim eigentlichen höhern Rechtschreiben hilft
eigener Sprachgeist schon eher fort, aber wer
den nicht hat, da sieht es schlimm aus. Bür¬
ger klagt noch, daß "aus der ganzen Literärge¬
"schichte kein aufgeklärtes schreibendes Volk be¬
"kannt sei, welches im Ganzen so schlecht mit
"seiner Sprache umgegangen, welches so nach¬
"lässig, so unbekümmert um Richtigkeit, Rein¬
"heit und Schönheit, ja welches so -- liederlich
"geschrieben habe, als bisher unser Deutsches
"Volk" (in seiner Anweisung zur Deutschen
Sprache und Schreibart). Was ist es anders
als die Wiederhohlung eines alten Vorwurfs,
den uns schon Ottfried machte? "Diese Spra¬
"che wird für bäurisch gehalten, und selbst die,
"welche sie reden, haben sie zu keiner Zeit we¬
"der durch Schrift, noch durch Kunst vollkomm¬
"ner zu machen gesucht, indem sie weder die Ge¬
"schichte ihrer Vorältern, wie es viele andere
"Nationen thun, schriftlich verzeichnen, noch ih¬
"re Thaten und Leben erheben. Wenn sie auch
"dieses thun, welches doch selten geschieht, so
"brauchen sie vielmehr die Sprachen anderer

Völ¬

das kleine Lateiniſche von Scheller. —
Beim eigentlichen höhern Rechtſchreiben hilft
eigener Sprachgeiſt ſchon eher fort, aber wer
den nicht hat, da ſieht es ſchlimm aus. Bür¬
ger klagt noch, daß „aus der ganzen Literärge¬
„ſchichte kein aufgeklärtes ſchreibendes Volk be¬
„kannt ſei, welches im Ganzen ſo ſchlecht mit
„ſeiner Sprache umgegangen, welches ſo nach¬
„läſſig, ſo unbekümmert um Richtigkeit, Rein¬
„heit und Schönheit, ja welches ſo — liederlich
„geſchrieben habe, als bisher unſer Deutſches
„Volk“ (in ſeiner Anweiſung zur Deutſchen
Sprache und Schreibart). Was iſt es anders
als die Wiederhohlung eines alten Vorwurfs,
den uns ſchon Ottfried machte? „Dieſe Spra¬
„che wird für bäuriſch gehalten, und ſelbſt die,
„welche ſie reden, haben ſie zu keiner Zeit we¬
„der durch Schrift, noch durch Kunſt vollkomm¬
„ner zu machen geſucht, indem ſie weder die Ge¬
„ſchichte ihrer Vorältern, wie es viele andere
„Nationen thun, ſchriftlich verzeichnen, noch ih¬
„re Thaten und Leben erheben. Wenn ſie auch
„dieſes thun, welches doch ſelten geſchieht, ſo
„brauchen ſie vielmehr die Sprachen anderer

Völ¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0222" n="192"/><fw type="pageNum" place="top">192<lb/></fw><hi rendition="#g">das kleine Lateini&#x017F;che von Scheller</hi>. &#x2014;<lb/>
Beim eigentlichen höhern Recht&#x017F;chreiben hilft<lb/>
eigener Sprachgei&#x017F;t &#x017F;chon eher fort, aber wer<lb/>
den nicht hat, da &#x017F;ieht es &#x017F;chlimm aus. Bür¬<lb/>
ger klagt noch, daß &#x201E;aus der ganzen Literärge¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;chichte kein aufgeklärtes &#x017F;chreibendes Volk be¬<lb/>
&#x201E;kannt &#x017F;ei, welches im Ganzen &#x017F;o &#x017F;chlecht mit<lb/>
&#x201E;&#x017F;einer Sprache umgegangen, welches &#x017F;o nach¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;&#x017F;ig, &#x017F;o unbekümmert um Richtigkeit, Rein¬<lb/>
&#x201E;heit und Schönheit, ja welches &#x017F;o &#x2014; liederlich<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;chrieben habe, als bisher un&#x017F;er Deut&#x017F;ches<lb/>
&#x201E;Volk&#x201C; (in &#x017F;einer Anwei&#x017F;ung zur Deut&#x017F;chen<lb/>
Sprache und Schreibart). Was i&#x017F;t es anders<lb/>
als die Wiederhohlung eines alten Vorwurfs,<lb/>
den uns &#x017F;chon Ottfried machte? &#x201E;Die&#x017F;e Spra¬<lb/>
&#x201E;che wird für bäuri&#x017F;ch gehalten, und &#x017F;elb&#x017F;t die,<lb/>
&#x201E;welche &#x017F;ie reden, haben &#x017F;ie zu keiner Zeit we¬<lb/>
&#x201E;der durch Schrift, noch durch Kun&#x017F;t vollkomm¬<lb/>
&#x201E;ner zu machen ge&#x017F;ucht, indem &#x017F;ie weder die Ge¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;chichte ihrer Vorältern, wie es viele andere<lb/>
&#x201E;Nationen thun, &#x017F;chriftlich verzeichnen, noch ih¬<lb/>
&#x201E;re Thaten und Leben erheben. Wenn &#x017F;ie auch<lb/>
&#x201E;die&#x017F;es thun, welches doch &#x017F;elten ge&#x017F;chieht, &#x017F;o<lb/>
&#x201E;brauchen &#x017F;ie vielmehr die Sprachen anderer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Völ¬<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0222] 192 das kleine Lateiniſche von Scheller. — Beim eigentlichen höhern Rechtſchreiben hilft eigener Sprachgeiſt ſchon eher fort, aber wer den nicht hat, da ſieht es ſchlimm aus. Bür¬ ger klagt noch, daß „aus der ganzen Literärge¬ „ſchichte kein aufgeklärtes ſchreibendes Volk be¬ „kannt ſei, welches im Ganzen ſo ſchlecht mit „ſeiner Sprache umgegangen, welches ſo nach¬ „läſſig, ſo unbekümmert um Richtigkeit, Rein¬ „heit und Schönheit, ja welches ſo — liederlich „geſchrieben habe, als bisher unſer Deutſches „Volk“ (in ſeiner Anweiſung zur Deutſchen Sprache und Schreibart). Was iſt es anders als die Wiederhohlung eines alten Vorwurfs, den uns ſchon Ottfried machte? „Dieſe Spra¬ „che wird für bäuriſch gehalten, und ſelbſt die, „welche ſie reden, haben ſie zu keiner Zeit we¬ „der durch Schrift, noch durch Kunſt vollkomm¬ „ner zu machen geſucht, indem ſie weder die Ge¬ „ſchichte ihrer Vorältern, wie es viele andere „Nationen thun, ſchriftlich verzeichnen, noch ih¬ „re Thaten und Leben erheben. Wenn ſie auch „dieſes thun, welches doch ſelten geſchieht, ſo „brauchen ſie vielmehr die Sprachen anderer Völ¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/222
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/222>, abgerufen am 14.05.2024.