Was aber dann weiter eigentlich das Höch¬ ste ist, in Griechenland und Rom auch dafür galt, ist noch immer bei uns ein Schimpfwort: "Volk und Nation." "Er ist unter das Volk gegangen" sagt man von elenden Läuflingen, die von Heer zu Heer um des Handgelds wil¬ len ausreißen, und in Einem Paar Schuh sie¬ ben Potentaten dienen. "Das ist rechte Na¬ tion!" und der Sprachgebrauch meint Zigeuner, Gaunergesindel, Landstreicher und Schacherju¬ den. Mit Recht nennt uns Herder "die un¬ gewordene Nation." Aber es gab auch Zeiten, wo dieser Zustand uns weniger drückte. Leider können wir uns an das mehr wie jetzt Volkgewesensein, an das inniger und eini¬ ger Nationausgemachthaben kaum zurück¬ erinnern, wie der abgelebte Greis an seine Ju¬ gendkraft. Als Volk haben wir den unglückli¬ chen, schmachvollen Westphälischen Frieden nie wieder verwunden. Er war unglücklich, weil die Niederländische Vereinigung, und die Oberlän¬ dische Eidgenossenschaft sich gänzlich von uns ablöseten. Der Rhein hörte nun auf der alte Deutsche Schutzstrom zu sein; denn an seinen
Was aber dann weiter eigentlich das Höch¬ ſte iſt, in Griechenland und Rom auch dafür galt, iſt noch immer bei uns ein Schimpfwort: „Volk und Nation.“ „Er iſt unter das Volk gegangen“ ſagt man von elenden Läuflingen, die von Heer zu Heer um des Handgelds wil¬ len ausreißen, und in Einem Paar Schuh ſie¬ ben Potentaten dienen. „Das iſt rechte Na¬ tion!“ und der Sprachgebrauch meint Zigeuner, Gaunergeſindel, Landſtreicher und Schacherju¬ den. Mit Recht nennt uns Herder „die un¬ gewordene Nation.“ Aber es gab auch Zeiten, wo dieſer Zuſtand uns weniger drückte. Leider können wir uns an das mehr wie jetzt Volkgeweſenſein, an das inniger und eini¬ ger Nationausgemachthaben kaum zurück¬ erinnern, wie der abgelebte Greis an ſeine Ju¬ gendkraft. Als Volk haben wir den unglückli¬ chen, ſchmachvollen Weſtphäliſchen Frieden nie wieder verwunden. Er war unglücklich, weil die Niederländiſche Vereinigung, und die Oberlän¬ diſche Eidgenoſſenſchaft ſich gänzlich von uns ablöſeten. Der Rhein hörte nun auf der alte Deutſche Schutzſtrom zu ſein; denn an ſeinen
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Was aber dann weiter eigentlich das Höch¬
ſte iſt, in Griechenland und Rom auch dafür
galt, iſt noch immer bei uns ein Schimpfwort:
„Volk und Nation.“ „Er iſt unter das Volk
gegangen“ ſagt man von elenden Läuflingen,
die von Heer zu Heer um des Handgelds wil¬
len ausreißen, und in Einem Paar Schuh ſie¬
ben Potentaten dienen. „Das iſt rechte Na¬
tion!“ und der Sprachgebrauch meint Zigeuner,
Gaunergeſindel, Landſtreicher und Schacherju¬
den. Mit Recht nennt uns Herder „die un¬
gewordene Nation.“ Aber es gab auch
Zeiten, wo dieſer Zuſtand uns weniger drückte.
Leider können wir uns an das mehr wie jetzt
Volkgeweſenſein, an das inniger und eini¬
ger Nationausgemachthaben kaum zurück¬
erinnern, wie der abgelebte Greis an ſeine Ju¬
gendkraft. Als Volk haben wir den unglückli¬
chen, ſchmachvollen Weſtphäliſchen Frieden nie
wieder verwunden. Er war unglücklich, weil die
Niederländiſche Vereinigung, und die Oberlän¬
diſche Eidgenoſſenſchaft ſich gänzlich von uns
ablöſeten. Der Rhein hörte nun auf der alte
Deutſche Schutzſtrom zu ſein; denn an ſeinen
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/42>, abgerufen am 21.11.2024.
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