peinigen, oder sonst hart zu sein -- aber lieber Moralist! das alles bin ich nur dan nicht, wenn von Geldsachen die Rede ist. Sprichst du hingegen von Ehre und guter Meinung des andern -- wahrhaftig dan zieh' ich meinen alten Adam wieder an, den ich eben bei Seite geleget hatte und nun hält mich nichts mehr ab, wieder neidisch zu sein --5 wiewol blos auf den Verstand des andern -- wieder schadenfroh zu sein -- wiewol blos über seine Demüthigung, wenn ich im Disputiren das Feld behielt -- ihm Qual durch meinen Tiefsin und meinen Ruhm zu machen, und den leztern ihm wo möglich zum Theil zu mausen. So eine Besserung kan ich aber keinen Tausch des Lasters gegen Tugend,10 sondern höchstens einen Tausch der Schwärze gegen Flekken nennen.
Allemal lass' ich das, was ich unterbreche, unvollendet. Ich wolte dir noch viel auf deine zwei vortreflichen Briefe antworten; aber ich mus es verschieben. Denn ich bin überhaupt durch das immerwährende Brüten über meinem Manuskript ganz entkräftet und sieche an aller15 Hize und Kraftlosigkeit einer sizenden Henne. Das Verbessern ist gegen das Schaffen, das Brüten gegen das Legen, wahre Hunds- arbeit; und in der That hätt' ich den Rezensenten die Ausbrütung meiner Satiren überlassen sollen: so hab' ich schon oft gelesen, daß man Hunde zum Aussizen der Eier nimt, wiewol auch Kapaunen sehr20 wol dazu angehen.
Es ist kein gutes Zeichen für meine Selenkräfte, daß ich in Para- graphen schreibe. -- Der H. Pfarrer in Rehau giebt zu Ostern ein Buch heraus und hat schon seinen Verleger. Über das Vergnügen, mich bei der Schöpfung desselben zu Rathe ziehen zu können und25 durch den glüklichen Zufal meiner Flucht einen so geschikten Accoucheur[144] habhaft geworden zu sein, hat er es mir gern vergessen, daß ich ihm seinen Katalogus verloren habe. Er hat einmal ein Buch unter der Feder gehabt, das besser war als sein ieziges, welches er indessen auch noch nicht ganz volendet hat. Wenn ich ihm doch alzeit meine wahre30 Meinung sagen dürfte, oder alzeit ihn von derselben überzeugen könte! Aber glüklicherweise stelle ich mir dich zum Muster vor und halte meinen Tadel so höflich zurük als du den deinigen: denn ge- wöhnlich wartest du erst, bis andere meine Fehler aufdekken, eh' du
peinigen, oder ſonſt hart zu ſein — aber lieber Moraliſt! das alles bin ich nur dan nicht, wenn von Geldſachen die Rede iſt. Sprichſt du hingegen von Ehre und guter Meinung des andern — wahrhaftig dan zieh’ ich meinen alten Adam wieder an, den ich eben bei Seite geleget hatte und nun hält mich nichts mehr ab, wieder neidiſch zu ſein —5 wiewol blos auf den Verſtand des andern — wieder ſchadenfroh zu ſein — wiewol blos über ſeine Demüthigung, wenn ich im Diſputiren das Feld behielt — ihm Qual durch meinen Tiefſin und meinen Ruhm zu machen, und den leztern ihm wo möglich zum Theil zu mauſen. So eine Beſſerung kan ich aber keinen Tauſch des Laſters gegen Tugend,10 ſondern höchſtens einen Tauſch der Schwärze gegen Flekken nennen.
Allemal laſſ’ ich das, was ich unterbreche, unvollendet. Ich wolte dir noch viel auf deine zwei vortreflichen Briefe antworten; aber ich mus es verſchieben. Denn ich bin überhaupt durch das immerwährende Brüten über meinem Manuſkript ganz entkräftet und ſieche an aller15 Hize und Kraftloſigkeit einer ſizenden Henne. Das Verbeſſern iſt gegen das Schaffen, das Brüten gegen das Legen, wahre Hunds- arbeit; und in der That hätt’ ich den Rezenſenten die Ausbrütung meiner Satiren überlaſſen ſollen: ſo hab’ ich ſchon oft geleſen, daß man Hunde zum Ausſizen der Eier nimt, wiewol auch Kapaunen ſehr20 wol dazu angehen.
Es iſt kein gutes Zeichen für meine Selenkräfte, daß ich in Para- graphen ſchreibe. — Der H. Pfarrer in Rehau giebt zu Oſtern ein Buch heraus und hat ſchon ſeinen Verleger. Über das Vergnügen, mich bei der Schöpfung deſſelben zu Rathe ziehen zu können und25 durch den glüklichen Zufal meiner Flucht einen ſo geſchikten Accoucheur[144] habhaft geworden zu ſein, hat er es mir gern vergeſſen, daß ich ihm ſeinen Katalogus verloren habe. Er hat einmal ein Buch unter der Feder gehabt, das beſſer war als ſein ieziges, welches er indeſſen auch noch nicht ganz volendet hat. Wenn ich ihm doch alzeit meine wahre30 Meinung ſagen dürfte, oder alzeit ihn von derſelben überzeugen könte! Aber glüklicherweiſe ſtelle ich mir dich zum Muſter vor und halte meinen Tadel ſo höflich zurük als du den deinigen: denn ge- wöhnlich warteſt du erſt, bis andere meine Fehler aufdekken, eh’ du
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zieh’ ich meinen alten Adam wieder an, den ich eben bei Seite geleget
hatte und nun hält mich nichts mehr ab, wieder neidiſch zu ſein — 5
wiewol blos auf den Verſtand des andern — wieder ſchadenfroh zu
ſein — wiewol blos über ſeine Demüthigung, wenn ich im Diſputiren
das Feld behielt — ihm Qual durch meinen Tiefſin und meinen Ruhm
zu machen, und den leztern ihm wo möglich zum Theil zu mauſen. So
eine Beſſerung kan ich aber keinen Tauſch des Laſters gegen Tugend, 10
ſondern höchſtens einen Tauſch der Schwärze gegen Flekken nennen.
Allemal laſſ’ ich das, was ich unterbreche, unvollendet. Ich wolte dir
noch viel auf deine zwei vortreflichen Briefe antworten; aber ich mus
es verſchieben. Denn ich bin überhaupt durch das immerwährende
Brüten über meinem Manuſkript ganz entkräftet und ſieche an aller 15
Hize und Kraftloſigkeit einer ſizenden Henne. Das Verbeſſern iſt
gegen das Schaffen, das Brüten gegen das Legen, wahre Hunds-
arbeit; und in der That hätt’ ich den Rezenſenten die Ausbrütung
meiner Satiren überlaſſen ſollen: ſo hab’ ich ſchon oft geleſen, daß man
Hunde zum Ausſizen der Eier nimt, wiewol auch Kapaunen ſehr 20
wol dazu angehen.
Es iſt kein gutes Zeichen für meine Selenkräfte, daß ich in Para-
graphen ſchreibe. — Der H. Pfarrer in Rehau giebt zu Oſtern ein
Buch heraus und hat ſchon ſeinen Verleger. Über das Vergnügen,
mich bei der Schöpfung deſſelben zu Rathe ziehen zu können und 25
durch den glüklichen Zufal meiner Flucht einen ſo geſchikten Accoucheur
habhaft geworden zu ſein, hat er es mir gern vergeſſen, daß ich ihm
ſeinen Katalogus verloren habe. Er hat einmal ein Buch unter der
Feder gehabt, das beſſer war als ſein ieziges, welches er indeſſen auch
noch nicht ganz volendet hat. Wenn ich ihm doch alzeit meine wahre 30
Meinung ſagen dürfte, oder alzeit ihn von derſelben überzeugen
könte! Aber glüklicherweiſe ſtelle ich mir dich zum Muſter vor und
halte meinen Tadel ſo höflich zurük als du den deinigen: denn ge-
wöhnlich warteſt du erſt, bis andere meine Fehler aufdekken, eh’ du
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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