Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.In Archenholz Reise durch England, die nach der Rezension herlich[191] Seit der Zeit, daß du in Töpen bist, vermag ich nicht, dir einen Leb wol lieber Örthel. Noch hab' ich es vergessen, dir zu schreiben, R. 125. An Pfarrer Völkel in Schwarzenbach.25 [Kopie][Hof, 24. Nov. 1785]Mir träumte vor einigen Tagen, ich hätte Sie sechsmal aus dem In Archenholz Reiſe durch England, die nach der Rezenſion herlich[191] Seit der Zeit, daß du in Töpen biſt, vermag ich nicht, dir einen Leb wol lieber Örthel. Noch hab’ ich es vergeſſen, dir zu ſchreiben, R. 125. An Pfarrer Völkel in Schwarzenbach.25 [Kopie][Hof, 24. Nov. 1785]Mir träumte vor einigen Tagen, ich hätte Sie ſechsmal aus dem <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0206" n="181"/> <p>In Archenholz Reiſe durch England, die nach der Rezenſion herlich<note place="right"><ref target="1922_Bd#_191">[191]</ref></note><lb/> ſein mus, ſtehet dieſe Anekdote. In England verkaufen bekantlich die<lb/> Bettelweiber einander krüpelhafte Kinder, die bei ihnen wie bei<lb/> andern Menſchen ein ſchönes Geſicht, die Stelle eines Empfehlungs-<lb/> ſchreiben vertreten und ihren Gewinſt vergröſſern helfen. Eine hatte<lb n="5"/> ſich ein Kind, das nicht ſehr verunſtaltet ausſah, theuer angeſchaft: „ein<lb/> „ſo ſchönes Kind, ſagte eine andere, für ſo viel Geld? Für das Geld<lb/> „hätteſt du den gröſten Krüpel bekommen können.“</p><lb/> <p>Seit der Zeit, daß du in Töpen biſt, vermag ich nicht, dir einen<lb/> Brief zuzufertigen, der ſich durch poetiſche Figuren empfähle und einen<lb n="10"/> Rang unter dem <hi rendition="#g">ſchönen Geſchlechte</hi> der Briefe verlangen dürfte.<lb/> Ich hofte es heute vielleicht dahin zu bringen, wenn ich ſchönes Papier<lb/> nähme und, da der Körper ſo ſehr über die Sele ſchaltet, durch den<lb/> Körper des Briefes ſeine Sele ſchön zu machen ſuchte; allein ich habe<lb/> Urſache zu glauben, daß es mir nicht gelungen und daß du das Sprich-<lb n="15"/> wort auf mich anwenden werdeſt: <hi rendition="#aq">docti male pingunt.</hi></p><lb/> <p>Leb wol lieber Örthel. Noch hab’ ich es vergeſſen, dir zu ſchreiben,<lb/> daß die Vorerinnerung, (dein <hi rendition="#aq">voluntas dei <hi rendition="#g">antecedens</hi></hi>) die du<lb/> deinem kaufmänniſchen Brief an den Otto voranſtelteſt, deinem<lb/> Herzen Ehre macht und mir mehr gefallen, als alles Wizige womit du<lb n="20"/> dich hätteſt rächen können: dieſe Vorerinnerung giebt dir <hi rendition="#aq">veniam<lb/> aetatis</hi> und zeigt — ich rede warlich ernſthaft — daß du dich dem<lb/> Manne näherſt.</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">R.</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>125. An <hi rendition="#g">Pfarrer Völkel in Schwarzenbach.</hi><lb n="25"/> </head> <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note> <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Hof, 24. Nov. 1785<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/> <p>Mir träumte vor einigen Tagen, ich hätte Sie ſechsmal aus dem<lb/> Schachfelde mit meinen Officiers geſchlagen. Wenn nun Träume die<lb/> wirklichen Echos des Wachens ſind und der Schlaf nichts als die<lb/> Geſchichte des Tages wiederholet: ſo hab’ ich Grund zu glauben, daß<lb n="30"/> die geträumten Siege wirkliche zum Voraus ſezen und daß Sie nicht ſo<lb/> gut ſpielen als es zuweilen ſcheint. Auch dürfte einer, der über den<lb/> andern ſchon im Schlafe triumphiret, wol nicht im Wachen unter-<lb/> liegen, wo man wenigſtens eben ſo vernünftig als im Traume iſt.<note place="right"><ref target="1922_Bd#_192">[192]</ref></note><lb/> Glüklicher Weiſe können Sie mir nicht widerſprechen, wenn ich<lb n="35"/> behaupte, daß ich bin ꝛc.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [181/0206]
In Archenholz Reiſe durch England, die nach der Rezenſion herlich
ſein mus, ſtehet dieſe Anekdote. In England verkaufen bekantlich die
Bettelweiber einander krüpelhafte Kinder, die bei ihnen wie bei
andern Menſchen ein ſchönes Geſicht, die Stelle eines Empfehlungs-
ſchreiben vertreten und ihren Gewinſt vergröſſern helfen. Eine hatte 5
ſich ein Kind, das nicht ſehr verunſtaltet ausſah, theuer angeſchaft: „ein
„ſo ſchönes Kind, ſagte eine andere, für ſo viel Geld? Für das Geld
„hätteſt du den gröſten Krüpel bekommen können.“
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Seit der Zeit, daß du in Töpen biſt, vermag ich nicht, dir einen
Brief zuzufertigen, der ſich durch poetiſche Figuren empfähle und einen 10
Rang unter dem ſchönen Geſchlechte der Briefe verlangen dürfte.
Ich hofte es heute vielleicht dahin zu bringen, wenn ich ſchönes Papier
nähme und, da der Körper ſo ſehr über die Sele ſchaltet, durch den
Körper des Briefes ſeine Sele ſchön zu machen ſuchte; allein ich habe
Urſache zu glauben, daß es mir nicht gelungen und daß du das Sprich- 15
wort auf mich anwenden werdeſt: docti male pingunt.
Leb wol lieber Örthel. Noch hab’ ich es vergeſſen, dir zu ſchreiben,
daß die Vorerinnerung, (dein voluntas dei antecedens) die du
deinem kaufmänniſchen Brief an den Otto voranſtelteſt, deinem
Herzen Ehre macht und mir mehr gefallen, als alles Wizige womit du 20
dich hätteſt rächen können: dieſe Vorerinnerung giebt dir veniam
aetatis und zeigt — ich rede warlich ernſthaft — daß du dich dem
Manne näherſt.
R.
125. An Pfarrer Völkel in Schwarzenbach. 25
[Hof, 24. Nov. 1785]
Mir träumte vor einigen Tagen, ich hätte Sie ſechsmal aus dem
Schachfelde mit meinen Officiers geſchlagen. Wenn nun Träume die
wirklichen Echos des Wachens ſind und der Schlaf nichts als die
Geſchichte des Tages wiederholet: ſo hab’ ich Grund zu glauben, daß 30
die geträumten Siege wirkliche zum Voraus ſezen und daß Sie nicht ſo
gut ſpielen als es zuweilen ſcheint. Auch dürfte einer, der über den
andern ſchon im Schlafe triumphiret, wol nicht im Wachen unter-
liegen, wo man wenigſtens eben ſo vernünftig als im Traume iſt.
Glüklicher Weiſe können Sie mir nicht widerſprechen, wenn ich 35
behaupte, daß ich bin ꝛc.
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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