"mir an Einkleidung und Materie gänzlich fehlen: du lieber Himmel! "du hättest mir aber einen geschikten Traum bescheren sollen; den "hätte ich für meinen eignen verkauft, stat daß Herr W. seine für "himlische ausgiebt, und alles wäre ganz wol gegangen."
Da sich heute ausser dem Teufel iedes Wesen freuet, wenn es kein5 Fürst ist: so hab' ich mich wirklich gleichfals freuen wollen und in der That labt mich dieses Geschreibe auch sehr, an dem Sie sämtlich wie ich sehe, sich nicht genug vergnügen können. O ihr Geistlichen alzumal! ihr laufet herum, den Siz des Paradieses aufzufinden: komt doch her zu mir und betrachtet das Narrenhaus, in das ich iezt gegangen, zur10 Genüge: hier sizet das Paradies und, lieben Freunde! es sei daß man närrisch ist oder daß man sich so stellet, welches man Laune nent, so ist man in beiden Fällen ausnehmend glüklich.
Anfangs wolte ich Ihnen von diesem und ienem schreiben -- ich wolte auf diesem Papier über erhebliche Gegenstände in der Heraldik15 mich glüklich herauslassen und den Brükner in einer schlechten Note zitiren und erheben -- ich wolte eine sehr gute Predigt an Sie halten und in dem Eingange mich selbst, in iedem Theile aber einen von Ihnen bekehren, so daß hernach wir alle nimmer hätten verdamt werden können -- ich wolte Ihnen ein glükseliges neues Jahr, des-20 gleichen daß Sie dieses und noch viele folgende in stetem Wolsein etc. wünschen; aber wie ich sah, so ist das neue Kircheniahr schon vor vier Wochen angegangen -- ich wolte Ihnen sehr danken und warlich das hätt' ich thun sollen; aber Sie verkennen mich ia nicht -- ich wolte den Galgen verdienen und dem H. D. Joerdens etwas Ausnehmendes über25 die Bruchbänder ohne Bedenken entwenden -- ich wolte endlich eine Höfer Zeitung schreiben. Und das hab' ich auch wirklich gethan; und so[196] volführet, daß ich und andere dabei mich sehr loben können. "Wie, "sagt' ich, London hat seine Daily Post, Paris seine Nouvelles a la "main und Wien sein Neuigkeitenblat im Manuskript? Mich dünkt,30 "Hof solte etwas ähnliches haben und man findet glüklicher weise an "mir den Man, der sich ganz dazu schikket."
Und lieben guten Freunde! bedenken Sie noch das ganz unpartheiisch, daß ich nicht nur, wie es scheint, ein ausgemachter Atheist bin sondern auch sicher nichts gelernt habe: wie bin ich so im Stande, der Stadt35 Hof, wenn ich nicht ein anderes Mittel ergreife, wahre Ehre zu machen? Hingegen wenn ich der Zeitungsschreiber dieser alten und
„mir an Einkleidung und Materie gänzlich fehlen: du lieber Himmel! „du hätteſt mir aber einen geſchikten Traum beſcheren ſollen; den „hätte ich für meinen eignen verkauft, ſtat daß Herr W. ſeine für „himliſche ausgiebt, und alles wäre ganz wol gegangen.“
Da ſich heute auſſer dem Teufel iedes Weſen freuet, wenn es kein5 Fürſt iſt: ſo hab’ ich mich wirklich gleichfals freuen wollen und in der That labt mich dieſes Geſchreibe auch ſehr, an dem Sie ſämtlich wie ich ſehe, ſich nicht genug vergnügen können. O ihr Geiſtlichen alzumal! ihr laufet herum, den Siz des Paradieſes aufzufinden: komt doch her zu mir und betrachtet das Narrenhaus, in das ich iezt gegangen, zur10 Genüge: hier ſizet das Paradies und, lieben Freunde! es ſei daß man närriſch iſt oder daß man ſich ſo ſtellet, welches man Laune nent, ſo iſt man in beiden Fällen ausnehmend glüklich.
Anfangs wolte ich Ihnen von dieſem und ienem ſchreiben — ich wolte auf dieſem Papier über erhebliche Gegenſtände in der Heraldik15 mich glüklich herauslaſſen und den Brükner in einer ſchlechten Note zitiren und erheben — ich wolte eine ſehr gute Predigt an Sie halten und in dem Eingange mich ſelbſt, in iedem Theile aber einen von Ihnen bekehren, ſo daß hernach wir alle nimmer hätten verdamt werden können — ich wolte Ihnen ein glükſeliges neues Jahr, des-20 gleichen daß Sie dieſes und noch viele folgende in ſtetem Wolſein ꝛc. wünſchen; aber wie ich ſah, ſo iſt das neue Kircheniahr ſchon vor vier Wochen angegangen — ich wolte Ihnen ſehr danken und warlich das hätt’ ich thun ſollen; aber Sie verkennen mich ia nicht — ich wolte den Galgen verdienen und dem H. D. Joerdens etwas Ausnehmendes über25 die Bruchbänder ohne Bedenken entwenden — ich wolte endlich eine Höfer Zeitung ſchreiben. Und das hab’ ich auch wirklich gethan; und ſo[196] volführet, daß ich und andere dabei mich ſehr loben können. „Wie, „ſagt’ ich, London hat ſeine Daily Post, Paris ſeine Nouvelles à la „main und Wien ſein Neuigkeitenblat im Manuſkript? Mich dünkt,30 „Hof ſolte etwas ähnliches haben und man findet glüklicher weiſe an „mir den Man, der ſich ganz dazu ſchikket.“
Und lieben guten Freunde! bedenken Sie noch das ganz unpartheiiſch, daß ich nicht nur, wie es ſcheint, ein ausgemachter Atheiſt bin ſondern auch ſicher nichts gelernt habe: wie bin ich ſo im Stande, der Stadt35 Hof, wenn ich nicht ein anderes Mittel ergreife, wahre Ehre zu machen? Hingegen wenn ich der Zeitungsſchreiber dieſer alten und
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„mir an Einkleidung und Materie gänzlich fehlen: du lieber Himmel!
„du hätteſt mir aber einen geſchikten Traum beſcheren ſollen; den
„hätte ich für meinen eignen verkauft, ſtat daß Herr W. ſeine für
„himliſche ausgiebt, und alles wäre ganz wol gegangen.“
Da ſich heute auſſer dem Teufel iedes Weſen freuet, wenn es kein 5
Fürſt iſt: ſo hab’ ich mich wirklich gleichfals freuen wollen und in der
That labt mich dieſes Geſchreibe auch ſehr, an dem Sie ſämtlich wie
ich ſehe, ſich nicht genug vergnügen können. O ihr Geiſtlichen alzumal!
ihr laufet herum, den Siz des Paradieſes aufzufinden: komt doch her
zu mir und betrachtet das Narrenhaus, in das ich iezt gegangen, zur 10
Genüge: hier ſizet das Paradies und, lieben Freunde! es ſei daß man
närriſch iſt oder daß man ſich ſo ſtellet, welches man Laune nent, ſo iſt
man in beiden Fällen ausnehmend glüklich.
Anfangs wolte ich Ihnen von dieſem und ienem ſchreiben — ich
wolte auf dieſem Papier über erhebliche Gegenſtände in der Heraldik 15
mich glüklich herauslaſſen und den Brükner in einer ſchlechten Note
zitiren und erheben — ich wolte eine ſehr gute Predigt an Sie halten
und in dem Eingange mich ſelbſt, in iedem Theile aber einen von
Ihnen bekehren, ſo daß hernach wir alle nimmer hätten verdamt
werden können — ich wolte Ihnen ein glükſeliges neues Jahr, des- 20
gleichen daß Sie dieſes und noch viele folgende in ſtetem Wolſein ꝛc.
wünſchen; aber wie ich ſah, ſo iſt das neue Kircheniahr ſchon vor vier
Wochen angegangen — ich wolte Ihnen ſehr danken und warlich das
hätt’ ich thun ſollen; aber Sie verkennen mich ia nicht — ich wolte den
Galgen verdienen und dem H. D. Joerdens etwas Ausnehmendes über 25
die Bruchbänder ohne Bedenken entwenden — ich wolte endlich eine
Höfer Zeitung ſchreiben. Und das hab’ ich auch wirklich gethan; und ſo
volführet, daß ich und andere dabei mich ſehr loben können. „Wie,
„ſagt’ ich, London hat ſeine Daily Post, Paris ſeine Nouvelles à la
„main und Wien ſein Neuigkeitenblat im Manuſkript? Mich dünkt, 30
„Hof ſolte etwas ähnliches haben und man findet glüklicher weiſe an
„mir den Man, der ſich ganz dazu ſchikket.“
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Und lieben guten Freunde! bedenken Sie noch das ganz unpartheiiſch,
daß ich nicht nur, wie es ſcheint, ein ausgemachter Atheiſt bin ſondern
auch ſicher nichts gelernt habe: wie bin ich ſo im Stande, der Stadt 35
Hof, wenn ich nicht ein anderes Mittel ergreife, wahre Ehre zu
machen? Hingegen wenn ich der Zeitungsſchreiber dieſer alten und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/210>, abgerufen am 23.11.2024.
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