Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite
225. An Pfarrer Vogel in Rehau.

Hochgeehrtester Herr Pfarrer,

Ich habe die Sache anders überdacht und mein heutiger Brief
enthält noch keine Nachricht, sondern eine Frage.

Der bekante Kriegszahlmeister, an dem nicht wie am Pythagoras
blos die Hüfte golden ist, hat die Natur und Textur und Struktur,
daß er am meisten für ieden eingenommen wird, der gerade bei ihm
ist -- daß ihn ieder solcher Gegenwärtige in einen gewissen Enthusias-
mus der Liebe sezt -- daß er in solchem Enthusiasmus nichts ver-10
sagen kan -- daß er, so sehr er Sie aus Ihren Büchern schäzet, doch
allemal, da ihm ein solcher Geistlicher und ein solches Gespräch ein
unauferstandner Phönix ist, durch eine Stunde Umgang noch weit mehr
Sie schäzen müste -- Kurz kommen Sie selbst.

Daß ers nicht abschlägt, wenn ichs begehre, ist wahrscheinlich,15
und wenn Sie es begehren, gewis. Lesen Sie iezt unter Wahrschein-
lichkeit und Gewisheit aus.

[258]Damit Sie nicht meine Vorsicht mit dem eigennüzigen Wunsche
Ihres Zuspruchs verwechseln -- so dürfen Sie ia nur schreiben: "bitte!"
und es wird geschehen.20

Ja ich wil vorher bitten: aber blos Sie und um nichts als 8 Bände
deutsch. Merkur rükwärts von 1778 an bis zu 1775 oder 1773. Es
liegt mir viel daran.

Ich beschneide zwar das Papier nicht, zanke mich mit den H.
Schwarzenbachern, vertrage mich mit H. Herman: aber gleichwol bin25
ich mit fester Hochachtung

Ihr
gehors. Diener
Richter

Wenn Sie werth sein wollen, daß Sie die Sonne -- des Stoizismus30
bescheinet: so kaufen Sie sich ums Himmels Willen 2 Bücher,
1) Kants Grundlegung zu einer Metaphysik der Sitten und 2)
Kants Kritik der praktischen Vernunft, 1788. Kant ist kein Licht
der Welt, sondern ein ganzes stralendes Sonnensystem auf einmal.

[Adr.] An des H. präexistirend. Superintendent Vogel Hoch-35
würden in Rehau. Mit 6 Büchern.
225. An Pfarrer Vogel in Rehau.

Hochgeehrteſter Herr Pfarrer,

Ich habe die Sache anders überdacht und mein heutiger Brief
enthält noch keine Nachricht, ſondern eine Frage.

Der bekante Kriegszahlmeiſter, an dem nicht wie am Pythagoras
blos die Hüfte golden iſt, hat die Natur und Textur und Struktur,
daß er am meiſten für ieden eingenommen wird, der gerade bei ihm
iſt — daß ihn ieder ſolcher Gegenwärtige in einen gewiſſen Enthuſiaſ-
mus der Liebe ſezt — daß er in ſolchem Enthuſiaſmus nichts ver-10
ſagen kan — daß er, ſo ſehr er Sie aus Ihren Büchern ſchäzet, doch
allemal, da ihm ein ſolcher Geiſtlicher und ein ſolches Geſpräch ein
unauferſtandner Phönix iſt, durch eine Stunde Umgang noch weit mehr
Sie ſchäzen müſte — Kurz kommen Sie ſelbſt.

Daß ers nicht abſchlägt, wenn ichs begehre, iſt wahrſcheinlich,15
und wenn Sie es begehren, gewis. Leſen Sie iezt unter Wahrſchein-
lichkeit und Gewisheit aus.

[258]Damit Sie nicht meine Vorſicht mit dem eigennüzigen Wunſche
Ihres Zuſpruchs verwechſeln — ſo dürfen Sie ia nur ſchreiben: „bitte!“
und es wird geſchehen.20

Ja ich wil vorher bitten: aber blos Sie und um nichts als 8 Bände
deutſch. Merkur rükwärts von 1778 an bis zu 1775 oder 1773. Es
liegt mir viel daran.

Ich beſchneide zwar das Papier nicht, zanke mich mit den H.
Schwarzenbachern, vertrage mich mit H. Herman: aber gleichwol bin25
ich mit feſter Hochachtung

Ihr
gehorſ. Diener
Richter

Wenn Sie werth ſein wollen, daß Sie die Sonne — des Stoiziſmus30
beſcheinet: ſo kaufen Sie ſich ums Himmels Willen 2 Bücher,
1) Kants Grundlegung zu einer Metaphyſik der Sitten und 2)
Kants Kritik der praktiſchen Vernunft, 1788. Kant iſt kein Licht
der Welt, ſondern ein ganzes ſtralendes Sonnenſyſtem auf einmal.

[Adr.] An des H. präexiſtirend. Superintendent Vogel Hoch-35
würden in Rehau. Mit 6 Büchern.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0269" n="244"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>225. An <hi rendition="#g">Pfarrer Vogel in Rehau.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">Töpen den 13 Jul. 88 <metamark>[</metamark>Sonntag<metamark>]</metamark>.</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Hochgeehrte&#x017F;ter Herr Pfarrer,</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Ich habe die Sache anders überdacht und mein heutiger Brief<lb/>
enthält noch keine Nachricht, &#x017F;ondern eine Frage.</p><lb/>
        <p>Der bekante Kriegszahlmei&#x017F;ter, an dem nicht wie am Pythagoras<lb/>
blos die Hüfte golden i&#x017F;t, hat die Natur und Textur und Struktur,<lb/>
daß er am mei&#x017F;ten für ieden eingenommen wird, der gerade bei ihm<lb/>
i&#x017F;t &#x2014; daß ihn ieder &#x017F;olcher Gegenwärtige in einen gewi&#x017F;&#x017F;en Enthu&#x017F;ia&#x017F;-<lb/>
mus der Liebe &#x017F;ezt &#x2014; daß er in &#x017F;olchem Enthu&#x017F;ia&#x017F;mus nichts ver-<lb n="10"/>
&#x017F;agen kan &#x2014; daß er, &#x017F;o &#x017F;ehr er Sie aus Ihren Büchern &#x017F;chäzet, doch<lb/>
allemal, da ihm ein &#x017F;olcher Gei&#x017F;tlicher und ein &#x017F;olches Ge&#x017F;präch ein<lb/>
unaufer&#x017F;tandner Phönix i&#x017F;t, durch eine Stunde Umgang noch weit mehr<lb/>
Sie &#x017F;chäzen mü&#x017F;te &#x2014; Kurz kommen Sie &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Daß ers nicht ab&#x017F;chlägt, wenn ichs begehre, i&#x017F;t <hi rendition="#g">wahr&#x017F;cheinlich,</hi><lb n="15"/>
und wenn Sie es begehren, <hi rendition="#g">gewis.</hi> Le&#x017F;en Sie iezt unter Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lichkeit und Gewisheit aus.</p><lb/>
        <p><note place="left"><ref target="1922_Bd#_258">[258]</ref></note>Damit Sie nicht meine Vor&#x017F;icht mit dem eigennüzigen Wun&#x017F;che<lb/>
Ihres Zu&#x017F;pruchs verwech&#x017F;eln &#x2014; &#x017F;o dürfen Sie ia nur &#x017F;chreiben: &#x201E;bitte!&#x201C;<lb/>
und es wird ge&#x017F;chehen.<lb n="20"/>
</p>
        <p>Ja ich wil vorher bitten: aber blos Sie und um nichts als 8 Bände<lb/><hi rendition="#g">deut&#x017F;ch. Merkur</hi> rükwärts von 1778 an bis zu 1775 oder 1773. Es<lb/>
liegt mir viel daran.</p><lb/>
        <p>Ich be&#x017F;chneide zwar das Papier nicht, zanke mich mit den H.<lb/>
Schwarzenbachern, vertrage mich mit H. Herman: aber gleichwol bin<lb n="25"/>
ich mit fe&#x017F;ter Hochachtung</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#et">Ihr<lb/>
gehor&#x017F;. Diener<lb/>
Richter</hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p>Wenn Sie werth &#x017F;ein wollen, daß Sie die Sonne &#x2014; des Stoizi&#x017F;mus<lb n="30"/>
be&#x017F;cheinet: &#x017F;o kaufen Sie &#x017F;ich ums Himmels Willen 2 Bücher,<lb/>
1) Kants Grundlegung zu einer Metaphy&#x017F;ik der Sitten und 2)<lb/>
Kants Kritik der <hi rendition="#g">prakti&#x017F;chen</hi> Vernunft, 1788. Kant i&#x017F;t kein Licht<lb/>
der Welt, &#x017F;ondern ein ganzes &#x017F;tralendes Sonnen&#x017F;y&#x017F;tem auf einmal.</p>
        </postscript><lb/>
        <trailer>
          <address>
            <addrLine><metamark>[</metamark>Adr.<metamark>]</metamark> An des H. präexi&#x017F;tirend. Superintendent Vogel Hoch-<lb n="35"/>
würden in Rehau. <hi rendition="#g">Mit 6 Büchern.</hi></addrLine>
          </address>
        </trailer>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0269] 225. An Pfarrer Vogel in Rehau. Töpen den 13 Jul. 88 [Sonntag]. Hochgeehrteſter Herr Pfarrer, Ich habe die Sache anders überdacht und mein heutiger Brief enthält noch keine Nachricht, ſondern eine Frage. Der bekante Kriegszahlmeiſter, an dem nicht wie am Pythagoras blos die Hüfte golden iſt, hat die Natur und Textur und Struktur, daß er am meiſten für ieden eingenommen wird, der gerade bei ihm iſt — daß ihn ieder ſolcher Gegenwärtige in einen gewiſſen Enthuſiaſ- mus der Liebe ſezt — daß er in ſolchem Enthuſiaſmus nichts ver- 10 ſagen kan — daß er, ſo ſehr er Sie aus Ihren Büchern ſchäzet, doch allemal, da ihm ein ſolcher Geiſtlicher und ein ſolches Geſpräch ein unauferſtandner Phönix iſt, durch eine Stunde Umgang noch weit mehr Sie ſchäzen müſte — Kurz kommen Sie ſelbſt. Daß ers nicht abſchlägt, wenn ichs begehre, iſt wahrſcheinlich, 15 und wenn Sie es begehren, gewis. Leſen Sie iezt unter Wahrſchein- lichkeit und Gewisheit aus. Damit Sie nicht meine Vorſicht mit dem eigennüzigen Wunſche Ihres Zuſpruchs verwechſeln — ſo dürfen Sie ia nur ſchreiben: „bitte!“ und es wird geſchehen. 20 [258] Ja ich wil vorher bitten: aber blos Sie und um nichts als 8 Bände deutſch. Merkur rükwärts von 1778 an bis zu 1775 oder 1773. Es liegt mir viel daran. Ich beſchneide zwar das Papier nicht, zanke mich mit den H. Schwarzenbachern, vertrage mich mit H. Herman: aber gleichwol bin 25 ich mit feſter Hochachtung Ihr gehorſ. Diener Richter Wenn Sie werth ſein wollen, daß Sie die Sonne — des Stoiziſmus 30 beſcheinet: ſo kaufen Sie ſich ums Himmels Willen 2 Bücher, 1) Kants Grundlegung zu einer Metaphyſik der Sitten und 2) Kants Kritik der praktiſchen Vernunft, 1788. Kant iſt kein Licht der Welt, ſondern ein ganzes ſtralendes Sonnenſyſtem auf einmal. [Adr.] An des H. präexiſtirend. Superintendent Vogel Hoch- 35 würden in Rehau. Mit 6 Büchern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/269
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/269>, abgerufen am 21.11.2024.