thaten. -- Ich weiß recht gut, wieviel der Funke, der eine volle Mine berührt, sich vom Feuerglobus anzumassen hat, den er aufjagt. Die mit allen Saiten der höhern Melodie bespante Seele tönt nicht blos gleichen Seelen sondern auch dissonierendem Geräusche nach. Kuh- glocken wirkten oft so viel auf mich als Harmonikaglocken; aber es kam5 nicht von dem, was ich dabei hörte, sondern was ich dabei dachte. -- Ich [bin] jener dem vornehmen incognito abgelernten disciplina arcani und Plombierung des Namens feind; ein solches Sekretsin- siegel auf dem unbedeutenden Namen ist blos eine unnüze Beleidigung. Ihre Fragen kommen nach meiner Antwort. "Was ich bin?" Nichts,10 sag' ich sonst; aber blos ein Zähler von Nichts bin ich. Bei meinem unbezwinglichen Hasse gegen alle Brodstudien trieb ich die 3 Fakul- tätsbrodstudien, aber als Unterabtheilungen der Philosophie und des Spasses, dem ich verdanke, daß ich über den Sturmmonat des Gefühls unversehrt hinüberkam. Meine Anstrengungen zerfielen in Arbeiten15 für etc. den Teufel, und in einsiedlerisches Lesen. Ich blieb und bleibe bei meinem Verzichtthun auf alle Aemter, das ausgenommen, daß ich 8 Kinder als Mentor unterhalte, deren 3 Eltern in den feurigen Ofen geworfen zu werden verdienen, weil sie eben so gut sind. -- Ich wüste nicht, daß ich arm wäre, wenn ich nicht eine betagte Mutter hätte, die20 es nicht wissen solte. Die Menschen- und Anverwandten Liebe ist noch das einzige, was uns auf das zerstossende Rad Fortunas flechten kan, indeß die grossen Auen der Wissenschaft mit Bäumen d[es] Erkent- [nisses] samt ihren Früchten und Schatten und Blumen mit [?] irren- den Düften vor uns liegen -- ach in einem Leben, das sobald durch-25 flogen ist, ist jeder ein Nar, der mehr Mittel als Zwecke hat oder dem nicht jedes Mittel Endzwek ist. -- Miniaturgehenk von Chod[owiezkys] Medaillons -- wo ich Sie mit festern Armen als denen des Traums umfasse. Wir sehen einander bald, entweder in Hof oder Berlin. An Ihr[em] Herz[en] schlage ein eben so schönes, die Erinnerung hülle Ihr30 Sehnen in einen transparenten umwölkten Himmel ein und du -- Genius andrer Erden -- gieb ihm, was ihm diese versagt.
[378]394. An Karl Delbrück in Schwarzenbach.
[Kopie][Schwarzenbach, 30. Juni 1792. Sonnabend]
Garve, den ich so kurz gesehen wie Sie. Denken Sie zuweilen auf35 Ihrem Pferde an mich -- werfen [Sie] aus Ihrer Ferne einen Blik
thaten. — Ich weiß recht gut, wieviel der Funke, der eine volle Mine berührt, ſich vom Feuerglobus anzumaſſen hat, den er aufjagt. Die mit allen Saiten der höhern Melodie beſpante Seele tönt nicht blos gleichen Seelen ſondern auch diſſonierendem Geräuſche nach. Kuh- glocken wirkten oft ſo viel auf mich als Harmonikaglocken; aber es kam5 nicht von dem, was ich dabei hörte, ſondern was ich dabei dachte. — Ich [bin] jener dem vornehmen incognito abgelernten disciplina arcani und Plombierung des Namens feind; ein ſolches Sekretsin- ſiegel auf dem unbedeutenden Namen iſt blos eine unnüze Beleidigung. Ihre Fragen kommen nach meiner Antwort. „Was ich bin?“ Nichts,10 ſag’ ich ſonſt; aber blos ein Zähler von Nichts bin ich. Bei meinem unbezwinglichen Haſſe gegen alle Brodſtudien trieb ich die 3 Fakul- tätsbrodſtudien, aber als Unterabtheilungen der Philoſophie und des Spaſſes, dem ich verdanke, daß ich über den Sturmmonat des Gefühls unverſehrt hinüberkam. Meine Anſtrengungen zerfielen in Arbeiten15 für ꝛc. den Teufel, und in einſiedleriſches Leſen. Ich blieb und bleibe bei meinem Verzichtthun auf alle Aemter, das ausgenommen, daß ich 8 Kinder als Mentor unterhalte, deren 3 Eltern in den feurigen Ofen geworfen zu werden verdienen, weil ſie eben ſo gut ſind. — Ich wüſte nicht, daß ich arm wäre, wenn ich nicht eine betagte Mutter hätte, die20 es nicht wiſſen ſolte. Die Menſchen- und Anverwandten Liebe iſt noch das einzige, was uns auf das zerſtoſſende Rad Fortunas flechten kan, indeß die groſſen Auen der Wiſſenſchaft mit Bäumen d[es] Erkent- [niſſes] ſamt ihren Früchten und Schatten und Blumen mit [?] irren- den Düften vor uns liegen — ach in einem Leben, das ſobald durch-25 flogen iſt, iſt jeder ein Nar, der mehr Mittel als Zwecke hat oder dem nicht jedes Mittel Endzwek iſt. — Miniaturgehenk von Chod[owiezkys] Medaillons — wo ich Sie mit feſtern Armen als denen des Traums umfaſſe. Wir ſehen einander bald, entweder in Hof oder Berlin. An Ihr[em] Herz[en] ſchlage ein eben ſo ſchönes, die Erinnerung hülle Ihr30 Sehnen in einen transparenten umwölkten Himmel ein und du — Genius andrer Erden — gieb ihm, was ihm dieſe verſagt.
[378]394. An Karl Delbrück in Schwarzenbach.
[Kopie][Schwarzenbach, 30. Juni 1792. Sonnabend]
Garve, den ich ſo kurz geſehen wie Sie. Denken Sie zuweilen auf35 Ihrem Pferde an mich — werfen [Sie] aus Ihrer Ferne einen Blik
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berührt, ſich vom Feuerglobus anzumaſſen hat, den er aufjagt. Die mit
allen Saiten der höhern Melodie beſpante Seele tönt nicht blos
gleichen Seelen ſondern auch diſſonierendem Geräuſche nach. Kuh-
glocken wirkten oft ſo viel auf mich als Harmonikaglocken; aber es kam 5
nicht von dem, was ich dabei hörte, ſondern was ich dabei dachte. —
Ich [bin] jener dem vornehmen incognito abgelernten disciplina
arcani und Plombierung des Namens feind; ein ſolches Sekretsin-
ſiegel auf dem unbedeutenden Namen iſt blos eine unnüze Beleidigung.
Ihre Fragen kommen nach meiner Antwort. „Was ich bin?“ Nichts, 10
ſag’ ich ſonſt; aber blos ein Zähler von Nichts bin ich. Bei meinem
unbezwinglichen Haſſe gegen alle Brodſtudien trieb ich die 3 Fakul-
tätsbrodſtudien, aber als Unterabtheilungen der Philoſophie und des
Spaſſes, dem ich verdanke, daß ich über den Sturmmonat des Gefühls
unverſehrt hinüberkam. Meine Anſtrengungen zerfielen in Arbeiten 15
für ꝛc. den Teufel, und in einſiedleriſches Leſen. Ich blieb und bleibe
bei meinem Verzichtthun auf alle Aemter, das ausgenommen, daß ich
8 Kinder als Mentor unterhalte, deren 3 Eltern in den feurigen Ofen
geworfen zu werden verdienen, weil ſie eben ſo gut ſind. — Ich wüſte
nicht, daß ich arm wäre, wenn ich nicht eine betagte Mutter hätte, die 20
es nicht wiſſen ſolte. Die Menſchen- und Anverwandten Liebe iſt noch
das einzige, was uns auf das zerſtoſſende Rad Fortunas flechten kan,
indeß die groſſen Auen der Wiſſenſchaft mit Bäumen d[es] Erkent-
[niſſes] ſamt ihren Früchten und Schatten und Blumen mit [?] irren-
den Düften vor uns liegen — ach in einem Leben, das ſobald durch- 25
flogen iſt, iſt jeder ein Nar, der mehr Mittel als Zwecke hat oder dem
nicht jedes Mittel Endzwek iſt. — Miniaturgehenk von Chod[owiezkys]
Medaillons — wo ich Sie mit feſtern Armen als denen des Traums
umfaſſe. Wir ſehen einander bald, entweder in Hof oder Berlin. An
Ihr[em] Herz[en] ſchlage ein eben ſo ſchönes, die Erinnerung hülle Ihr 30
Sehnen in einen transparenten umwölkten Himmel ein und du —
Genius andrer Erden — gieb ihm, was ihm dieſe verſagt.
394. An Karl Delbrück in Schwarzenbach.
[Schwarzenbach, 30. Juni 1792. Sonnabend]
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/385>, abgerufen am 27.11.2024.
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