Erlang -- sind am Sonabend und Sontag in Bayreuth und wahr- scheinlich am Montage in Hof. -- --
Mehr erzähl' ich nicht -- --
Das Schiksal hat uns so lieb gehabt, daß es fast lauter schöne Gesichter stat der Meilenzeiger in unsern Weg hineingestelt. Durch die5 Bambergischen Wiesen hätt' ich mit ausgespanten Armen gehen mögen, um sie sogleich an den schönsten Gestalten, die uns auf ihnen begegneten, zuzumachen. Es war gerade abends -- alle von der Sonne getränkten Wolken überflossen ein stilles ebenes mehr mit Gärten als Wäldern bekränztes Land -- und die Erinnerung und die Hofnung10 [412]standen wie zwei Sterne schimmernd über dem ganzen Gefilde. Ich fragte jedes sanfte Mädgen, welches der rechte Weg wäre, und verlor darüber einen andern rechten.
Und doch erstiegen wir auf dieser Himmelsleiter noch eine höhere Sprosse, Neustadt nämlich.15
Ein solcher Sontag wie der am 7. Jul. stand bisher nur in meinem Kopfe, aber nicht im Kalender. Ich wil die vielen Leute nicht in meinen Brief hereinthun, um die ich herumseze, noch ein schönes Frauen- zimmer, die eine ziemlich leserliche Abschrift von der Spangenbergin ist -- sondern ich wil den Sontag abends von 7 Uhr bis 111/2 be-20 schreiben.
Nein, ich lass' es lieber bleiben. Dieser Zauberabend steht, wie ein Blumenfeld, dunkel unter dem Wasser der Zeit und der Vergangenheit, und ich kan vor Sehnsucht kaum hinuntersehen zu diesem unter- gesunknen Blumen-Boden. Ach dieser Boden trug schöne Minuten!25 Im langen langen Garten eines gewissen Oertels, der unsertwegen alles thäte und der unsertwegen Blasmusik und weibliche Geselschaft bestelte, ist die Wiege und das Grab eines meiner schönsten Abende -- ein grosser Teich mit tausend Fröschen, Baum- und Blumenalleeen und (was der gröste Reiz eines Gartens ist) die Nachbarschaft des-30 selben, die im röthlichen Abendhimmel über kleinen Bergerhebungen schwebenden Bäume hülten das Auge mit Blüten zu, damit die sanft verdunkelte Seele schöner in ihre Träume falle -- zwei weibliche Schönheiten unter einem Schwalle anderer Personen kamen mit ihren Eltern an -- die eine, die schönste, schlug mit ihren Stralen und mit35 ihren schwarzen Fackel-Augen wie eine Blizwolke in einen Menschen ein, der sich durch Romane erhizt -- (so viel Naivetät, Schönheit,
Erlang — ſind am Sonabend und Sontag in Bayreuth und wahr- ſcheinlich am Montage in Hof. — —
Mehr erzähl’ ich nicht — —
Das Schikſal hat uns ſo lieb gehabt, daß es faſt lauter ſchöne Geſichter ſtat der Meilenzeiger in unſern Weg hineingeſtelt. Durch die5 Bambergiſchen Wieſen hätt’ ich mit ausgeſpanten Armen gehen mögen, um ſie ſogleich an den ſchönſten Geſtalten, die uns auf ihnen begegneten, zuzumachen. Es war gerade abends — alle von der Sonne getränkten Wolken überfloſſen ein ſtilles ebenes mehr mit Gärten als Wäldern bekränztes Land — und die Erinnerung und die Hofnung10 [412]ſtanden wie zwei Sterne ſchimmernd über dem ganzen Gefilde. Ich fragte jedes ſanfte Mädgen, welches der rechte Weg wäre, und verlor darüber einen andern rechten.
Und doch erſtiegen wir auf dieſer Himmelsleiter noch eine höhere Sproſſe, Neuſtadt nämlich.15
Ein ſolcher Sontag wie der am 7. Jul. ſtand bisher nur in meinem Kopfe, aber nicht im Kalender. Ich wil die vielen Leute nicht in meinen Brief hereinthun, um die ich herumſeze, noch ein ſchönes Frauen- zimmer, die eine ziemlich leſerliche Abſchrift von der Spangenbergin iſt — ſondern ich wil den Sontag abends von 7 Uhr bis 11½ be-20 ſchreiben.
Nein, ich laſſ’ es lieber bleiben. Dieſer Zauberabend ſteht, wie ein Blumenfeld, dunkel unter dem Waſſer der Zeit und der Vergangenheit, und ich kan vor Sehnſucht kaum hinunterſehen zu dieſem unter- geſunknen Blumen-Boden. Ach dieſer Boden trug ſchöne Minuten!25 Im langen langen Garten eines gewiſſen Oertels, der unſertwegen alles thäte und der unſertwegen Blasmuſik und weibliche Geſelſchaft beſtelte, iſt die Wiege und das Grab eines meiner ſchönſten Abende — ein groſſer Teich mit tauſend Fröſchen, Baum- und Blumenalleeen und (was der gröſte Reiz eines Gartens iſt) die Nachbarſchaft deſ-30 ſelben, die im röthlichen Abendhimmel über kleinen Bergerhebungen ſchwebenden Bäume hülten das Auge mit Blüten zu, damit die ſanft verdunkelte Seele ſchöner in ihre Träume falle — zwei weibliche Schönheiten unter einem Schwalle anderer Perſonen kamen mit ihren Eltern an — die eine, die ſchönſte, ſchlug mit ihren Stralen und mit35 ihren ſchwarzen Fackel-Augen wie eine Blizwolke in einen Menſchen ein, der ſich durch Romane erhizt — (ſo viel Naivetät, Schönheit,
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Erlang — ſind am Sonabend und Sontag in Bayreuth und wahr-
ſcheinlich am Montage in Hof. — —
Mehr erzähl’ ich nicht — —
Das Schikſal hat uns ſo lieb gehabt, daß es faſt lauter ſchöne
Geſichter ſtat der Meilenzeiger in unſern Weg hineingeſtelt. Durch die 5
Bambergiſchen Wieſen hätt’ ich mit ausgeſpanten Armen gehen
mögen, um ſie ſogleich an den ſchönſten Geſtalten, die uns auf ihnen
begegneten, zuzumachen. Es war gerade abends — alle von der Sonne
getränkten Wolken überfloſſen ein ſtilles ebenes mehr mit Gärten als
Wäldern bekränztes Land — und die Erinnerung und die Hofnung 10
ſtanden wie zwei Sterne ſchimmernd über dem ganzen Gefilde. Ich
fragte jedes ſanfte Mädgen, welches der rechte Weg wäre, und verlor
darüber einen andern rechten.
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Und doch erſtiegen wir auf dieſer Himmelsleiter noch eine höhere
Sproſſe, Neuſtadt nämlich. 15
Ein ſolcher Sontag wie der am 7. Jul. ſtand bisher nur in meinem
Kopfe, aber nicht im Kalender. Ich wil die vielen Leute nicht in meinen
Brief hereinthun, um die ich herumſeze, noch ein ſchönes Frauen-
zimmer, die eine ziemlich leſerliche Abſchrift von der Spangenbergin
iſt — ſondern ich wil den Sontag abends von 7 Uhr bis 11½ be- 20
ſchreiben.
Nein, ich laſſ’ es lieber bleiben. Dieſer Zauberabend ſteht, wie ein
Blumenfeld, dunkel unter dem Waſſer der Zeit und der Vergangenheit,
und ich kan vor Sehnſucht kaum hinunterſehen zu dieſem unter-
geſunknen Blumen-Boden. Ach dieſer Boden trug ſchöne Minuten! 25
Im langen langen Garten eines gewiſſen Oertels, der unſertwegen
alles thäte und der unſertwegen Blasmuſik und weibliche Geſelſchaft
beſtelte, iſt die Wiege und das Grab eines meiner ſchönſten Abende —
ein groſſer Teich mit tauſend Fröſchen, Baum- und Blumenalleeen
und (was der gröſte Reiz eines Gartens iſt) die Nachbarſchaft deſ- 30
ſelben, die im röthlichen Abendhimmel über kleinen Bergerhebungen
ſchwebenden Bäume hülten das Auge mit Blüten zu, damit die ſanft
verdunkelte Seele ſchöner in ihre Träume falle — zwei weibliche
Schönheiten unter einem Schwalle anderer Perſonen kamen mit ihren
Eltern an — die eine, die ſchönſte, ſchlug mit ihren Stralen und mit 35
ihren ſchwarzen Fackel-Augen wie eine Blizwolke in einen Menſchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/420>, abgerufen am 15.06.2024.
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