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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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schreiben. Ich lache iezt soviel, daß ich zu denken kaum Zeit habe, ich
übe mein Zwergfel auf Kosten meines Gehirns und meine Zäne ver-
lernen über das Beissen das Käuen.

Meine Skizzen haben mir 96 rtl. eingetragen. Den zweiten Teil
werd' ich teurer verkaufen. Er wird stärker und gewis besser als der5
erste ausfallen. Wie ser ich von der Menge der Feler des ersten Teils
überzeugt bin, kan ich Ihnen nicht nachdrüklicher beweisen, als wenn ich
ihrer im zweiten weniger mache. Diese Beschäftigung ist Ursache an
meinem Stilschweigen auf Ihren schönen Brief und an der Kürze und
Felerhaftigkeit des gegenwärtigen. Vielleicht hält mich dieses dennoch10
nicht ab, zu Pfingsten in Hof, und was für mich das angenemste ist
auch in Rehau zu sein.

Befürchten Sie für Ihr Kind von der berlinischen Badwanne nichts!
man hätte ia sonst meines im ersten Bad ersäuft. In Berlin passirt
iedes Buch die Zensur, wär' es auch so gut, wie das Ihrige; hier15
kaum eines, das so schlecht ist wie das meinige.

Hier folgt ein Katalogus von einer schäzbaren Büchersamlung.
Solte meine Abwesenheit in die Zeit der Veraukzionirung fallen, so
werd' ich Ihre Aufträge schon durch einen guten Freund besorgen
lassen. Eh' Sie mir in Ihrem künftigen Briefe danken, daß ich Ihnen20
den Katalogus geschikt, so zanken Sie mich vorher aus, daß ich Ihnen
die vorhergehenden nicht geschikt; aber Ihren Dank verdien' ich
weniger als Ihren Unwillen. Sie gaben mir sonst Bücher; und ich geb'
Ihnen dafür nur Verzeichnisse derselben.

Ihre lieben Kleinen werden, hoff' ich, die Blattern überwunden25
haben. Ich fürchte nicht, daß diese Stelle meines Briefs in Ihrem
Herzen auf eine Wunde trift, an der die Zeit noch heilt. -- Sagen Sie
Ihrer Gattin meine Empfelung mit einem Kus.

Ich schliesse. Antworten Sie bald; ich möchte Sie noch einmal lesen
eh' ich Sie sehe. Leben Sie wol! Ich weis nicht warum ich so weh-30
mütig werde, daß ich weinen möchte. O! man weint nie angenemer,
als wenn man nicht weis warum ........... Lieben Sie

Ihren
[Spaltenumbruch] Leipzig den 1. Mai.
1783.35
[Spaltenumbruch] Freund
J. P. F. Richter
5*

ſchreiben. Ich lache iezt ſoviel, daß ich zu denken kaum Zeit habe, ich
übe mein Zwergfel auf Koſten meines Gehirns und meine Zäne ver-
lernen über das Beiſſen das Käuen.

Meine Skizzen haben mir 96 rtl. eingetragen. Den zweiten Teil
werd’ ich teurer verkaufen. Er wird ſtärker und gewis beſſer als der5
erſte ausfallen. Wie ſer ich von der Menge der Feler des erſten Teils
überzeugt bin, kan ich Ihnen nicht nachdrüklicher beweiſen, als wenn ich
ihrer im zweiten weniger mache. Dieſe Beſchäftigung iſt Urſache an
meinem Stilſchweigen auf Ihren ſchönen Brief und an der Kürze und
Felerhaftigkeit des gegenwärtigen. Vielleicht hält mich dieſes dennoch10
nicht ab, zu Pfingſten in Hof, und was für mich das angenemſte iſt
auch in Rehau zu ſein.

Befürchten Sie für Ihr Kind von der berliniſchen Badwanne nichts!
man hätte ia ſonſt meines im erſten Bad erſäuft. In Berlin paſſirt
iedes Buch die Zenſur, wär’ es auch ſo gut, wie das Ihrige; hier15
kaum eines, das ſo ſchlecht iſt wie das meinige.

Hier folgt ein Katalogus von einer ſchäzbaren Bücherſamlung.
Solte meine Abweſenheit in die Zeit der Veraukzionirung fallen, ſo
werd’ ich Ihre Aufträge ſchon durch einen guten Freund beſorgen
laſſen. Eh’ Sie mir in Ihrem künftigen Briefe danken, daß ich Ihnen20
den Katalogus geſchikt, ſo zanken Sie mich vorher aus, daß ich Ihnen
die vorhergehenden nicht geſchikt; aber Ihren Dank verdien’ ich
weniger als Ihren Unwillen. Sie gaben mir ſonſt Bücher; und ich geb’
Ihnen dafür nur Verzeichniſſe derſelben.

Ihre lieben Kleinen werden, hoff’ ich, die Blattern überwunden25
haben. Ich fürchte nicht, daß dieſe Stelle meines Briefs in Ihrem
Herzen auf eine Wunde trift, an der die Zeit noch heilt. — Sagen Sie
Ihrer Gattin meine Empfelung mit einem Kus.

Ich ſchlieſſe. Antworten Sie bald; ich möchte Sie noch einmal leſen
eh’ ich Sie ſehe. Leben Sie wol! Ich weis nicht warum ich ſo weh-30
mütig werde, daß ich weinen möchte. O! man weint nie angenemer,
als wenn man nicht weis warum ........... Lieben Sie

Ihren
[Spaltenumbruch] Leipzig den 1. Mai.
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J. P. F. Richter
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[67/0090] ſchreiben. Ich lache iezt ſoviel, daß ich zu denken kaum Zeit habe, ich übe mein Zwergfel auf Koſten meines Gehirns und meine Zäne ver- lernen über das Beiſſen das Käuen. Meine Skizzen haben mir 96 rtl. eingetragen. Den zweiten Teil werd’ ich teurer verkaufen. Er wird ſtärker und gewis beſſer als der 5 erſte ausfallen. Wie ſer ich von der Menge der Feler des erſten Teils überzeugt bin, kan ich Ihnen nicht nachdrüklicher beweiſen, als wenn ich ihrer im zweiten weniger mache. Dieſe Beſchäftigung iſt Urſache an meinem Stilſchweigen auf Ihren ſchönen Brief und an der Kürze und Felerhaftigkeit des gegenwärtigen. Vielleicht hält mich dieſes dennoch 10 nicht ab, zu Pfingſten in Hof, und was für mich das angenemſte iſt auch in Rehau zu ſein. Befürchten Sie für Ihr Kind von der berliniſchen Badwanne nichts! man hätte ia ſonſt meines im erſten Bad erſäuft. In Berlin paſſirt iedes Buch die Zenſur, wär’ es auch ſo gut, wie das Ihrige; hier 15 kaum eines, das ſo ſchlecht iſt wie das meinige. Hier folgt ein Katalogus von einer ſchäzbaren Bücherſamlung. Solte meine Abweſenheit in die Zeit der Veraukzionirung fallen, ſo werd’ ich Ihre Aufträge ſchon durch einen guten Freund beſorgen laſſen. Eh’ Sie mir in Ihrem künftigen Briefe danken, daß ich Ihnen 20 den Katalogus geſchikt, ſo zanken Sie mich vorher aus, daß ich Ihnen die vorhergehenden nicht geſchikt; aber Ihren Dank verdien’ ich weniger als Ihren Unwillen. Sie gaben mir ſonſt Bücher; und ich geb’ Ihnen dafür nur Verzeichniſſe derſelben. Ihre lieben Kleinen werden, hoff’ ich, die Blattern überwunden 25 haben. Ich fürchte nicht, daß dieſe Stelle meines Briefs in Ihrem Herzen auf eine Wunde trift, an der die Zeit noch heilt. — Sagen Sie Ihrer Gattin meine Empfelung mit einem Kus. Ich ſchlieſſe. Antworten Sie bald; ich möchte Sie noch einmal leſen eh’ ich Sie ſehe. Leben Sie wol! Ich weis nicht warum ich ſo weh- 30 mütig werde, daß ich weinen möchte. O! man weint nie angenemer, als wenn man nicht weis warum ........... Lieben Sie Ihren Leipzig den 1. Mai. 1783. 35 Freund J. P. F. Richter 5*

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/90>, abgerufen am 27.11.2024.