grif und der 2 fl. wil; ich wil lieber alles behalten) ... den Kupfer- stich des Verfassers auch haben. Hier ists anders als in Hof, wo man jedem das Buch schenken mus, damit ers lieset, -- und da mus man noch monieren und überlaufen --. In meinen Exzerpten steht der Name eines Gelehrten, der diebisch in den Pariser Buchläden herum-5 schlich, nicht um in die Tasche zu spielen, sondern um seine Werke heft- weise daraus zu ziehen und sie so, wenn es niemand sah, unter andere Novitäten gratis einzuschwärzen: er wolte mit seinen Sachen unter die Leute. "Die Horen wurden hier, sagte mir Lübek, anfangs so sehr ge- "kauft, weil sich die Damen dafür interessierten; nachher hörte mit10 "diesem jenes auf." Welches Lob nicht für die Männer, die tanzen, sondern für die Weiber, die pfeifen! In der hiesigen Journalgesel- schaft sind mehr Leserinnen als Leser. -- Die alte Petermannin, die nicht viel mehr zu leben hat -- an Jahren so wol als an Nahrung -- lässet sich vor ihren Krankenvorhängen meinen Hesperus vorlesen und15 wil mich vor dem Ende noch sehen: es thut mir sanft, daß ich noch in den tiefen Schatten des Lebens, der schon um sie liegen mus, noch einen bunten langen Strahl ziehen kan, von dem sie denken kan, er komme vom Morgen ihres Lebens durch eine Fensterladenrize. Ein Traum ist ein grösseres Geschenk, zumal so nahe am Schlaf, als einige Hufen20 Wirklichkeit. -- Den gestrigen Abend versas Schäfer, Emanuel und ein Hofmeister aus Braunschweig h'oben bei mir. H'oben, h'unten, h'aussen solte uns Adelung verstatten. -- Die zwei Namen mus Schäfer[143] noch wissen, sowol von der Gräfin als von der Dame, an die sie schrieb: "der Hesperus etc.": die leztere lies überal nachschlagen, wuste nicht was25 es wäre, dachte endlich, es sei eine neue Waare und gieng den Emanuel darum an: und der gab ihr auch die neue Waare. -- Dieser sagt mir, er habe blos das Herz nicht, an dich zu schreiben, weil ihn dein Brief über alle Beschreibung entzükt und erfrischet habe: er kan ihn nicht sat bekommen. Ich mus dir sagen, ich war über deine Grille, da ich dir30 doch alles, alles zeige, recht innerlich und ernsthaft böse, da du nicht die Ausrede, wie bei R[eichs] Akten hast, und da du mit eben soviel Recht sagen köntest, "du trügest Bedenken, mich in die Briefe gucken zu "lassen, die du an den S. T. H. Jean Paul gestelt." -- Amöne lässet mich hier auch nicht in ihre an Emanuel sehen, aber das war nur35 Eitelkeit oder Nachahmung und ich war zu tol, da sie zu ihrer Erlaubnis nur eine stärkere Bitte begehrte, diese zu thun. Emanuel findet ihre
10 Jean Paul Briefe. II.
grif und der 2 fl. wil; ich wil lieber alles behalten) ... den Kupfer- ſtich des Verfaſſers auch haben. Hier iſts anders als in Hof, wo man jedem das Buch ſchenken mus, damit ers lieſet, — und da mus man noch monieren und überlaufen —. In meinen Exzerpten ſteht der Name eines Gelehrten, der diebiſch in den Pariſer Buchläden herum-5 ſchlich, nicht um in die Taſche zu ſpielen, ſondern um ſeine Werke heft- weiſe daraus zu ziehen und ſie ſo, wenn es niemand ſah, unter andere Novitäten gratis einzuſchwärzen: er wolte mit ſeinen Sachen unter die Leute. „Die Horen wurden hier, ſagte mir Lübek, anfangs ſo ſehr ge- „kauft, weil ſich die Damen dafür intereſſierten; nachher hörte mit10 „dieſem jenes auf.“ Welches Lob nicht für die Männer, die tanzen, ſondern für die Weiber, die pfeifen! In der hieſigen Journalgeſel- ſchaft ſind mehr Leſerinnen als Leſer. — Die alte Petermannin, die nicht viel mehr zu leben hat — an Jahren ſo wol als an Nahrung — läſſet ſich vor ihren Krankenvorhängen meinen Heſperus vorleſen und15 wil mich vor dem Ende noch ſehen: es thut mir ſanft, daß ich noch in den tiefen Schatten des Lebens, der ſchon um ſie liegen mus, noch einen bunten langen Strahl ziehen kan, von dem ſie denken kan, er komme vom Morgen ihres Lebens durch eine Fenſterladenrize. Ein Traum iſt ein gröſſeres Geſchenk, zumal ſo nahe am Schlaf, als einige Hufen20 Wirklichkeit. — Den geſtrigen Abend verſas Schäfer, Emanuel und ein Hofmeiſter aus Braunſchweig h’oben bei mir. H’oben, h’unten, h’auſſen ſolte uns Adelung verſtatten. — Die zwei Namen mus Schäfer[143] noch wiſſen, ſowol von der Gräfin als von der Dame, an die ſie ſchrieb: „der Heſperus ꝛc.“: die leztere lies überal nachſchlagen, wuſte nicht was25 es wäre, dachte endlich, es ſei eine neue Waare und gieng den Emanuel darum an: und der gab ihr auch die neue Waare. — Dieſer ſagt mir, er habe blos das Herz nicht, an dich zu ſchreiben, weil ihn dein Brief über alle Beſchreibung entzükt und erfriſchet habe: er kan ihn nicht ſat bekommen. Ich mus dir ſagen, ich war über deine Grille, da ich dir30 doch alles, alles zeige, recht innerlich und ernſthaft böſe, da du nicht die Ausrede, wie bei R[eichs] Akten haſt, und da du mit eben ſoviel Recht ſagen könteſt, „du trügeſt Bedenken, mich in die Briefe gucken zu „laſſen, die du an den S. T. H. Jean Paul geſtelt.“ — Amöne läſſet mich hier auch nicht in ihre an Emanuel ſehen, aber das war nur35 Eitelkeit oder Nachahmung und ich war zu tol, da ſie zu ihrer Erlaubnis nur eine ſtärkere Bitte begehrte, dieſe zu thun. Emanuel findet ihre
10 Jean Paul Briefe. II.
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grif und der 2 fl. wil; ich wil lieber alles behalten) ... den Kupfer-
ſtich des Verfaſſers auch haben. Hier iſts anders als in Hof, wo man
jedem das Buch ſchenken mus, damit ers lieſet, — und da mus man
noch monieren und überlaufen —. In meinen Exzerpten ſteht der
Name eines Gelehrten, der diebiſch in den Pariſer Buchläden herum- 5
ſchlich, nicht um in die Taſche zu ſpielen, ſondern um ſeine Werke heft-
weiſe daraus zu ziehen und ſie ſo, wenn es niemand ſah, unter andere
Novitäten gratis einzuſchwärzen: er wolte mit ſeinen Sachen unter die
Leute. „Die Horen wurden hier, ſagte mir Lübek, anfangs ſo ſehr ge-
„kauft, weil ſich die Damen dafür intereſſierten; nachher hörte mit 10
„dieſem jenes auf.“ Welches Lob nicht für die Männer, die tanzen,
ſondern für die Weiber, die pfeifen! In der hieſigen Journalgeſel-
ſchaft ſind mehr Leſerinnen als Leſer. — Die alte Petermannin, die
nicht viel mehr zu leben hat — an Jahren ſo wol als an Nahrung —
läſſet ſich vor ihren Krankenvorhängen meinen Heſperus vorleſen und 15
wil mich vor dem Ende noch ſehen: es thut mir ſanft, daß ich noch in
den tiefen Schatten des Lebens, der ſchon um ſie liegen mus, noch einen
bunten langen Strahl ziehen kan, von dem ſie denken kan, er komme
vom Morgen ihres Lebens durch eine Fenſterladenrize. Ein Traum iſt
ein gröſſeres Geſchenk, zumal ſo nahe am Schlaf, als einige Hufen 20
Wirklichkeit. — Den geſtrigen Abend verſas Schäfer, Emanuel und
ein Hofmeiſter aus Braunſchweig h’oben bei mir. H’oben, h’unten,
h’auſſen ſolte uns Adelung verſtatten. — Die zwei Namen mus Schäfer
noch wiſſen, ſowol von der Gräfin als von der Dame, an die ſie ſchrieb:
„der Heſperus ꝛc.“: die leztere lies überal nachſchlagen, wuſte nicht was 25
es wäre, dachte endlich, es ſei eine neue Waare und gieng den Emanuel
darum an: und der gab ihr auch die neue Waare. — Dieſer ſagt mir,
er habe blos das Herz nicht, an dich zu ſchreiben, weil ihn dein Brief
über alle Beſchreibung entzükt und erfriſchet habe: er kan ihn nicht ſat
bekommen. Ich mus dir ſagen, ich war über deine Grille, da ich dir 30
doch alles, alles zeige, recht innerlich und ernſthaft böſe, da du nicht die
Ausrede, wie bei R[eichs] Akten haſt, und da du mit eben ſoviel Recht
ſagen könteſt, „du trügeſt Bedenken, mich in die Briefe gucken zu
„laſſen, die du an den S. T. H. Jean Paul geſtelt.“ — Amöne läſſet
mich hier auch nicht in ihre an Emanuel ſehen, aber das war nur 35
Eitelkeit oder Nachahmung und ich war zu tol, da ſie zu ihrer Erlaubnis
nur eine ſtärkere Bitte begehrte, dieſe zu thun. Emanuel findet ihre
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10 Jean Paul Briefe. II.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/156>, abgerufen am 21.11.2024.
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