Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite
301. An Christian Otto.

Ich kan es nachher um 5 Uhr, wo ich dir mein Buch schicken kan,
etwan wiederholen lassen. Es ist an Emanuel. Falt' es zu einem Qua-
drat zusammen.5

302. An Emanuel.

Lieber Emanuel,

Hier ist das Geld für den Schneider. -- Und hier wieder ein Fötus
von mir, der in das Naturalienkabinet Ihres Bücherschranks wil. Die10
zwei anderen Exemplare gehören unsern 2 Freunden S[chäfer] und
E[llrodt]. Der Ihrige

Eilig.

Richter
*303. An Ahlefeldt in Berlin.
15
Mein geliebter Ahlefeld,

Du wirst mein Schweigen vergeben -- da ich ja ohnehin so oft mit
dir gedrukt rede -- aber vielleicht meine Undankbarkeit nicht, da du
mich näher an die Dauphine deiner Seele geführt, ich meine an
Klotilde. Ich habe sie zwar noch nicht gesehen, aber doch schon einige-20
mal gelesen. Wie wil ich dir die Gabe zweier Herzen mit einem einzigen
verdanken? Ich sehne mich unaussprechlich nach der ersten Minute, wo
ich ihre Seele nicht auf kaltem Papier sondern in ihrem lebendigen
Auge sehe. Du stehst oft auf unsern Blättern; ja sie hat mir einige von
deinen an sie geliehen. -- O mein guter Ahlefeld! warum fehlet der25
[182]schönsten Liebe eine -- schönere Erde? Warum kanst du deine gute
warme Brust anstat an eine zweite, nur in die kalten eisernen Stacheln
des Schiksals und der Zukunft drücken? -- Dein Freund hat sein Auge
oft abgetroknet, um zu sehen, was du schreibst. Ach wie viel öfter und
schmerzlicher wirst du aus den sanftern Augen bittere Tropfen quälen.30
Aber Ahlefeld, für alles was sie dir gegeben, für alle ihre Freundschaft,
für alle ihre Schönheiten, für alles womit sie deine Seele fülte und hob,
machst du sie zum Lohne -- unglüklich, recht unglüklich. Alle deine
Thränen müssen ja zu ihren werden, alle deine trüben Stunden müssen

301. An Chriſtian Otto.

Ich kan es nachher um 5 Uhr, wo ich dir mein Buch ſchicken kan,
etwan wiederholen laſſen. Es iſt an Emanuel. Falt’ es zu einem Qua-
drat zuſammen.5

302. An Emanuel.

Lieber Emanuel,

Hier iſt das Geld für den Schneider. — Und hier wieder ein Fötus
von mir, der in das Naturalienkabinet Ihres Bücherſchranks wil. Die10
zwei anderen Exemplare gehören unſern 2 Freunden S[chäfer] und
E[llrodt]. Der Ihrige

Eilig.

Richter
*303. An Ahlefeldt in Berlin.
15
Mein geliebter Ahlefeld,

Du wirſt mein Schweigen vergeben — da ich ja ohnehin ſo oft mit
dir gedrukt rede — aber vielleicht meine Undankbarkeit nicht, da du
mich näher an die Dauphine deiner Seele geführt, ich meine an
Klotilde. Ich habe ſie zwar noch nicht geſehen, aber doch ſchon einige-20
mal geleſen. Wie wil ich dir die Gabe zweier Herzen mit einem einzigen
verdanken? Ich ſehne mich unausſprechlich nach der erſten Minute, wo
ich ihre Seele nicht auf kaltem Papier ſondern in ihrem lebendigen
Auge ſehe. Du ſtehſt oft auf unſern Blättern; ja ſie hat mir einige von
deinen an ſie geliehen. — O mein guter Ahlefeld! warum fehlet der25
[182]ſchönſten Liebe eine — ſchönere Erde? Warum kanſt du deine gute
warme Bruſt anſtat an eine zweite, nur in die kalten eiſernen Stacheln
des Schikſals und der Zukunft drücken? — Dein Freund hat ſein Auge
oft abgetroknet, um zu ſehen, was du ſchreibſt. Ach wie viel öfter und
ſchmerzlicher wirſt du aus den ſanftern Augen bittere Tropfen quälen.30
Aber Ahlefeld, für alles was ſie dir gegeben, für alle ihre Freundſchaft,
für alle ihre Schönheiten, für alles womit ſie deine Seele fülte und hob,
machſt du ſie zum Lohne — unglüklich, recht unglüklich. Alle deine
Thränen müſſen ja zu ihren werden, alle deine trüben Stunden müſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0197" n="184"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>301. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 29. April 1796]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich kan es nachher um 5 Uhr, wo ich dir mein Buch &#x017F;chicken kan,<lb/>
etwan wiederholen la&#x017F;&#x017F;en. Es i&#x017F;t an Emanuel. Falt&#x2019; es zu einem Qua-<lb/>
drat zu&#x017F;ammen.<lb n="5"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>302. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof.</hi> 29 Apr. 1796.</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Lieber Emanuel,</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Hier i&#x017F;t das Geld für den Schneider. &#x2014; Und hier wieder ein Fötus<lb/>
von mir, der in das Naturalienkabinet Ihres Bücher&#x017F;chranks wil. Die<lb n="10"/>
zwei anderen Exemplare gehören un&#x017F;ern 2 Freunden <hi rendition="#aq">S[chäfer]</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">E[llrodt].</hi> Der Ihrige</p><lb/>
        <p>Eilig.</p>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right #sameLine">Richter</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>*303. An <hi rendition="#g">Ahlefeldt in Berlin.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">Hof d. 29 Apr. 1796.</hi> </dateline>
        <lb n="15"/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et">Mein geliebter Ahlefeld,</hi> </salute>
        </opener><lb/>
        <p>Du wir&#x017F;t mein Schweigen vergeben &#x2014; da ich ja ohnehin &#x017F;o oft mit<lb/>
dir gedrukt rede &#x2014; aber vielleicht meine Undankbarkeit nicht, da du<lb/>
mich näher an die Dauphine deiner Seele geführt, ich meine an<lb/>
Klotilde. Ich habe &#x017F;ie zwar noch nicht ge&#x017F;ehen, aber doch &#x017F;chon einige-<lb n="20"/>
mal gele&#x017F;en. Wie wil ich dir die Gabe zweier Herzen mit einem einzigen<lb/>
verdanken? Ich &#x017F;ehne mich unaus&#x017F;prechlich nach der er&#x017F;ten Minute, wo<lb/>
ich ihre Seele nicht auf kaltem Papier &#x017F;ondern in ihrem lebendigen<lb/>
Auge &#x017F;ehe. Du &#x017F;teh&#x017F;t oft auf un&#x017F;ern Blättern; ja &#x017F;ie hat mir einige von<lb/>
deinen an &#x017F;ie geliehen. &#x2014; O mein guter Ahlefeld! warum fehlet der<lb n="25"/>
<note place="left"><ref target="1922_Bd2_182">[182]</ref></note>&#x017F;chön&#x017F;ten Liebe eine &#x2014; &#x017F;chönere Erde? Warum kan&#x017F;t du deine gute<lb/>
warme Bru&#x017F;t an&#x017F;tat an eine zweite, nur in die kalten ei&#x017F;ernen Stacheln<lb/>
des Schik&#x017F;als und der Zukunft drücken? &#x2014; Dein Freund hat &#x017F;ein Auge<lb/>
oft abgetroknet, um zu &#x017F;ehen, was du &#x017F;chreib&#x017F;t. Ach wie viel öfter und<lb/>
&#x017F;chmerzlicher wir&#x017F;t du aus den &#x017F;anftern Augen bittere Tropfen quälen.<lb n="30"/>
Aber Ahlefeld, für alles was &#x017F;ie dir gegeben, für alle ihre Freund&#x017F;chaft,<lb/>
für alle ihre Schönheiten, für alles womit &#x017F;ie deine Seele fülte und hob,<lb/>
mach&#x017F;t du &#x017F;ie zum Lohne &#x2014; unglüklich, recht unglüklich. Alle deine<lb/>
Thränen mü&#x017F;&#x017F;en ja zu ihren werden, alle deine trüben Stunden mü&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0197] 301. An Chriſtian Otto. [Hof, 29. April 1796] Ich kan es nachher um 5 Uhr, wo ich dir mein Buch ſchicken kan, etwan wiederholen laſſen. Es iſt an Emanuel. Falt’ es zu einem Qua- drat zuſammen. 5 302. An Emanuel. Hof. 29 Apr. 1796. Lieber Emanuel, Hier iſt das Geld für den Schneider. — Und hier wieder ein Fötus von mir, der in das Naturalienkabinet Ihres Bücherſchranks wil. Die 10 zwei anderen Exemplare gehören unſern 2 Freunden S[chäfer] und E[llrodt]. Der Ihrige Eilig. Richter *303. An Ahlefeldt in Berlin. Hof d. 29 Apr. 1796. 15 Mein geliebter Ahlefeld, Du wirſt mein Schweigen vergeben — da ich ja ohnehin ſo oft mit dir gedrukt rede — aber vielleicht meine Undankbarkeit nicht, da du mich näher an die Dauphine deiner Seele geführt, ich meine an Klotilde. Ich habe ſie zwar noch nicht geſehen, aber doch ſchon einige- 20 mal geleſen. Wie wil ich dir die Gabe zweier Herzen mit einem einzigen verdanken? Ich ſehne mich unausſprechlich nach der erſten Minute, wo ich ihre Seele nicht auf kaltem Papier ſondern in ihrem lebendigen Auge ſehe. Du ſtehſt oft auf unſern Blättern; ja ſie hat mir einige von deinen an ſie geliehen. — O mein guter Ahlefeld! warum fehlet der 25 ſchönſten Liebe eine — ſchönere Erde? Warum kanſt du deine gute warme Bruſt anſtat an eine zweite, nur in die kalten eiſernen Stacheln des Schikſals und der Zukunft drücken? — Dein Freund hat ſein Auge oft abgetroknet, um zu ſehen, was du ſchreibſt. Ach wie viel öfter und ſchmerzlicher wirſt du aus den ſanftern Augen bittere Tropfen quälen. 30 Aber Ahlefeld, für alles was ſie dir gegeben, für alle ihre Freundſchaft, für alle ihre Schönheiten, für alles womit ſie deine Seele fülte und hob, machſt du ſie zum Lohne — unglüklich, recht unglüklich. Alle deine Thränen müſſen ja zu ihren werden, alle deine trüben Stunden müſſen [182]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/197
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/197>, abgerufen am 24.11.2024.