ein Autor) endigt die Liebe -- ich sage, gewis der zweite. Schau alle Eheleute, alle Liebende an, die schönste Aetherflamme brent niedriger auf dem Altar aus -- Erde. Denke sie, aber sieh sie nicht -- dan liebst du.
Sei ein Man -- deine Kraft erhöhe ihre Liebe zur Bewunderung --5 und liebe sanfter, damit sie froher liebe. Verbirg deine Schmerzen, um sie endlich zu besiegen, opfre ihr das Schönste auf was du hast, einen Theil deiner Liebe. Aber den andern Theil nie. O gieb ihr den Trost und den Stolz, daß sie sagen kan: "ich werde schöner geliebt als ihr Alle -- er behält nichts als den Schmerz und giebt mir nur die10 Freude -- er liebt an mir das einzige Götliche am Menschen, die Pflicht." Ahlefeld, wenn du einmal auf dem lezten Bette von ihr scheiden müstest, oder wenn du sie unter schönern Sonnen als unserer einzigen, in der zweiten Welt wiederfändest: dan dürftest du deine Arme ausbreiten und sagen: "kom an mein Herz -- ich habe dich ver-15 dient -- denn ich habe dich nachgeahmt, ich habe wie du die Tugend noch neben ihrem Schmerz fortgeliebt. -- Ich habe dich auf der ersten Welt so rein geliebt als wärst du auf der zweiten."
Du siehst, nicht meine Philosophie, sondern meine Empfindung spricht mit dir. Verbirg -- (das sind die Mittel zur Erfüllung meines20 Raths) -- ihrem Schmerze den deinigen -- schreibe weniger, aber doch froher -- achte es für einen hohen Beweis der Liebe, daß sie bisher lieber alle deine Thränen fallen sah, in der Hofnung, daß sie versiegen würden. -- Nim dir bei deinen Talenten, zumal der Phantasie, einen würdigern Spielraum als ein Kollegium ist und giesse deine übervolle25 [184]brechende Seele in irgend einer litterarischen Arbeit, in einem Roman etc. aus. -- Und sei ein Man: liebe, verbirg, ertrag und gieb! -- Mache sie glüklich ohne es zu sein, dan wirst du es doch. Die reinste Liebe kan alles hinopfern, sogar ihren Genus. Ich bin dein mit doppelten Blumenketten an dich geschlungner Freund -- noch einmal: liebe wie30 du geliebt wirst -- und vergieb, (wenn du nicht dankst)
Deinem Richter.
N. S. Mit welcher Freude leg' ich auf die entzündete Brust meines Freundes die kühlende und stärkende Blume aus seiner Klotilde35 [Hand]!
ein Autor) endigt die Liebe — ich ſage, gewis der zweite. Schau alle Eheleute, alle Liebende an, die ſchönſte Aetherflamme brent niedriger auf dem Altar aus — Erde. Denke ſie, aber ſieh ſie nicht — dan liebſt du.
Sei ein Man — deine Kraft erhöhe ihre Liebe zur Bewunderung —5 und liebe ſanfter, damit ſie froher liebe. Verbirg deine Schmerzen, um ſie endlich zu beſiegen, opfre ihr das Schönſte auf was du haſt, einen Theil deiner Liebe. Aber den andern Theil nie. O gieb ihr den Troſt und den Stolz, daß ſie ſagen kan: „ich werde ſchöner geliebt als ihr Alle — er behält nichts als den Schmerz und giebt mir nur die10 Freude — er liebt an mir das einzige Götliche am Menſchen, die Pflicht.“ Ahlefeld, wenn du einmal auf dem lezten Bette von ihr ſcheiden müſteſt, oder wenn du ſie unter ſchönern Sonnen als unſerer einzigen, in der zweiten Welt wiederfändeſt: dan dürfteſt du deine Arme ausbreiten und ſagen: „kom an mein Herz — ich habe dich ver-15 dient — denn ich habe dich nachgeahmt, ich habe wie du die Tugend noch neben ihrem Schmerz fortgeliebt. — Ich habe dich auf der erſten Welt ſo rein geliebt als wärſt du auf der zweiten.“
Du ſiehſt, nicht meine Philoſophie, ſondern meine Empfindung ſpricht mit dir. Verbirg — (das ſind die Mittel zur Erfüllung meines20 Raths) — ihrem Schmerze den deinigen — ſchreibe weniger, aber doch froher — achte es für einen hohen Beweis der Liebe, daß ſie bisher lieber alle deine Thränen fallen ſah, in der Hofnung, daß ſie verſiegen würden. — Nim dir bei deinen Talenten, zumal der Phantaſie, einen würdigern Spielraum als ein Kollegium iſt und gieſſe deine übervolle25 [184]brechende Seele in irgend einer litterariſchen Arbeit, in einem Roman ꝛc. aus. — Und ſei ein Man: liebe, verbirg, ertrag und gieb! — Mache ſie glüklich ohne es zu ſein, dan wirſt du es doch. Die reinſte Liebe kan alles hinopfern, ſogar ihren Genus. Ich bin dein mit doppelten Blumenketten an dich geſchlungner Freund — noch einmal: liebe wie30 du geliebt wirſt — und vergieb, (wenn du nicht dankſt)
Deinem Richter.
N. S. Mit welcher Freude leg’ ich auf die entzündete Bruſt meines Freundes die kühlende und ſtärkende Blume aus ſeiner Klotilde35 [Hand]!
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du.
Sei ein Man — deine Kraft erhöhe ihre Liebe zur Bewunderung — 5
und liebe ſanfter, damit ſie froher liebe. Verbirg deine Schmerzen,
um ſie endlich zu beſiegen, opfre ihr das Schönſte auf was du haſt,
einen Theil deiner Liebe. Aber den andern Theil nie. O gieb ihr den
Troſt und den Stolz, daß ſie ſagen kan: „ich werde ſchöner geliebt als
ihr Alle — er behält nichts als den Schmerz und giebt mir nur die 10
Freude — er liebt an mir das einzige Götliche am Menſchen, die
Pflicht.“ Ahlefeld, wenn du einmal auf dem lezten Bette von ihr
ſcheiden müſteſt, oder wenn du ſie unter ſchönern Sonnen als unſerer
einzigen, in der zweiten Welt wiederfändeſt: dan dürfteſt du deine
Arme ausbreiten und ſagen: „kom an mein Herz — ich habe dich ver- 15
dient — denn ich habe dich nachgeahmt, ich habe wie du die Tugend
noch neben ihrem Schmerz fortgeliebt. — Ich habe dich auf der erſten
Welt ſo rein geliebt als wärſt du auf der zweiten.“
Du ſiehſt, nicht meine Philoſophie, ſondern meine Empfindung
ſpricht mit dir. Verbirg — (das ſind die Mittel zur Erfüllung meines 20
Raths) — ihrem Schmerze den deinigen — ſchreibe weniger, aber doch
froher — achte es für einen hohen Beweis der Liebe, daß ſie bisher
lieber alle deine Thränen fallen ſah, in der Hofnung, daß ſie verſiegen
würden. — Nim dir bei deinen Talenten, zumal der Phantaſie, einen
würdigern Spielraum als ein Kollegium iſt und gieſſe deine übervolle 25
brechende Seele in irgend einer litterariſchen Arbeit, in einem Roman
ꝛc. aus. — Und ſei ein Man: liebe, verbirg, ertrag und gieb! — Mache
ſie glüklich ohne es zu ſein, dan wirſt du es doch. Die reinſte Liebe kan
alles hinopfern, ſogar ihren Genus. Ich bin dein mit doppelten
Blumenketten an dich geſchlungner Freund — noch einmal: liebe wie 30
du geliebt wirſt — und vergieb, (wenn du nicht dankſt)
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Richter.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/199>, abgerufen am 21.11.2024.
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