-- Und so lassen Sie so ferner fort, unaussprechlich Geliebter, mich an Ihrem Herzen hängen als Freund und an Ihren Lippen als Leser; und so lange beide bei mir warm und rege sind, sind sie es für Sie. Ach ich ertrüge gern die Qual des Abschieds von Ihnen, könt' ich mir damit die Freude der Ankunft erkaufen!5
Jean Paul Fr. Richter
380. An Karoline Herder.
Hof. d. 17 Aug. 1796.
Theuerste Freundin! Wie ein Sternbild stehen Sie mit dieser10 Inschrift glänzend in meiner Seele. Ein Geschenk ist der geistige Wärmemesser des Empfängers. Giebt ihm jenes den Druk der Ver- bindlichkeit, die Last der Dankbarkeit: so liebt er wenig. Aber die Gabe aus einer geliebten Hand löset alle harte Pansterketten eher auf und das Herz vol Liebe schlägt ungefesselt freier. Blos in der hohen[232]15 Freundschaft wird es streitig, was süsser sei, empfangen oder geben. -- Empfangen sag' ich, wenn ich an Ihre holde Gabe denke, wozu auch Ihr geschriebenes, gleichsam aus einer Rose gezognes Blat gehört.
Zum Glük hab' ich, der ich alles von Ihrem Gemahl von den kritischen Wäldern und dem Torso an bis zur Gabe der Sprachen (zu20 seiner) gelesen habe -- nur das über die Auferstehung ausgenommen -- gerade diese 5 Bücher nicht gelesen. Ich gäbe etwas darum, ich hätte nie eine Zeile von ihm gesehen -- sondern dieser nun durchwanderte Himmel, diese nun überlebte Jugend stünde mir erst bevor. Aber so hat man, wie der Mensch überal, grössere Freuden in der Erinnerung als25 in der Hofnung stehen.
Die Gemahlin des russischen Gesandten in Dänemark (Krüdner) die bei mir war und vor diesem Briefe bei Ihnen ankommen wird, giebt meiner wärmsten Achtung für Ihr Geschlecht, die im Juny wie andere Blumen so sehr wuchs, gleichsam neue schirmende Blumen-30 stäbe. Die Engel in Ihrem Geschlecht sind nicht gefallen, sondern bedekt wie Portici und die Schnitte der Kultur, die oft dem Manne den Birkensaft abnehmen, geben blos der vollen weiblichen Nelken- knospe eine rhythmische Entfaltung. Jene Frau verdient Ihre Um- armung. -- Leben Sie wohl und das Schiksal streue Ihnen so viel35 Freudenblumen herab als Sie unter andere auswerfen, z. B. an Jean Paul (wenn Sie an ihn schreiben bald).
— Und ſo laſſen Sie ſo ferner fort, unausſprechlich Geliebter, mich an Ihrem Herzen hängen als Freund und an Ihren Lippen als Leſer; und ſo lange beide bei mir warm und rege ſind, ſind ſie es für Sie. Ach ich ertrüge gern die Qual des Abſchieds von Ihnen, könt’ ich mir damit die Freude der Ankunft erkaufen!5
Jean Paul Fr. Richter
380. An Karoline Herder.
Hof. d. 17 Aug. 1796.
Theuerſte Freundin! Wie ein Sternbild ſtehen Sie mit dieſer10 Inſchrift glänzend in meiner Seele. Ein Geſchenk iſt der geiſtige Wärmemeſſer des Empfängers. Giebt ihm jenes den Druk der Ver- bindlichkeit, die Laſt der Dankbarkeit: ſo liebt er wenig. Aber die Gabe aus einer geliebten Hand löſet alle harte Panſterketten eher auf und das Herz vol Liebe ſchlägt ungefeſſelt freier. Blos in der hohen[232]15 Freundſchaft wird es ſtreitig, was ſüſſer ſei, empfangen oder geben. — Empfangen ſag’ ich, wenn ich an Ihre holde Gabe denke, wozu auch Ihr geſchriebenes, gleichſam aus einer Roſe gezognes Blat gehört.
Zum Glük hab’ ich, der ich alles von Ihrem Gemahl von den kritiſchen Wäldern und dem Torſo an bis zur Gabe der Sprachen (zu20 ſeiner) geleſen habe — nur das über die Auferſtehung ausgenommen — gerade dieſe 5 Bücher nicht geleſen. Ich gäbe etwas darum, ich hätte nie eine Zeile von ihm geſehen — ſondern dieſer nun durchwanderte Himmel, dieſe nun überlebte Jugend ſtünde mir erſt bevor. Aber ſo hat man, wie der Menſch überal, gröſſere Freuden in der Erinnerung als25 in der Hofnung ſtehen.
Die Gemahlin des ruſſiſchen Geſandten in Dänemark (Krüdner) die bei mir war und vor dieſem Briefe bei Ihnen ankommen wird, giebt meiner wärmſten Achtung für Ihr Geſchlecht, die im Juny wie andere Blumen ſo ſehr wuchs, gleichſam neue ſchirmende Blumen-30 ſtäbe. Die Engel in Ihrem Geſchlecht ſind nicht gefallen, ſondern bedekt wie Portici und die Schnitte der Kultur, die oft dem Manne den Birkenſaft abnehmen, geben blos der vollen weiblichen Nelken- knoſpe eine rhythmiſche Entfaltung. Jene Frau verdient Ihre Um- armung. — Leben Sie wohl und das Schikſal ſtreue Ihnen ſo viel35 Freudenblumen herab als Sie unter andere auswerfen, z. B. an Jean Paul (wenn Sie an ihn ſchreiben bald).
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><pbfacs="#f0247"n="233"/><p>— Und ſo laſſen Sie ſo ferner fort, unausſprechlich Geliebter, mich<lb/>
an Ihrem Herzen hängen als Freund und an Ihren Lippen als Leſer;<lb/>
und ſo lange beide bei mir warm und rege ſind, ſind ſie es für Sie. Ach<lb/>
ich ertrüge gern die Qual des Abſchieds von Ihnen, könt’ ich mir damit<lb/>
die Freude der Ankunft erkaufen!<lbn="5"/></p><closer><salute><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Jean Paul</hi><lb/>
Fr. Richter</hi></salute></closer></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>380. An <hirendition="#g">Karoline Herder.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Hof. d. 17 Aug.</hi> 1796.</hi></dateline><lb/><p>Theuerſte Freundin! Wie ein Sternbild ſtehen Sie mit dieſer<lbn="10"/>
Inſchrift glänzend in meiner Seele. Ein Geſchenk iſt der geiſtige<lb/>
Wärmemeſſer des Empfängers. Giebt ihm jenes den Druk der Ver-<lb/>
bindlichkeit, die Laſt der Dankbarkeit: ſo liebt er wenig. Aber die<lb/>
Gabe aus einer geliebten Hand löſet alle harte Panſterketten eher auf<lb/>
und das Herz vol Liebe ſchlägt ungefeſſelt freier. Blos in der hohen<noteplace="right"><reftarget="1922_Bd2_232">[232]</ref></note><lbn="15"/>
Freundſchaft wird es ſtreitig, was ſüſſer ſei, empfangen oder geben. —<lb/>
Empfangen ſag’ ich, wenn ich an Ihre holde Gabe denke, wozu auch<lb/>
Ihr geſchriebenes, gleichſam aus einer Roſe gezognes Blat gehört.</p><lb/><p>Zum Glük hab’ ich, der ich <hirendition="#g">alles</hi> von Ihrem Gemahl von den<lb/>
kritiſchen Wäldern und dem Torſo an bis zur Gabe der Sprachen (zu<lbn="20"/>ſeiner) geleſen habe — nur das über die Auferſtehung ausgenommen —<lb/>
gerade dieſe 5 Bücher nicht geleſen. Ich gäbe etwas darum, ich hätte<lb/>
nie eine Zeile von ihm geſehen —ſondern dieſer nun durchwanderte<lb/>
Himmel, dieſe nun überlebte Jugend ſtünde mir erſt bevor. Aber ſo hat<lb/>
man, wie der Menſch überal, gröſſere Freuden in der Erinnerung als<lbn="25"/>
in der Hofnung ſtehen.</p><lb/><p>Die Gemahlin des ruſſiſchen Geſandten in Dänemark <hirendition="#aq">(Krüdner)</hi><lb/>
die bei mir war und vor dieſem Briefe bei Ihnen ankommen wird,<lb/>
giebt meiner wärmſten Achtung für Ihr Geſchlecht, die im <hirendition="#g">Juny</hi> wie<lb/>
andere Blumen ſo ſehr wuchs, gleichſam neue ſchirmende Blumen-<lbn="30"/>ſtäbe. Die Engel in Ihrem Geſchlecht ſind nicht gefallen, ſondern<lb/>
bedekt wie Portici und die Schnitte der Kultur, die oft dem Manne<lb/>
den Birkenſaft abnehmen, geben blos der vollen weiblichen Nelken-<lb/>
knoſpe eine rhythmiſche Entfaltung. Jene Frau verdient Ihre Um-<lb/>
armung. — Leben Sie wohl und das Schikſal ſtreue Ihnen ſo viel<lbn="35"/>
Freudenblumen herab als Sie unter andere auswerfen, z. B. an<lb/><hirendition="#aq">Jean Paul</hi> (wenn Sie an ihn ſchreiben bald).</p></div><lb/></body></text></TEI>
[233/0247]
— Und ſo laſſen Sie ſo ferner fort, unausſprechlich Geliebter, mich
an Ihrem Herzen hängen als Freund und an Ihren Lippen als Leſer;
und ſo lange beide bei mir warm und rege ſind, ſind ſie es für Sie. Ach
ich ertrüge gern die Qual des Abſchieds von Ihnen, könt’ ich mir damit
die Freude der Ankunft erkaufen! 5
Jean Paul
Fr. Richter
380. An Karoline Herder.
Hof. d. 17 Aug. 1796.
Theuerſte Freundin! Wie ein Sternbild ſtehen Sie mit dieſer 10
Inſchrift glänzend in meiner Seele. Ein Geſchenk iſt der geiſtige
Wärmemeſſer des Empfängers. Giebt ihm jenes den Druk der Ver-
bindlichkeit, die Laſt der Dankbarkeit: ſo liebt er wenig. Aber die
Gabe aus einer geliebten Hand löſet alle harte Panſterketten eher auf
und das Herz vol Liebe ſchlägt ungefeſſelt freier. Blos in der hohen 15
Freundſchaft wird es ſtreitig, was ſüſſer ſei, empfangen oder geben. —
Empfangen ſag’ ich, wenn ich an Ihre holde Gabe denke, wozu auch
Ihr geſchriebenes, gleichſam aus einer Roſe gezognes Blat gehört.
[232]
Zum Glük hab’ ich, der ich alles von Ihrem Gemahl von den
kritiſchen Wäldern und dem Torſo an bis zur Gabe der Sprachen (zu 20
ſeiner) geleſen habe — nur das über die Auferſtehung ausgenommen —
gerade dieſe 5 Bücher nicht geleſen. Ich gäbe etwas darum, ich hätte
nie eine Zeile von ihm geſehen — ſondern dieſer nun durchwanderte
Himmel, dieſe nun überlebte Jugend ſtünde mir erſt bevor. Aber ſo hat
man, wie der Menſch überal, gröſſere Freuden in der Erinnerung als 25
in der Hofnung ſtehen.
Die Gemahlin des ruſſiſchen Geſandten in Dänemark (Krüdner)
die bei mir war und vor dieſem Briefe bei Ihnen ankommen wird,
giebt meiner wärmſten Achtung für Ihr Geſchlecht, die im Juny wie
andere Blumen ſo ſehr wuchs, gleichſam neue ſchirmende Blumen- 30
ſtäbe. Die Engel in Ihrem Geſchlecht ſind nicht gefallen, ſondern
bedekt wie Portici und die Schnitte der Kultur, die oft dem Manne
den Birkenſaft abnehmen, geben blos der vollen weiblichen Nelken-
knoſpe eine rhythmiſche Entfaltung. Jene Frau verdient Ihre Um-
armung. — Leben Sie wohl und das Schikſal ſtreue Ihnen ſo viel 35
Freudenblumen herab als Sie unter andere auswerfen, z. B. an
Jean Paul (wenn Sie an ihn ſchreiben bald).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/247>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.