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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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halb mit Sonnenschein halb mit Wolkenschatten bedekten Lebens
führen. -- Blos wenn die höchste Flamme der Menschenliebe unser
schwüles Herz bewegt, da hört das quälende Alpdrücken des Lebens
auf, wie das andre Alpdrücken vergeht, wenn man ein Glied geregt. --
Wenn Sie nur vorüberfliegen, nicht vorübergehen vor dem, der diese[240]5
papierne Kette um Sie wie die Alten andre um ihre Götter legen wil.

398. An Friedrich von Oertel in Leipzig.

Halb dem herlichen Bassethorne, das eben in meiner Stube ge-
blasen wurde, und halb dem Glas Wein, den ich dabei trank,10
mögen Sie, mein Lieber, die Grösse der Züge und die Kleinheit des
Briefs und das Anagram und Hysteronproteron der Gedanken
schuldgeben. --

Ich komme nicht. --

Die Krüdner mag Ihnen die Entschuldi[gun]gen vor ihr sagen;15
die vor Ihnen sind diese.

1) Wollen Sie keine: Sie wollen und müssen kommen, Otto gienge
ja ohnehin nicht nach Leipzig.
2) Ich bin unveränderlich, ausgenommen in Entschlüssen der Freude.
3) Man mus nie einen Freund und eine Freundin zugleich auf-20
suchen -- wenigstens verliert dabei der, der sucht. Der Mensch hat nur
1 Herz und nur 2 Arme, um daran zu drücken. Diese Krüdner, gegen
die mich kein Urtheil der Welt erkältet -- ob es gleich sehr leicht ist,
schon in der 1 Minute astronomische Scheiner'sche Beobachtungen
über sie zu machen -- brächte in mein Leipziger Drama, was kein25
Kunstrichter erlaubt, ein doppeltes Interesse.
4) Sie, meine Seele in meiner Seele, vergeben mir alles. Darum
braucht es gar keine Entschuldigung.

Denn noch dazu giebt es auch keine, da ich ja alles vor dem Ver-
sprechen wissen konte, was sein Erfüllen hindert.30

Ich bitte Sie recht recht sehr, dieses für keinen Brief, für keine
Antwort zu halten sondern nur von freien Stücken an den zu schreiben,
der Ihnen dan 2 Antworten schuldig ist und überhaupt viel schuldig
ist, nur das Herz nicht, das haben Sie schon von

Ihrem35
Jean Paul.
16 Jean Paul Briefe. II.

halb mit Sonnenſchein halb mit Wolkenſchatten bedekten Lebens
führen. — Blos wenn die höchſte Flamme der Menſchenliebe unſer
ſchwüles Herz bewegt, da hört das quälende Alpdrücken des Lebens
auf, wie das andre Alpdrücken vergeht, wenn man ein Glied geregt. —
Wenn Sie nur vorüberfliegen, nicht vorübergehen vor dem, der dieſe[240]5
papierne Kette um Sie wie die Alten andre um ihre Götter legen wil.

398. An Friedrich von Oertel in Leipzig.

Halb dem herlichen Baſſethorne, das eben in meiner Stube ge-
blaſen wurde, und halb dem Glas Wein, den ich dabei trank,10
mögen Sie, mein Lieber, die Gröſſe der Züge und die Kleinheit des
Briefs und das Anagram und Hyſteronproteron der Gedanken
ſchuldgeben. —

Ich komme nicht. —

Die Krüdner mag Ihnen die Entſchuldi[gun]gen vor ihr ſagen;15
die vor Ihnen ſind dieſe.

1) Wollen Sie keine: Sie wollen und müſſen kommen, Otto gienge
ja ohnehin nicht nach Leipzig.
2) Ich bin unveränderlich, ausgenommen in Entſchlüſſen der Freude.
3) Man mus nie einen Freund und eine Freundin zugleich auf-20
ſuchen — wenigſtens verliert dabei der, der ſucht. Der Menſch hat nur
1 Herz und nur 2 Arme, um daran zu drücken. Dieſe Krüdner, gegen
die mich kein Urtheil der Welt erkältet — ob es gleich ſehr leicht iſt,
ſchon in der 1 Minute aſtronomiſche Scheiner’ſche Beobachtungen
über ſie zu machen — brächte in mein Leipziger Drama, was kein25
Kunſtrichter erlaubt, ein doppeltes Intereſſe.
4) Sie, meine Seele in meiner Seele, vergeben mir alles. Darum
braucht es gar keine Entſchuldigung.

Denn noch dazu giebt es auch keine, da ich ja alles vor dem Ver-
ſprechen wiſſen konte, was ſein Erfüllen hindert.30

Ich bitte Sie recht recht ſehr, dieſes für keinen Brief, für keine
Antwort zu halten ſondern nur von freien Stücken an den zu ſchreiben,
der Ihnen dan 2 Antworten ſchuldig iſt und überhaupt viel ſchuldig
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[241/0256] halb mit Sonnenſchein halb mit Wolkenſchatten bedekten Lebens führen. — Blos wenn die höchſte Flamme der Menſchenliebe unſer ſchwüles Herz bewegt, da hört das quälende Alpdrücken des Lebens auf, wie das andre Alpdrücken vergeht, wenn man ein Glied geregt. — Wenn Sie nur vorüberfliegen, nicht vorübergehen vor dem, der dieſe 5 papierne Kette um Sie wie die Alten andre um ihre Götter legen wil. [240] 398. An Friedrich von Oertel in Leipzig. Hof. d. 3 Sept. 96. Halb dem herlichen Baſſethorne, das eben in meiner Stube ge- blaſen wurde, und halb dem [FORMEL] Glas Wein, den ich dabei trank, 10 mögen Sie, mein Lieber, die Gröſſe der Züge und die Kleinheit des Briefs und das Anagram und Hyſteronproteron der Gedanken ſchuldgeben. — Ich komme nicht. — Die Krüdner mag Ihnen die Entſchuldi[gun]gen vor ihr ſagen; 15 die vor Ihnen ſind dieſe. 1) Wollen Sie keine: Sie wollen und müſſen kommen, Otto gienge ja ohnehin nicht nach Leipzig. 2) Ich bin unveränderlich, ausgenommen in Entſchlüſſen der Freude. 3) Man mus nie einen Freund und eine Freundin zugleich auf- 20 ſuchen — wenigſtens verliert dabei der, der ſucht. Der Menſch hat nur 1 Herz und nur 2 Arme, um daran zu drücken. Dieſe Krüdner, gegen die mich kein Urtheil der Welt erkältet — ob es gleich ſehr leicht iſt, ſchon in der 1 Minute aſtronomiſche Scheiner’ſche Beobachtungen über ſie zu machen — brächte in mein Leipziger Drama, was kein 25 Kunſtrichter erlaubt, ein doppeltes Intereſſe. 4) Sie, meine Seele in meiner Seele, vergeben mir alles. Darum braucht es gar keine Entſchuldigung. Denn noch dazu giebt es auch keine, da ich ja alles vor dem Ver- ſprechen wiſſen konte, was ſein Erfüllen hindert. 30 Ich bitte Sie recht recht ſehr, dieſes für keinen Brief, für keine Antwort zu halten ſondern nur von freien Stücken an den zu ſchreiben, der Ihnen dan 2 Antworten ſchuldig iſt und überhaupt viel ſchuldig iſt, nur das Herz nicht, das haben Sie ſchon von Ihrem 35 Jean Paul. 16 Jean Paul Briefe. II.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/256>, abgerufen am 24.11.2024.