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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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1) daß Otto dir nächstens schreibt und daß du ihm -- und seinen
1000 etc. Hemrädern -- vergeben solst --
2) daß mich die jezt nach Weimar zurükgeeilte Kalb gefragt, ob sie
dir antworten sol, weil dein Brief zu gut und fein sei -- du hast
sie nicht beleidigt sondern recht erfreuet und überraschet --5
3) schicke die Briefe für Amöne an mich, Otto, Renate, nur nicht
ins Haus, weil der Vater deren Lesung begehrt und die Tochter sie
verweigert --
4) nim mir mein jeziges lex minimi in Rüksicht der Briefe nicht übel:
meine Arbeiten halten dich künftig, und fremde Briefe jezt noch10
besser, schadlos.

Meine Briefe sind leer, weil ich nur die Wahl zwischen Leerheit und
ganzen Abhandlungen vor mir habe.

N. 3.

Deine innere Ruhe und Freude ist die Richterin über dein Annähern15
zu A[möne]. Doch handle nie nach den dir von mir anvertraueten
Mysterien, noch vermenge deine Schlüsse daraus mit blossen eignen
Wahrnehmungen. In einigen deiner Briefe an sie ist ein starkes Feuer,
das ihre entschiedenen Gesinnungen für einen andern prüfen würde
wenn es sie nicht voraussezte. Auch siehst du Liebe für weibliche20
Tugend, in der brillantierten Fassung der Schönheit, für ein so grosses
Verdienst wie Menschenliebe an oder gar für den Fokus der leztern;
aber ich kan darin nichts als eine eben so nothwendige, unwilkürliche als
erlaubte -- Wonne finden: Verdienst wenig. Irre nicht über O[tto].
Sein Betragen war höchste angespante -- Tugend und gieng aus25
dieser almählig in die leichtere Wonne und Liebe über. Ich geniesse das
Anschauen einer doppelten vermehrten Entzückung. Ich würde in deinem
Falle nicht kälter, vielleicht gar wärmer sein; aber du vergissest doch
meine Selenographie von den entschiedenen Flecken dieses himlischen
Körpers. Jezt verdien' ich den meisten Glauben: denn nie war A.s und[263]30
meine Seele in einem nähern Umfangen; wie verklärte Auferstandene
ruhen wir auf der lichttrunknen Wolke der Schwärmerei und sinken
geblendet und umarmend in das Licht der Wolke hinein. [gestrichen:
Zum Beweise leg ich dir ein kopiertes Billet vom Montag an mich bei.]
-- Ich bin jezt überal von Liebe umschwommen und beglükt bis zur35
Bangigkeit. Schreibe doch -- zwar keinen Brief an Caroline, dein

1) daß Otto dir nächſtens ſchreibt und daß du ihm — und ſeinen
1000 ꝛc. Hemrädern — vergeben ſolſt —
2) daß mich die jezt nach Weimar zurükgeeilte Kalb gefragt, ob ſie
dir antworten ſol, weil dein Brief zu gut und fein ſei — du haſt
ſie nicht beleidigt ſondern recht erfreuet und überraſchet —5
3) ſchicke die Briefe für Amöne an mich, Otto, Renate, nur nicht
ins Haus, weil der Vater deren Leſung begehrt und die Tochter ſie
verweigert —
4) nim mir mein jeziges lex minimi in Rükſicht der Briefe nicht übel:
meine Arbeiten halten dich künftig, und fremde Briefe jezt noch10
beſſer, ſchadlos.

Meine Briefe ſind leer, weil ich nur die Wahl zwiſchen Leerheit und
ganzen Abhandlungen vor mir habe.

N. 3.

Deine innere Ruhe und Freude iſt die Richterin über dein Annähern15
zu A[möne]. Doch handle nie nach den dir von mir anvertraueten
Myſterien, noch vermenge deine Schlüſſe daraus mit bloſſen eignen
Wahrnehmungen. In einigen deiner Briefe an ſie iſt ein ſtarkes Feuer,
das ihre entſchiedenen Geſinnungen für einen andern prüfen würde
wenn es ſie nicht vorausſezte. Auch ſiehſt du Liebe für weibliche20
Tugend, in der brillantierten Faſſung der Schönheit, für ein ſo groſſes
Verdienſt wie Menſchenliebe an oder gar für den Fokus der leztern;
aber ich kan darin nichts als eine eben ſo nothwendige, unwilkürliche als
erlaubte — Wonne finden: Verdienſt wenig. Irre nicht über O[tto].
Sein Betragen war höchſte angeſpante — Tugend und gieng aus25
dieſer almählig in die leichtere Wonne und Liebe über. Ich genieſſe das
Anſchauen einer doppelten vermehrten Entzückung. Ich würde in deinem
Falle nicht kälter, vielleicht gar wärmer ſein; aber du vergiſſeſt doch
meine Selenographie von den entſchiedenen Flecken dieſes himliſchen
Körpers. Jezt verdien’ ich den meiſten Glauben: denn nie war A.s und[263]30
meine Seele in einem nähern Umfangen; wie verklärte Auferſtandene
ruhen wir auf der lichttrunknen Wolke der Schwärmerei und ſinken
geblendet und umarmend in das Licht der Wolke hinein. [gestrichen:
Zum Beweiſe leg ich dir ein kopiertes Billet vom Montag an mich bei.]
— Ich bin jezt überal von Liebe umſchwommen und beglükt bis zur35
Bangigkeit. Schreibe doch — zwar keinen Brief an Caroline, dein

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[263/0278] 1) daß Otto dir nächſtens ſchreibt und daß du ihm — und ſeinen 1000 ꝛc. Hemrädern — vergeben ſolſt — 2) daß mich die jezt nach Weimar zurükgeeilte Kalb gefragt, ob ſie dir antworten ſol, weil dein Brief zu gut und fein ſei — du haſt ſie nicht beleidigt ſondern recht erfreuet und überraſchet — 5 3) ſchicke die Briefe für Amöne an mich, Otto, Renate, nur nicht ins Haus, weil der Vater deren Leſung begehrt und die Tochter ſie verweigert — 4) nim mir mein jeziges lex minimi in Rükſicht der Briefe nicht übel: meine Arbeiten halten dich künftig, und fremde Briefe jezt noch 10 beſſer, ſchadlos. Meine Briefe ſind leer, weil ich nur die Wahl zwiſchen Leerheit und ganzen Abhandlungen vor mir habe. N. 3. Deine innere Ruhe und Freude iſt die Richterin über dein Annähern 15 zu A[möne]. Doch handle nie nach den dir von mir anvertraueten Myſterien, noch vermenge deine Schlüſſe daraus mit bloſſen eignen Wahrnehmungen. In einigen deiner Briefe an ſie iſt ein ſtarkes Feuer, das ihre entſchiedenen Geſinnungen für einen andern prüfen würde wenn es ſie nicht vorausſezte. Auch ſiehſt du Liebe für weibliche 20 Tugend, in der brillantierten Faſſung der Schönheit, für ein ſo groſſes Verdienſt wie Menſchenliebe an oder gar für den Fokus der leztern; aber ich kan darin nichts als eine eben ſo nothwendige, unwilkürliche als erlaubte — Wonne finden: Verdienſt wenig. Irre nicht über O[tto]. Sein Betragen war höchſte angeſpante — Tugend und gieng aus 25 dieſer almählig in die leichtere Wonne und Liebe über. Ich genieſſe das Anſchauen einer doppelten vermehrten Entzückung. Ich würde in deinem Falle nicht kälter, vielleicht gar wärmer ſein; aber du vergiſſeſt doch meine Selenographie von den entſchiedenen Flecken dieſes himliſchen Körpers. Jezt verdien’ ich den meiſten Glauben: denn nie war A.s und 30 meine Seele in einem nähern Umfangen; wie verklärte Auferſtandene ruhen wir auf der lichttrunknen Wolke der Schwärmerei und ſinken geblendet und umarmend in das Licht der Wolke hinein. [gestrichen: Zum Beweiſe leg ich dir ein kopiertes Billet vom Montag an mich bei.] — Ich bin jezt überal von Liebe umſchwommen und beglükt bis zur 35 Bangigkeit. Schreibe doch — zwar keinen Brief an Caroline, dein [263]

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/278>, abgerufen am 29.05.2024.