Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.auf morgen wieder. Von meinem Buch hab ich nur das Erraten- 448. An Friedrich von Oertel in Leipzig. Hof. d. 5 Nov. 96.5Du hast 2 Menschen Unrecht getan, und ich einem, dir. -- 1) Ich grif nie deine Praxis der Liebe sondern nur deine Psevdo- Meinem Otto -- den du so gut wie Amönen durch eine Nebelbank30 auf morgen wieder. Von meinem Buch hab ich nur das Erraten- 448. An Friedrich von Oertel in Leipzig. Hof. d. 5 Nov. 96.5Du haſt 2 Menſchen Unrecht getan, und ich einem, dir. — 1) Ich grif nie deine Praxis der Liebe ſondern nur deine Pſevdo- Meinem Otto — den du ſo gut wie Amönen durch eine Nebelbank30 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0281" n="266"/> auf morgen wieder. Von meinem Buch hab ich nur das <hi rendition="#aq">Erraten-</hi><lb/> Exemplar. — Oertels Brief kömt von einem Misverſtändniſſe des<lb/> meinigen.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>448. An <hi rendition="#g">Friedrich von Oertel in Leipzig.</hi></head><lb/> <byline> <hi rendition="#b">Eiligſt</hi> </byline> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof.</hi> d. 5 Nov. 96.</hi> </dateline> <lb n="5"/> <p>Du haſt 2 Menſchen Unrecht getan, und ich einem, dir. —</p><lb/> <p>1) Ich grif nie deine Praxis der Liebe ſondern nur deine Pſevdo-<lb/> Theorie derſelben an, die ich noch immer für egoiſtiſch halte. Hab ich<lb/> dir nicht geſchrieben, daß deine Ruhe und Freude die Richterinnen deiner<lb/> Näherung wären, d. h. daß deine Liebe ſo lang recht iſt als ſie dir nichts<lb n="10"/> giebt als — Freuden? — Müſt’ ich mich nicht in dir ſelber verdammen,<lb/> da meine Wärme gegen A[möne] ſich wenigſtens ſo äuſſert wie deine?<lb/><hi rendition="#g">Wie</hi> könt’ ich einen Seelenbund enger zuſammenziehen und unter-<lb/> ſtüzen, wenn ich ihn tadeln könte? Denn in dieſem Falle dürfte ich ja<lb/> deine Briefe nicht an mich adreſſieren laſſen. — Alles was ich dir ge-<lb n="15"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd2_266">[266]</ref></note>ſchrieben, hat A. billigen müſſen, wenn ich mit ihr darüber ſprach.<lb/> Allerdings iſt der Gegenſtand der Liebe nur Liebe, aber nicht gegen —<lb/> mich. Es wäre jämmerlich wenn ich jemand d. h. ſeinen ganzen morali-<lb/> ſchen Gehalt von Siegen und von Liebe gegen andere, nicht lieben<lb/> könte, im Falle er mich hinter einem ſchwarzen Schleier ſchwarz ſähe<lb n="20"/> und alſo haſte. Chriſtus ſagt’ es ja ſchon, es ſei kein Verdienſt Freunde<lb/> zu lieben, das thäten ſchon die Zölner. Ich müſte hier die Abhandlung<lb/> über das Er ꝛc. in meinen Blumenſtücken ausſchreiben, um mich zu be-<lb/> weiſen. So kurz kan ich aber deinem Syſtem nur die Zweige, nicht die<lb/> Wurzel nehmen. Ich werde dir nie einen Tadel mehr ſagen: du biſt zu<lb n="25"/> empfindlich und ich mache gröſſere Schmerzen als ich verhüten wil.<lb/> Unſere Zentripetalkraft gegen einander überwindet unſere Zentri-<lb/> fugalkraft: alſo hörſt du meine Meinung nie mehr als wo ſie die deinige<lb/> iſt.</p><lb/> <p>Meinem Otto — den du ſo gut wie Amönen durch eine Nebelbank<lb n="30"/> ſieheſt, nur mit umgekehrtem optiſchen Betrug — haſt du <hi rendition="#g">ganz Un-<lb/> recht</hi> gethan. Er wuſte nichts, er ſah und hörte meinen Brief nicht, er<lb/> erſtaunte über deinen, er <hi rendition="#g">hat</hi> <hi rendition="#b">gegen</hi> <hi rendition="#g">deine Briefe nichts,</hi> aber alles<lb/><hi rendition="#b">dafür,</hi> er errieth endlich durch mich, daß mein Brief auf die Allegorien-<lb/> ſprache des ſeinigen falſche Reflexe geworfen. Ganz, ganz haſt du ihm<lb n="35"/> Unrecht gethan, ihm dem Unſchuldigen, mehr als mir dem Unvor-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [266/0281]
auf morgen wieder. Von meinem Buch hab ich nur das Erraten-
Exemplar. — Oertels Brief kömt von einem Misverſtändniſſe des
meinigen.
448. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
EiligſtHof. d. 5 Nov. 96. 5
Du haſt 2 Menſchen Unrecht getan, und ich einem, dir. —
1) Ich grif nie deine Praxis der Liebe ſondern nur deine Pſevdo-
Theorie derſelben an, die ich noch immer für egoiſtiſch halte. Hab ich
dir nicht geſchrieben, daß deine Ruhe und Freude die Richterinnen deiner
Näherung wären, d. h. daß deine Liebe ſo lang recht iſt als ſie dir nichts 10
giebt als — Freuden? — Müſt’ ich mich nicht in dir ſelber verdammen,
da meine Wärme gegen A[möne] ſich wenigſtens ſo äuſſert wie deine?
Wie könt’ ich einen Seelenbund enger zuſammenziehen und unter-
ſtüzen, wenn ich ihn tadeln könte? Denn in dieſem Falle dürfte ich ja
deine Briefe nicht an mich adreſſieren laſſen. — Alles was ich dir ge- 15
ſchrieben, hat A. billigen müſſen, wenn ich mit ihr darüber ſprach.
Allerdings iſt der Gegenſtand der Liebe nur Liebe, aber nicht gegen —
mich. Es wäre jämmerlich wenn ich jemand d. h. ſeinen ganzen morali-
ſchen Gehalt von Siegen und von Liebe gegen andere, nicht lieben
könte, im Falle er mich hinter einem ſchwarzen Schleier ſchwarz ſähe 20
und alſo haſte. Chriſtus ſagt’ es ja ſchon, es ſei kein Verdienſt Freunde
zu lieben, das thäten ſchon die Zölner. Ich müſte hier die Abhandlung
über das Er ꝛc. in meinen Blumenſtücken ausſchreiben, um mich zu be-
weiſen. So kurz kan ich aber deinem Syſtem nur die Zweige, nicht die
Wurzel nehmen. Ich werde dir nie einen Tadel mehr ſagen: du biſt zu 25
empfindlich und ich mache gröſſere Schmerzen als ich verhüten wil.
Unſere Zentripetalkraft gegen einander überwindet unſere Zentri-
fugalkraft: alſo hörſt du meine Meinung nie mehr als wo ſie die deinige
iſt.
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Meinem Otto — den du ſo gut wie Amönen durch eine Nebelbank 30
ſieheſt, nur mit umgekehrtem optiſchen Betrug — haſt du ganz Un-
recht gethan. Er wuſte nichts, er ſah und hörte meinen Brief nicht, er
erſtaunte über deinen, er hat gegen deine Briefe nichts, aber alles
dafür, er errieth endlich durch mich, daß mein Brief auf die Allegorien-
ſprache des ſeinigen falſche Reflexe geworfen. Ganz, ganz haſt du ihm 35
Unrecht gethan, ihm dem Unſchuldigen, mehr als mir dem Unvor-
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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