Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.Sommerfrucht Eines Tages sein; aber freundschaftliche ist die Ich wohne jezt unter einer ganzen Orangerie von Liebe, und wünsche Richter15 Meine wärmsten Grüsse an Ihre Lieblinge oder an meine! (*)456. An Charlotte von Kalb in Weimar. [Kopie, z. T. Konzept][Hof, 8. Nov. 1796][Da mich Ihre Gründe gegen die "Vernichtung" und "Monds- Zehn Tage war ich in Bayreuth, an den zwei lezten sprach ich zu Durch die Krüdner sind mir die Etudes de la nature von St. Pierre30 In Ihrem Urtheil ist eignes Gefühl zuweilen vorlaut, daher gefält Sommerfrucht Eines Tages ſein; aber freundſchaftliche iſt die Ich wohne jezt unter einer ganzen Orangerie von Liebe, und wünſche Richter15 Meine wärmſten Grüſſe an Ihre Lieblinge oder an meine! (*)456. An Charlotte von Kalb in Weimar. [Kopie, z. T. Konzept][Hof, 8. Nov. 1796][Da mich Ihre Gründe gegen die „Vernichtung“ und „Monds- Zehn Tage war ich in Bayreuth, an den zwei lezten ſprach ich zu Durch die Krüdner ſind mir die Etudes de la nature von St. Pierre30 In Ihrem Urtheil iſt eignes Gefühl zuweilen vorlaut, daher gefält <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0285" n="270"/> Sommerfrucht Eines Tages ſein; aber <hi rendition="#g">freundſchaftliche</hi> iſt die<lb/> zögernde Winterſaat der Angewöhnung. Tauſend Stunden müſſen erſt<lb/> mit ihrem Wurzelnepheu zwei Herzen durchwachſen und ſie ſo mit un-<lb/> zähligen Faſern an einander ziehen. Freilich kont’ ich in Einer Minute<lb/> der Freund <hi rendition="#aq">Herders</hi> ſein; aber im Grunde war ichs doch erſt durch<lb n="5"/> viele Jahre d. h. Bücher von ihm geworden: ſeine Feder war der Erſaz<lb/> der Angewöhnung und die Enthüllung des Autors vertrat die des<lb/> Menſchen.</p><lb/> <p>Ich wohne jezt unter einer ganzen Orangerie von Liebe, und wünſche<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd2_270">[270]</ref></note>nun nichts mehr in der (Höfer) Welt als — Zeit. Ach jezt ſolten Sie<lb n="10"/> unter uns ſein in unſerem Kongreſſe und Konvente der Freundſchaft.<lb/> Leben Sie wohl, mein Guter, mein Hochgeachteter, Unvergeslicher, ſo<lb/> Weicher und ſo Starker! Gewähren Sie mir ſo viel Verzeihung als<lb/> ich Ihnen Liebe!</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> <lb n="15"/> </salute> </closer> <postscript> <p>Meine wärmſten Grüſſe an Ihre Lieblinge oder an meine!</p> </postscript> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>(*)456. An <hi rendition="#g">Charlotte von Kalb in Weimar.</hi></head><lb/> <note type="editorial">[Kopie, z. T. Konzept]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 8. Nov. 1796]</hi> </dateline><lb/> <p>[Da mich Ihre Gründe gegen die „Vernichtung“ und „Monds-<lb/> finſternis“ nicht überzeugen, ſo würde ich durch die Befolgung Ihrer<lb n="20"/> Bitte mich ſelbſt verläugnen. Ich kan viel opfern, aber nicht meine Be-<lb/> geiſterung für die Unſterblichkeit und deren Hofnung. Kein Verhältnis<lb/> darf auf das des Dichters einen Einflus gewinnen. Vortreflich geſunde<lb/> Naturen wie Sie haben wohl ähnliche Meinungen über Verhältniſſe,<lb/> aber für Schwächlinge iſt es Arſenik.<lb n="25"/> </p> <p>Zehn Tage war ich in Bayreuth, an den zwei lezten ſprach ich zu<lb/> einem langen Abſchiede die Fr. v. Krüdner, die nach Lauſanne reiſte,]<lb/> um ihre ſchöne Seele an den Gletſchern zu erwärmen. [Ihre groſſe<lb/> Aehnlichkeit und Unähnlichkeit brauchte eine mündliche Schilderung.</p><lb/> <p>Durch die Krüdner ſind mir die <hi rendition="#aq">Etudes de la nature</hi> von St. Pierre<lb n="30"/> bekant worden. Sie kennen ſie wohl? Rouſſeau hat auf ihn gewirkt,<lb/> aber nach ihm hat auch keiner weder ſchöner noch wahrer geſchrieben.</p><lb/> <p>In Ihrem Urtheil iſt eignes Gefühl zuweilen vorlaut, daher gefält<lb/> Ihnen Ihr Echo im Heſperus. — In den Mumien und der Monds-<lb/> finſternis misfält Ihnen zu ſehr das mit Ihnen Diſſonierende; aber ich<lb n="35"/> verlange Ihr Urtheil über den dritten Theil des Heſperus. Sie ſind eine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [270/0285]
Sommerfrucht Eines Tages ſein; aber freundſchaftliche iſt die
zögernde Winterſaat der Angewöhnung. Tauſend Stunden müſſen erſt
mit ihrem Wurzelnepheu zwei Herzen durchwachſen und ſie ſo mit un-
zähligen Faſern an einander ziehen. Freilich kont’ ich in Einer Minute
der Freund Herders ſein; aber im Grunde war ichs doch erſt durch 5
viele Jahre d. h. Bücher von ihm geworden: ſeine Feder war der Erſaz
der Angewöhnung und die Enthüllung des Autors vertrat die des
Menſchen.
Ich wohne jezt unter einer ganzen Orangerie von Liebe, und wünſche
nun nichts mehr in der (Höfer) Welt als — Zeit. Ach jezt ſolten Sie 10
unter uns ſein in unſerem Kongreſſe und Konvente der Freundſchaft.
Leben Sie wohl, mein Guter, mein Hochgeachteter, Unvergeslicher, ſo
Weicher und ſo Starker! Gewähren Sie mir ſo viel Verzeihung als
ich Ihnen Liebe!
[270]
Richter 15
Meine wärmſten Grüſſe an Ihre Lieblinge oder an meine!
(*)456. An Charlotte von Kalb in Weimar.
[Hof, 8. Nov. 1796]
[Da mich Ihre Gründe gegen die „Vernichtung“ und „Monds-
finſternis“ nicht überzeugen, ſo würde ich durch die Befolgung Ihrer 20
Bitte mich ſelbſt verläugnen. Ich kan viel opfern, aber nicht meine Be-
geiſterung für die Unſterblichkeit und deren Hofnung. Kein Verhältnis
darf auf das des Dichters einen Einflus gewinnen. Vortreflich geſunde
Naturen wie Sie haben wohl ähnliche Meinungen über Verhältniſſe,
aber für Schwächlinge iſt es Arſenik. 25
Zehn Tage war ich in Bayreuth, an den zwei lezten ſprach ich zu
einem langen Abſchiede die Fr. v. Krüdner, die nach Lauſanne reiſte,]
um ihre ſchöne Seele an den Gletſchern zu erwärmen. [Ihre groſſe
Aehnlichkeit und Unähnlichkeit brauchte eine mündliche Schilderung.
Durch die Krüdner ſind mir die Etudes de la nature von St. Pierre 30
bekant worden. Sie kennen ſie wohl? Rouſſeau hat auf ihn gewirkt,
aber nach ihm hat auch keiner weder ſchöner noch wahrer geſchrieben.
In Ihrem Urtheil iſt eignes Gefühl zuweilen vorlaut, daher gefält
Ihnen Ihr Echo im Heſperus. — In den Mumien und der Monds-
finſternis misfält Ihnen zu ſehr das mit Ihnen Diſſonierende; aber ich 35
verlange Ihr Urtheil über den dritten Theil des Heſperus. Sie ſind eine
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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