Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.Buchstaben von sich, womit die Algeber eine unbekante Grösse be- 662. An Pastor Bülau in Zerbst. [Hof, 17. Juli 1797]15Ein so bescheidner Ton sezt mehr Verdienste voraus als er eingesteht. 663. An Friedrich von Oertel in Leipzig. Hof d. 17 Jul. 97.Mein guter Oertel! Mein Schmerz für dich ist beinahe so gros wie30 Buchſtaben von ſich, womit die Algeber eine unbekante Gröſſe be- 662. An Paſtor Bülau in Zerbſt. [Hof, 17. Juli 1797]15Ein ſo beſcheidner Ton ſezt mehr Verdienſte voraus als er eingeſteht. 663. An Friedrich von Oertel in Leipzig. Hof d. 17 Jul. 97.Mein guter Oertel! Mein Schmerz für dich iſt beinahe ſo gros wie30 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0365" n="349"/> Buchſtaben von ſich, womit die Algeber eine <hi rendition="#g">unbekante</hi> Gröſſe be-<lb/> zeichnet? Möge irgend ein guter Genius die Wolken, aus denen Sie<lb/> mir Ihre Hand mit der Gabe reichen, aus einander ſchlagen und mir<lb/> den Engel enthüllen. Ihr Geſchlecht und Ihr Werth weiſſagen mir das<lb/> gewöhnliche Schikſal, daß ein ſolches Gewächs eines wärmern Klimas<lb n="5"/> mit Stam und Wurzel drauſſen im Winter der Wirklichkeit ſteht und<lb/> nur mit einigen ins Treibhaus der Dichtkunſt und der andern Welt<lb/> hineingezognen Zweigen blüht. Wunſch, daß alle Ihre Blüthen ihren<lb/> Frühling und Ihre Früchte ihre Sonne finden. Der innere Menſch<lb/> findet alles was er braucht in der Hofnung und in der Tugend und wenn<lb n="10"/> er mehr oder in der Wirklichkeit ſucht, findet er nur Wunden. O ſchönes<lb/> Herz, das Schikſal wende deine ab und fülle dich blos mit geliebten<lb/> Geſtalten.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>662. An <hi rendition="#g">Paſtor Bülau in Zerbſt.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 17. Juli 1797]</hi> </dateline> <lb n="15"/> <p>Ein ſo beſcheidner Ton ſezt mehr Verdienſte voraus als er eingeſteht.<lb/> „Nur ein Paſtor“ — ſagen Sie lieber „nur ein Kammerherr“. Auf den<lb/> Landgeiſtlichen — auf den Stadtgeiſtlichen weniger — ſezt der Genius<lb/> der Menſchheit oder des Jahrhunderts die Hofnung des Erſazes für die<lb/> Schule, für die Freiheit, für das Licht, die noch alle dem ſterbenden<lb n="20"/> Jahrhundert fehlen. Die Kanzel iſt der Buchladen des Volks, wie der<lb/> Buchladen die Kanzel der höhern Stände ſein ſolte. Freilich iſt die<lb/> Reform der moraliſchen Proſelyten erſt durch die Reform der Heiden-<lb/> und Chriſtenbekehrer möglich. — Der bürgerliche Rang der Ver-<lb/> ſchleierten iſt nicht ſo hoch wie ihr geiſtiger. Möge ſie vor dem Auge<note place="right"><ref target="1922_Bd2_351">[351]</ref></note><lb n="25"/> des Danks den Schleier aufheben! — Kein kränklicher Körper iſt der<lb/> lezten Grube des Menſchen ſo nahe als ein feſter geſunder.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>663. An <hi rendition="#g">Friedrich von Oertel in Leipzig.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof</hi> d. 17 Jul. 97.</hi> </dateline><lb/> <p>Mein guter Oertel! Mein Schmerz für dich iſt beinahe ſo gros wie<lb n="30"/> meine Hochachtung für den Grad von einer Tugend, die man in<lb/> unſerem Jahrhundert faſt noch eher findet als ſucht: dein innerer<lb/> Menſch mus immer auf ſcharfe Klippen und volle Gräber ſteigen und<lb/> auf dieſem Thabor ſteht er vol Glanz. Deine Leiden ſind ſelten, aber<lb/> deine über-ſinliche Ergebung iſts noch mehr. Allein das Verhängnis<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [349/0365]
Buchſtaben von ſich, womit die Algeber eine unbekante Gröſſe be-
zeichnet? Möge irgend ein guter Genius die Wolken, aus denen Sie
mir Ihre Hand mit der Gabe reichen, aus einander ſchlagen und mir
den Engel enthüllen. Ihr Geſchlecht und Ihr Werth weiſſagen mir das
gewöhnliche Schikſal, daß ein ſolches Gewächs eines wärmern Klimas 5
mit Stam und Wurzel drauſſen im Winter der Wirklichkeit ſteht und
nur mit einigen ins Treibhaus der Dichtkunſt und der andern Welt
hineingezognen Zweigen blüht. Wunſch, daß alle Ihre Blüthen ihren
Frühling und Ihre Früchte ihre Sonne finden. Der innere Menſch
findet alles was er braucht in der Hofnung und in der Tugend und wenn 10
er mehr oder in der Wirklichkeit ſucht, findet er nur Wunden. O ſchönes
Herz, das Schikſal wende deine ab und fülle dich blos mit geliebten
Geſtalten.
662. An Paſtor Bülau in Zerbſt.
[Hof, 17. Juli 1797] 15
Ein ſo beſcheidner Ton ſezt mehr Verdienſte voraus als er eingeſteht.
„Nur ein Paſtor“ — ſagen Sie lieber „nur ein Kammerherr“. Auf den
Landgeiſtlichen — auf den Stadtgeiſtlichen weniger — ſezt der Genius
der Menſchheit oder des Jahrhunderts die Hofnung des Erſazes für die
Schule, für die Freiheit, für das Licht, die noch alle dem ſterbenden 20
Jahrhundert fehlen. Die Kanzel iſt der Buchladen des Volks, wie der
Buchladen die Kanzel der höhern Stände ſein ſolte. Freilich iſt die
Reform der moraliſchen Proſelyten erſt durch die Reform der Heiden-
und Chriſtenbekehrer möglich. — Der bürgerliche Rang der Ver-
ſchleierten iſt nicht ſo hoch wie ihr geiſtiger. Möge ſie vor dem Auge 25
des Danks den Schleier aufheben! — Kein kränklicher Körper iſt der
lezten Grube des Menſchen ſo nahe als ein feſter geſunder.
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663. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
Hof d. 17 Jul. 97.
Mein guter Oertel! Mein Schmerz für dich iſt beinahe ſo gros wie 30
meine Hochachtung für den Grad von einer Tugend, die man in
unſerem Jahrhundert faſt noch eher findet als ſucht: dein innerer
Menſch mus immer auf ſcharfe Klippen und volle Gräber ſteigen und
auf dieſem Thabor ſteht er vol Glanz. Deine Leiden ſind ſelten, aber
deine über-ſinliche Ergebung iſts noch mehr. Allein das Verhängnis 35
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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