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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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Liebe für die höchste darf die für die untergeordneten nicht vernichten.
Sonst war ich, wie Sie mich jezt verlangen; aber sol ich jene Fülle des
Herzens, die die ganze Erde und alle Wesen und Planeten aus ihm
heraus sperret, um den weiten Plaz alles Liebenswürdigen mit Einem
Wesen auszufüllen, wiederbegehren? -- Ihre Foderung (oder Ihre5
Unähnlichkeit mit mir in diesem Punkte) ist keine Eigenheit Ihres
Wesens, sondern eine Aehnlichkeit mit Ihrem Geschlechte. Das Gegen-
theil wäre eine Eigenheit; und eine Aehnlichkeit mehr, die Sie mit
unserm hätten. -- Der Mensch ist ein aus so vielen Kräften zusammen
geimpftes Wesen (gleichsam mehr ein Baum-Garten als ein Baum),10
daß er zum Gedeihen fast Sonne und Regen und Frühling und Herbst
und Licht und Schatten zugleich bedarf: er hält oft die Uebermacht
Einer Kraft für Harmonie aller Kräfte, und den freien Anklang aller
Töne für Disharmonie. Ich sehne mich (figürlich und unfigürlich) von[373]
der Messiade zum Epigram, vom Kampaner Thal in die Holzschnitte15
-- von der Dichtkunst ins bürgerliche Leben -- vom Land in die
Stadt -- von Ihnen zu Andern, -- aber freilich noch stärker zurük. --

Ich kan heut in der Eile -- um einmal 2 Briefe fortzujagen -- und
im Mangel der Zeit, und in der Nachbarschaft der Zerstreuungen
nichts rechts entwickeln noch mein Inneres so sammeln, wie es gern20
dem Ihrigen erscheinen möchte. In Hof hätte ich ganz anders ge-
schrieben. -- Wir werden in Leipzig (wenn Sie meine Eigenheiten
so tragen, wie ich Ihre achte) einen Himmel nach dem andern er-
steigen und neue Stunden erleben mitten im ewigen Dakapo der Zeit. --
Eben meiner alles nachspiegelnden Vielseitigkeit haben Sie ja auch25
eben mein Aufnehmen Ihres neuen und ungewöhnlichen, gleich dem
Himmel einfärbigen Wesens zuzuschreiben.

Leben Sie froh, liebe Seele! Unser Herder trenne Sie von jeder
harten Nachbarschaft! und jeder Genus der Freundschaft werde zu
einer lichten Hofnung derselben. Und der ewige Geist sage es zu jeder30
fremden Seele: thue der wunden nicht wehe!

Richter
698. An Konrektor Fischer und Frau in Hof.[370]
[Kopie]

Der blau auseinander gefaltete Himmel. Alles Schönste was wir35
lieben ist unsichtbar und wohnt nur vor unserm innern Auge: Sie

24*

Liebe für die höchſte darf die für die untergeordneten nicht vernichten.
Sonſt war ich, wie Sie mich jezt verlangen; aber ſol ich jene Fülle des
Herzens, die die ganze Erde und alle Weſen und Planeten aus ihm
heraus ſperret, um den weiten Plaz alles Liebenswürdigen mit Einem
Weſen auszufüllen, wiederbegehren? — Ihre Foderung (oder Ihre5
Unähnlichkeit mit mir in dieſem Punkte) iſt keine Eigenheit Ihres
Weſens, ſondern eine Aehnlichkeit mit Ihrem Geſchlechte. Das Gegen-
theil wäre eine Eigenheit; und eine Aehnlichkeit mehr, die Sie mit
unſerm hätten. — Der Menſch iſt ein aus ſo vielen Kräften zuſammen
geimpftes Weſen (gleichſam mehr ein Baum-Garten als ein Baum),10
daß er zum Gedeihen faſt Sonne und Regen und Frühling und Herbſt
und Licht und Schatten zugleich bedarf: er hält oft die Uebermacht
Einer Kraft für Harmonie aller Kräfte, und den freien Anklang aller
Töne für Disharmonie. Ich ſehne mich (figürlich und unfigürlich) von[373]
der Meſſiade zum Epigram, vom Kampaner Thal in die Holzſchnitte15
— von der Dichtkunſt ins bürgerliche Leben — vom Land in die
Stadt — von Ihnen zu Andern, — aber freilich noch ſtärker zurük. —

Ich kan heut in der Eile — um einmal 2 Briefe fortzujagen — und
im Mangel der Zeit, und in der Nachbarſchaft der Zerſtreuungen
nichts rechts entwickeln noch mein Inneres ſo ſammeln, wie es gern20
dem Ihrigen erſcheinen möchte. In Hof hätte ich ganz anders ge-
ſchrieben. — Wir werden in Leipzig (wenn Sie meine Eigenheiten
ſo tragen, wie ich Ihre achte) einen Himmel nach dem andern er-
ſteigen und neue Stunden erleben mitten im ewigen Dakapo der Zeit. —
Eben meiner alles nachſpiegelnden Vielſeitigkeit haben Sie ja auch25
eben mein Aufnehmen Ihres neuen und ungewöhnlichen, gleich dem
Himmel einfärbigen Weſens zuzuſchreiben.

Leben Sie froh, liebe Seele! Unſer Herder trenne Sie von jeder
harten Nachbarſchaft! und jeder Genus der Freundſchaft werde zu
einer lichten Hofnung derſelben. Und der ewige Geiſt ſage es zu jeder30
fremden Seele: thue der wunden nicht wehe!

Richter
698. An Konrektor Fiſcher und Frau in Hof.[370]
[Kopie]

Der blau auseinander gefaltete Himmel. Alles Schönſte was wir35
lieben iſt unſichtbar und wohnt nur vor unſerm innern Auge: Sie

24*
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[371/0392] Liebe für die höchſte darf die für die untergeordneten nicht vernichten. Sonſt war ich, wie Sie mich jezt verlangen; aber ſol ich jene Fülle des Herzens, die die ganze Erde und alle Weſen und Planeten aus ihm heraus ſperret, um den weiten Plaz alles Liebenswürdigen mit Einem Weſen auszufüllen, wiederbegehren? — Ihre Foderung (oder Ihre 5 Unähnlichkeit mit mir in dieſem Punkte) iſt keine Eigenheit Ihres Weſens, ſondern eine Aehnlichkeit mit Ihrem Geſchlechte. Das Gegen- theil wäre eine Eigenheit; und eine Aehnlichkeit mehr, die Sie mit unſerm hätten. — Der Menſch iſt ein aus ſo vielen Kräften zuſammen geimpftes Weſen (gleichſam mehr ein Baum-Garten als ein Baum), 10 daß er zum Gedeihen faſt Sonne und Regen und Frühling und Herbſt und Licht und Schatten zugleich bedarf: er hält oft die Uebermacht Einer Kraft für Harmonie aller Kräfte, und den freien Anklang aller Töne für Disharmonie. Ich ſehne mich (figürlich und unfigürlich) von der Meſſiade zum Epigram, vom Kampaner Thal in die Holzſchnitte 15 — von der Dichtkunſt ins bürgerliche Leben — vom Land in die Stadt — von Ihnen zu Andern, — aber freilich noch ſtärker zurük. — [373] Ich kan heut in der Eile — um einmal 2 Briefe fortzujagen — und im Mangel der Zeit, und in der Nachbarſchaft der Zerſtreuungen nichts rechts entwickeln noch mein Inneres ſo ſammeln, wie es gern 20 dem Ihrigen erſcheinen möchte. In Hof hätte ich ganz anders ge- ſchrieben. — Wir werden in Leipzig (wenn Sie meine Eigenheiten ſo tragen, wie ich Ihre achte) einen Himmel nach dem andern er- ſteigen und neue Stunden erleben mitten im ewigen Dakapo der Zeit. — Eben meiner alles nachſpiegelnden Vielſeitigkeit haben Sie ja auch 25 eben mein Aufnehmen Ihres neuen und ungewöhnlichen, gleich dem Himmel einfärbigen Weſens zuzuſchreiben. Leben Sie froh, liebe Seele! Unſer Herder trenne Sie von jeder harten Nachbarſchaft! und jeder Genus der Freundſchaft werde zu einer lichten Hofnung derſelben. Und der ewige Geiſt ſage es zu jeder 30 fremden Seele: thue der wunden nicht wehe! Richter 698. An Konrektor Fiſcher und Frau in Hof. [Bayreuth, 13. Sept. 1797. Mittwoch] Der blau auseinander gefaltete Himmel. Alles Schönſte was wir 35 lieben iſt unſichtbar und wohnt nur vor unſerm innern Auge: Sie 24*

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/392>, abgerufen am 23.11.2024.