Fehler! Wo es also so leicht untergeht: da ist es der kurze fliegende Funke Eines Tages gewesen und mehr nicht, der zu seiner Verlöschung nichts brauchte als blos -- Zeit.
Theuerste Freundin! nehmen Sie alles was ich sage, eher sanfter als strenge: ich ehre Sie jezt unaussprechlich, ich habe jezt kein anderes5 Recht als das, Ihren Tagen alle Wolken zu nehmen, aber nicht zu geben. Und glauben Sie mir, ich habe immer mehr gehoft als gewust; o wenn ich Ihre Worte: "ich fühlte zwar einst Liebe für Sie" je klar in Ihrer Seele gelesen hätte: so hätt' ich Ihnen alles vergeben, alles alles wie jezt. -- Was Sie fodern, das giebt Ihnen mein ganzes Herz rein, heilig,10 vol und heis, eine Freundschaft ohne Launen, ohne Trennung, ohne Vorwürfe. Aber lostrennen werd' ich mich durch eine stufenweise Ab- sonderung von Ihrem Hause (wo mich ohnehin eines ums andere be- leidigt), wie am Ende von Hof. Diese blutige Losreissung befehl' ich mir, nicht um kalt zu werden sondern um warm zu bleiben. Sie wissen15 nicht, in welchem Grade ich Herr über alle meine kochenden Gefühle werde, wenn es sein mus; um mich abzukühlen, komm ich täglich, spreche täglich gleichgültige Dinge, stelle mich gleichgültig und eh' ichs weis, bin ichs. Aber unsere Liebe sol sich nicht so mörderisch endigen: ich wil das milde Bild einer kurzen vorübergeflognen Liebe heilig in meiner20 Brust befestigen und nicht blos Ihr Freund sein, sondern Ihr treuester, heissester Freund. Und so ziehe denn hin, beste [Karoline], und verlasse den, den du nicht gekant hast -- der Frühling, auf den ich mich so freuete, blühet wieder auf, aber unsere Liebe bleibt entblättert liegen und alle schönen Abende dar[in] -- du findest das Herz nicht mehr, das meinem25 gleicht -- ich wil ein Engel sein, wenn meine Geliebte es ist -- O es wird dir wehe thun, es wird dein Auge und dein Herz auseinander- drücken, wenn du einmal zu Ostern in meinem Buche meine Seele wiederfinden wirst, die du so kalt von deinem Herzen wegdrükst -- Hier steh ich an der Gränze zwischen Freundschaft und Liebe und habe mir30 nichts vorzuwerfen und habe rechtschaffen gehandelt und reiche noch [31]einmal meiner [Karoline] die alte Hand, die sie nicht mehr drücken wil und sage: lebe wol, sei unaussprechlich glüklich, aber du hast mich nicht gekant. Dein
ewiger Freund35 Richter
Fehler! Wo es alſo ſo leicht untergeht: da iſt es der kurze fliegende Funke Eines Tages geweſen und mehr nicht, der zu ſeiner Verlöſchung nichts brauchte als blos — Zeit.
Theuerſte Freundin! nehmen Sie alles was ich ſage, eher ſanfter als ſtrenge: ich ehre Sie jezt unausſprechlich, ich habe jezt kein anderes5 Recht als das, Ihren Tagen alle Wolken zu nehmen, aber nicht zu geben. Und glauben Sie mir, ich habe immer mehr gehoft als gewuſt; o wenn ich Ihre Worte: „ich fühlte zwar einſt Liebe für Sie“ je klar in Ihrer Seele geleſen hätte: ſo hätt’ ich Ihnen alles vergeben, alles alles wie jezt. — Was Sie fodern, das giebt Ihnen mein ganzes Herz rein, heilig,10 vol und heis, eine Freundſchaft ohne Launen, ohne Trennung, ohne Vorwürfe. Aber lostrennen werd’ ich mich durch eine ſtufenweiſe Ab- ſonderung von Ihrem Hauſe (wo mich ohnehin eines ums andere be- leidigt), wie am Ende von Hof. Dieſe blutige Losreiſſung befehl’ ich mir, nicht um kalt zu werden ſondern um warm zu bleiben. Sie wiſſen15 nicht, in welchem Grade ich Herr über alle meine kochenden Gefühle werde, wenn es ſein mus; um mich abzukühlen, komm ich täglich, ſpreche täglich gleichgültige Dinge, ſtelle mich gleichgültig und eh’ ichs weis, bin ichs. Aber unſere Liebe ſol ſich nicht ſo mörderiſch endigen: ich wil das milde Bild einer kurzen vorübergeflognen Liebe heilig in meiner20 Bruſt befeſtigen und nicht blos Ihr Freund ſein, ſondern Ihr treueſter, heiſſeſter Freund. Und ſo ziehe denn hin, beſte [Karoline], und verlaſſe den, den du nicht gekant haſt — der Frühling, auf den ich mich ſo freuete, blühet wieder auf, aber unſere Liebe bleibt entblättert liegen und alle ſchönen Abende dar[in] — du findeſt das Herz nicht mehr, das meinem25 gleicht — ich wil ein Engel ſein, wenn meine Geliebte es iſt — O es wird dir wehe thun, es wird dein Auge und dein Herz auseinander- drücken, wenn du einmal zu Oſtern in meinem Buche meine Seele wiederfinden wirſt, die du ſo kalt von deinem Herzen wegdrükſt — Hier ſteh ich an der Gränze zwiſchen Freundſchaft und Liebe und habe mir30 nichts vorzuwerfen und habe rechtſchaffen gehandelt und reiche noch [31]einmal meiner [Karoline] die alte Hand, die ſie nicht mehr drücken wil und ſage: lebe wol, ſei unausſprechlich glüklich, aber du haſt mich nicht gekant. Dein
ewiger Freund35 Richter
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[38/0047]
Fehler! Wo es alſo ſo leicht untergeht: da iſt es der kurze fliegende
Funke Eines Tages geweſen und mehr nicht, der zu ſeiner Verlöſchung
nichts brauchte als blos — Zeit.
Theuerſte Freundin! nehmen Sie alles was ich ſage, eher ſanfter als
ſtrenge: ich ehre Sie jezt unausſprechlich, ich habe jezt kein anderes 5
Recht als das, Ihren Tagen alle Wolken zu nehmen, aber nicht zu geben.
Und glauben Sie mir, ich habe immer mehr gehoft als gewuſt; o wenn
ich Ihre Worte: „ich fühlte zwar einſt Liebe für Sie“ je klar in Ihrer
Seele geleſen hätte: ſo hätt’ ich Ihnen alles vergeben, alles alles wie
jezt. — Was Sie fodern, das giebt Ihnen mein ganzes Herz rein, heilig, 10
vol und heis, eine Freundſchaft ohne Launen, ohne Trennung, ohne
Vorwürfe. Aber lostrennen werd’ ich mich durch eine ſtufenweiſe Ab-
ſonderung von Ihrem Hauſe (wo mich ohnehin eines ums andere be-
leidigt), wie am Ende von Hof. Dieſe blutige Losreiſſung befehl’ ich
mir, nicht um kalt zu werden ſondern um warm zu bleiben. Sie wiſſen 15
nicht, in welchem Grade ich Herr über alle meine kochenden Gefühle
werde, wenn es ſein mus; um mich abzukühlen, komm ich täglich, ſpreche
täglich gleichgültige Dinge, ſtelle mich gleichgültig und eh’ ichs weis,
bin ichs. Aber unſere Liebe ſol ſich nicht ſo mörderiſch endigen: ich wil
das milde Bild einer kurzen vorübergeflognen Liebe heilig in meiner 20
Bruſt befeſtigen und nicht blos Ihr Freund ſein, ſondern Ihr treueſter,
heiſſeſter Freund. Und ſo ziehe denn hin, beſte [Karoline], und verlaſſe
den, den du nicht gekant haſt — der Frühling, auf den ich mich ſo freuete,
blühet wieder auf, aber unſere Liebe bleibt entblättert liegen und alle
ſchönen Abende dar[in] — du findeſt das Herz nicht mehr, das meinem 25
gleicht — ich wil ein Engel ſein, wenn meine Geliebte es iſt — O es
wird dir wehe thun, es wird dein Auge und dein Herz auseinander-
drücken, wenn du einmal zu Oſtern in meinem Buche meine Seele
wiederfinden wirſt, die du ſo kalt von deinem Herzen wegdrükſt — Hier
ſteh ich an der Gränze zwiſchen Freundſchaft und Liebe und habe mir 30
nichts vorzuwerfen und habe rechtſchaffen gehandelt und reiche noch
einmal meiner [Karoline] die alte Hand, die ſie nicht mehr drücken wil
und ſage: lebe wol, ſei unausſprechlich glüklich, aber du haſt mich nicht
gekant. Dein
[31]
ewiger Freund 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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