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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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auf eine leichte Weise kundthun? -- Ich wolt' ich fände alles Schöne
da, was im -- Cölibat noch ist. -- Ich habe aber das Haus vergessen.
Addio! -- Novitäten? --

R.
160. An Sophie von Brüningk in Hohenberg.
[Kopie]5

Da die Nothwendigkeit ihre eis[erne] Hand auf meine Lippen legte.
Wenn einmal wieder hinter uns die Wolken vol Abendgold blühen
und gaukelnde Schatten in unsere magische Sakristei einflattern: wie
klein und geflügelt werden uns die jezigen ausgestrekten Stunden er-
scheinen. Trüge Sie einmal ein segnender Genius in meinen Himmel,10
um ihn zu verdoppeln. Ich bin hier in Harmonie und Liebe mit jedem,
von den Herz[oginnen] an bis auf mich.

161. An Friederike Otto.
[Kopie]

-- ein Mensch, dem das Schiksal die Zeit aus seiner Stube gestohlen.15
Es ist mir noch immer als wenn ich im Armsessel am [?] Frühlings-
morgen wäre und mich an dein schönes Herz anlehnte und in weite
reine Augen sähe und darin deine Liebe und meine fände. Kan ichs denn
vergessen?

*162. An Amöne Herold.20

Ein kurzer Brief ist doch auch einer, ich kan nicht allemal über meine
Sehnsucht herschen und mus sie durch meine Worte stillen. Warum
schweigen Sie? -- Sie könten mir so viel aus Ihrem Innern, aus
seinen Epochen erzählen -- denn meine Bücher sind Briefe und meine25
Zeit ein Nichts -- Sie könten mir sogar Ihr Tagebuch schicken, oder
doch exzerpieren -- aber Sie passen. Wie geht es mit Ihrem Engli-
schen?

Berechnete ich mehr mein Vergnügen als meine Pflicht: warlich so[138]
würd' ich mehr Briefe als Bücher schreiben. -- Gute, theuere, un-30
vergesliche Amöne! dem Raubgeier deiner stillen Freuden sind gewis
bisher die Federn ausgefallen, das hoft mein Herz. Komme bald zu
mir und sprich lange und vergieb dem Stummen! O wenn am Ge-

auf eine leichte Weiſe kundthun? — Ich wolt’ ich fände alles Schöne
da, was im — Cölibat noch iſt. — Ich habe aber das Haus vergeſſen.
Addio! — Novitäten? —

R.
160. An Sophie von Brüningk in Hohenberg.
[Kopie]5

Da die Nothwendigkeit ihre eiſ[erne] Hand auf meine Lippen legte.
Wenn einmal wieder hinter uns die Wolken vol Abendgold blühen
und gaukelnde Schatten in unſere magiſche Sakriſtei einflattern: wie
klein und geflügelt werden uns die jezigen ausgeſtrekten Stunden er-
ſcheinen. Trüge Sie einmal ein ſegnender Genius in meinen Himmel,10
um ihn zu verdoppeln. Ich bin hier in Harmonie und Liebe mit jedem,
von den Herz[oginnen] an bis auf mich.

161. An Friederike Otto.
[Kopie]

— ein Menſch, dem das Schikſal die Zeit aus ſeiner Stube geſtohlen.15
Es iſt mir noch immer als wenn ich im Armſeſſel am [?] Frühlings-
morgen wäre und mich an dein ſchönes Herz anlehnte und in weite
reine Augen ſähe und darin deine Liebe und meine fände. Kan ichs denn
vergeſſen?

*162. An Amöne Herold.20

Ein kurzer Brief iſt doch auch einer, ich kan nicht allemal über meine
Sehnſucht herſchen und mus ſie durch meine Worte ſtillen. Warum
ſchweigen Sie? — Sie könten mir ſo viel aus Ihrem Innern, aus
ſeinen Epochen erzählen — denn meine Bücher ſind Briefe und meine25
Zeit ein Nichts — Sie könten mir ſogar Ihr Tagebuch ſchicken, oder
doch exzerpieren — aber Sie paſſen. Wie geht es mit Ihrem Engli-
ſchen?

Berechnete ich mehr mein Vergnügen als meine Pflicht: warlich ſo[138]
würd’ ich mehr Briefe als Bücher ſchreiben. — Gute, theuere, un-30
vergesliche Amöne! dem Raubgeier deiner ſtillen Freuden ſind gewis
bisher die Federn ausgefallen, das hoft mein Herz. Komme bald zu
mir und ſprich lange und vergieb dem Stummen! O wenn am Ge-

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[123/0133] auf eine leichte Weiſe kundthun? — Ich wolt’ ich fände alles Schöne da, was im — Cölibat noch iſt. — Ich habe aber das Haus vergeſſen. Addio! — Novitäten? — R. 160. An Sophie von Brüningk in Hohenberg. [Weimar, 30. Nov. 1798] 5 Da die Nothwendigkeit ihre eiſ[erne] Hand auf meine Lippen legte. Wenn einmal wieder hinter uns die Wolken vol Abendgold blühen und gaukelnde Schatten in unſere magiſche Sakriſtei einflattern: wie klein und geflügelt werden uns die jezigen ausgeſtrekten Stunden er- ſcheinen. Trüge Sie einmal ein ſegnender Genius in meinen Himmel, 10 um ihn zu verdoppeln. Ich bin hier in Harmonie und Liebe mit jedem, von den Herz[oginnen] an bis auf mich. 161. An Friederike Otto. [Weimar, 30. Nov. 1798] — ein Menſch, dem das Schikſal die Zeit aus ſeiner Stube geſtohlen. 15 Es iſt mir noch immer als wenn ich im Armſeſſel am [?] Frühlings- morgen wäre und mich an dein ſchönes Herz anlehnte und in weite reine Augen ſähe und darin deine Liebe und meine fände. Kan ichs denn vergeſſen? *162. An Amöne Herold. 20 Weimar d. 30 [?] Nov. 98. Ein kurzer Brief iſt doch auch einer, ich kan nicht allemal über meine Sehnſucht herſchen und mus ſie durch meine Worte ſtillen. Warum ſchweigen Sie? — Sie könten mir ſo viel aus Ihrem Innern, aus ſeinen Epochen erzählen — denn meine Bücher ſind Briefe und meine 25 Zeit ein Nichts — Sie könten mir ſogar Ihr Tagebuch ſchicken, oder doch exzerpieren — aber Sie paſſen. Wie geht es mit Ihrem Engli- ſchen? Berechnete ich mehr mein Vergnügen als meine Pflicht: warlich ſo würd’ ich mehr Briefe als Bücher ſchreiben. — Gute, theuere, un- 30 vergesliche Amöne! dem Raubgeier deiner ſtillen Freuden ſind gewis bisher die Federn ausgefallen, das hoft mein Herz. Komme bald zu mir und ſprich lange und vergieb dem Stummen! O wenn am Ge- [138]

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/133>, abgerufen am 24.11.2024.