wenn ich ein gutes Manuskript aus dem Herkulaneum durch die Abrol- Maschine, die monatlich einen Zol abwickelt, zu lesen hätte. Deine erst halb gelesene Satire ist ganz originel für mich, fein gewandt und anspielend und vol Wiz und Kentnisse; aber etwas Ordentliches sag ich erst nach der ganzen und 2ten Lesung. --5
Glaube der Poss[eltschen] Zeitung nicht (der Aufsaz ist von Göthe). Es hat uns allen Langweile gemacht. Aber die künftigen 2 Stücke sind in seiner Giganten Manier. Ich bekomme sie künftig durch einen Schauspieler im Mspt. -- -- Deine Schwester bleibt die einzige, die mir Hof vordramatisiert, wenn sie leider nur nicht so lange schwiege. --10 Schicke mir den Imperativ des alten närrischen Partizipium in dus. -- Die Bücher haben Zeit. --
Im bald zurükzusendenden Brief von Jakobi ist folgendes zu er- klären. Ich schrieb in der Abzugswoche durch die Gräfin Münster an ihn und sagte mit: gegen den jezigen Fohismus etc. solten sich drei15 Weise aus Morgenland in einer Monatsschrift vereinigen, nämlich er, Herder, und -- weil allemal ein Mohr dabei ist -- ich, und dem Gottkind des Positiven Weihrauch etc. bringen. -- Baggesens Brief ist mir moralisch widrig und ästhetisch angenehm.
-- Mit Herder wachs ich immer tiefer zusammen; kaum 4 Tage20 können wir uns missen. Er gab mir seine Metakritik, gegen die ich viele Noten machte, durch deren Gebrauch er manchen dialektischen Quart- stössen ausbeugt. Vor ihm und seinem Weib öfn' ich mein ganzes Herz mit allen kühnen Urtheilen; in Leipzig hatt ich keinen solchen Ver- trauten. Gewöhnlich abends nach dem Arbeiten vor 7 Uhr komm ich25 zur Frau, dan gehen wir oder ich hinauf zu ihm und bis zum Essen[140] glüht Auge und Mund; und so fort bis 101/2 Uhr. Wieland ist einige Tage jezt bei ihm und wir sind alle Abende beisammen, auch Einmal in der Zauberflöte; und es rührt mein Herz, wenn ich so die 2 guten alten verdienstreichen Männer vor mir sehe. -- Göthen sprach ich bei30 ihm selber, und as in Jena bei Schüz mit ihm und mit Mdme Mereau (eine niedliche Miniatür-Grazie) Loder, Böttiger, D. Hufeland etc. (von Helfrecht hat er nur das niederschauende Auge und die Stellung, aber nichts von dessen Jämmerlichkeiten). Von Göthe weis ich nichts zu sagen so wie von Schiller; beide waren freundlich. Schüz lud mich35 und Böttiger und einen Legazionsrath Gerning. Wir schliefen bei ihm. Und noch hängt bei mir der Pelz dieses Redakteurs, worin ich nach
wenn ich ein gutes Manuſkript aus dem Herkulaneum durch die Abrol- Maſchine, die monatlich einen Zol abwickelt, zu leſen hätte. Deine erſt halb geleſene Satire iſt ganz originel für mich, fein gewandt und anſpielend und vol Wiz und Kentniſſe; aber etwas Ordentliches ſag ich erſt nach der ganzen und 2ten Leſung. —5
Glaube der Poſſ[eltſchen] Zeitung nicht (der Aufſaz iſt von Göthe). Es hat uns allen Langweile gemacht. Aber die künftigen 2 Stücke ſind in ſeiner Giganten Manier. Ich bekomme ſie künftig durch einen Schauſpieler im Mſpt. — — Deine Schweſter bleibt die einzige, die mir Hof vordramatiſiert, wenn ſie leider nur nicht ſo lange ſchwiege. —10 Schicke mir den Imperativ des alten närriſchen Partizipium in dus. — Die Bücher haben Zeit. —
Im bald zurükzuſendenden Brief von Jakobi iſt folgendes zu er- klären. Ich ſchrieb in der Abzugswoche durch die Gräfin Münster an ihn und ſagte mit: gegen den jezigen Fohiſmus ꝛc. ſolten ſich drei15 Weiſe aus Morgenland in einer Monatsſchrift vereinigen, nämlich er, Herder, und — weil allemal ein Mohr dabei iſt — ich, und dem Gottkind des Poſitiven Weihrauch ꝛc. bringen. — Baggesens Brief iſt mir moraliſch widrig und äſthetiſch angenehm.
— Mit Herder wachſ ich immer tiefer zuſammen; kaum 4 Tage20 können wir uns miſſen. Er gab mir ſeine Metakritik, gegen die ich viele Noten machte, durch deren Gebrauch er manchen dialektiſchen Quart- ſtöſſen ausbeugt. Vor ihm und ſeinem Weib öfn’ ich mein ganzes Herz mit allen kühnen Urtheilen; in Leipzig hatt ich keinen ſolchen Ver- trauten. Gewöhnlich abends nach dem Arbeiten vor 7 Uhr komm ich25 zur Frau, dan gehen wir oder ich hinauf zu ihm und bis zum Eſſen[140] glüht Auge und Mund; und ſo fort bis 10½ Uhr. Wieland iſt einige Tage jezt bei ihm und wir ſind alle Abende beiſammen, auch Einmal in der Zauberflöte; und es rührt mein Herz, wenn ich ſo die 2 guten alten verdienſtreichen Männer vor mir ſehe. — Göthen ſprach ich bei30 ihm ſelber, und as in Jena bei Schüz mit ihm und mit Mdme Mereau (eine niedliche Miniatür-Grazie) Loder, Böttiger, D. Hufeland ꝛc. (von Helfrecht hat er nur das niederſchauende Auge und die Stellung, aber nichts von deſſen Jämmerlichkeiten). Von Göthe weis ich nichts zu ſagen ſo wie von Schiller; beide waren freundlich. Schüz lud mich35 und Böttiger und einen Legazionsrath Gerning. Wir ſchliefen bei ihm. Und noch hängt bei mir der Pelz dieſes Redakteurs, worin ich nach
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wenn ich ein gutes Manuſkript aus dem Herkulaneum durch die Abrol-
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erſt halb geleſene Satire iſt ganz originel für mich, fein gewandt und
anſpielend und vol Wiz und Kentniſſe; aber etwas Ordentliches ſag
ich erſt nach der ganzen und 2ten Leſung. — 5
Glaube der Poſſ[eltſchen] Zeitung nicht (der Aufſaz iſt von Göthe).
Es hat uns allen Langweile gemacht. Aber die künftigen 2 Stücke
ſind in ſeiner Giganten Manier. Ich bekomme ſie künftig durch einen
Schauſpieler im Mſpt. — — Deine Schweſter bleibt die einzige, die
mir Hof vordramatiſiert, wenn ſie leider nur nicht ſo lange ſchwiege. — 10
Schicke mir den Imperativ des alten närriſchen Partizipium in dus. —
Die Bücher haben Zeit. —
Im bald zurükzuſendenden Brief von Jakobi iſt folgendes zu er-
klären. Ich ſchrieb in der Abzugswoche durch die Gräfin Münster an
ihn und ſagte mit: gegen den jezigen Fohiſmus ꝛc. ſolten ſich drei 15
Weiſe aus Morgenland in einer Monatsſchrift vereinigen, nämlich
er, Herder, und — weil allemal ein Mohr dabei iſt — ich, und dem
Gottkind des Poſitiven Weihrauch ꝛc. bringen. — Baggesens Brief
iſt mir moraliſch widrig und äſthetiſch angenehm.
— Mit Herder wachſ ich immer tiefer zuſammen; kaum 4 Tage 20
können wir uns miſſen. Er gab mir ſeine Metakritik, gegen die ich viele
Noten machte, durch deren Gebrauch er manchen dialektiſchen Quart-
ſtöſſen ausbeugt. Vor ihm und ſeinem Weib öfn’ ich mein ganzes Herz
mit allen kühnen Urtheilen; in Leipzig hatt ich keinen ſolchen Ver-
trauten. Gewöhnlich abends nach dem Arbeiten vor 7 Uhr komm ich 25
zur Frau, dan gehen wir oder ich hinauf zu ihm und bis zum Eſſen
glüht Auge und Mund; und ſo fort bis 10½ Uhr. Wieland iſt einige
Tage jezt bei ihm und wir ſind alle Abende beiſammen, auch Einmal
in der Zauberflöte; und es rührt mein Herz, wenn ich ſo die 2 guten
alten verdienſtreichen Männer vor mir ſehe. — Göthen ſprach ich bei 30
ihm ſelber, und as in Jena bei Schüz mit ihm und mit Mdme Mereau
(eine niedliche Miniatür-Grazie) Loder, Böttiger, D. Hufeland ꝛc.
(von Helfrecht hat er nur das niederſchauende Auge und die Stellung,
aber nichts von deſſen Jämmerlichkeiten). Von Göthe weis ich nichts
zu ſagen ſo wie von Schiller; beide waren freundlich. Schüz lud mich 35
und Böttiger und einen Legazionsrath Gerning. Wir ſchliefen bei ihm.
Und noch hängt bei mir der Pelz dieſes Redakteurs, worin ich nach
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/135>, abgerufen am 24.11.2024.
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