Einer, der eine neue Stadt bezieht, hat es schlim, weil er den Zurükbleibenden von nichts zu schreiben hat als von sich; denn was interessiert sie seine neue Stadt? Sie hingegen können ihm zugleich von5 der alten und von sich etwas sagen. -- Ferne Glükwünsche sind so warm als nahe.
[151]176. An Charlotte von Kalb in Weimar.
[Kopie][Weimar, Ende Dez. 1798]
[Daß ich meine] Lippen auf die Wunden deines Herzens legen10 [werde. Sei stil, liebe Seele! Werde ruhig und hoffend!]
177. An Emilie von Berlepsch in Leipzig.
[Kopie][Weimar, 29. Dez. 1798]
Fein- und wund-nervig -- Ich werfe Asche auf meine Flammen, weil andere die von Morgen bis Abend fortglühende Lebenswärme15 für Feuerwerk zu [ihren] Ehren halten. -- Sie handeln als gäb' es lauter Ebenbilder und denken als gäb' es kaum Kopien. Ich wil nur Ihre Schmerzen, nicht Ihre Meinungen bestreiten.
178. An Matzdorff.
[Kopie][Weimar, 29. Dez. 1798]20
Immer sei auf dem Flusse Ihres Lebens das glänzende Bild der höhern Sonne und alle Wellen, die er wirft, sollen die Blumen des Ufers nachmalen.
179. An Christian Otto.
Weimar d. 12. Dec. 98.25
Lieber Otto! Ruhig sich hinsezen und seinen Brief wegschreiben, ohne das Spornstechen der Post und Nothwendigkeit, ist ein Ver- gnügen, das ich mir, wenn ich dürfte, von Morgen bis Abend auf- tischte. Es kan sein, daß sich dieser Brief erst mit dem Jahre endigt.
Mein Leben hier hat Leben und dauert so fort. Ich gewinne die30 gutmüthige Amalie immer lieber, die gern die Freuden austheilt, die das Osterlam wegfrisset. Neulich rief sie mich, Böttiger -- auch
175. An Eliſa Feind in Leipzig.
[Kopie][Weimar, 24. Dez. 1798]
Einer, der eine neue Stadt bezieht, hat es ſchlim, weil er den Zurükbleibenden von nichts zu ſchreiben hat als von ſich; denn was intereſſiert ſie ſeine neue Stadt? Sie hingegen können ihm zugleich von5 der alten und von ſich etwas ſagen. — Ferne Glükwünſche ſind ſo warm als nahe.
[151]176. An Charlotte von Kalb in Weimar.
[Kopie][Weimar, Ende Dez. 1798]
[Daß ich meine] Lippen auf die Wunden deines Herzens legen10 [werde. Sei ſtil, liebe Seele! Werde ruhig und hoffend!]
177. An Emilie von Berlepſch in Leipzig.
[Kopie][Weimar, 29. Dez. 1798]
Fein- und wund-nervig — Ich werfe Aſche auf meine Flammen, weil andere die von Morgen bis Abend fortglühende Lebenswärme15 für Feuerwerk zu [ihren] Ehren halten. — Sie handeln als gäb’ es lauter Ebenbilder und denken als gäb’ es kaum Kopien. Ich wil nur Ihre Schmerzen, nicht Ihre Meinungen beſtreiten.
178. An Matzdorff.
[Kopie][Weimar, 29. Dez. 1798]20
Immer ſei auf dem Fluſſe Ihres Lebens das glänzende Bild der höhern Sonne und alle Wellen, die er wirft, ſollen die Blumen des Ufers nachmalen.
179. An Chriſtian Otto.
Weimar d. 12. Dec. 98.25
Lieber Otto! Ruhig ſich hinſezen und ſeinen Brief wegſchreiben, ohne das Spornſtechen der Poſt und Nothwendigkeit, iſt ein Ver- gnügen, das ich mir, wenn ich dürfte, von Morgen bis Abend auf- tiſchte. Es kan ſein, daß ſich dieſer Brief erſt mit dem Jahre endigt.
Mein Leben hier hat Leben und dauert ſo fort. Ich gewinne die30 gutmüthige Amalie immer lieber, die gern die Freuden austheilt, die das Oſterlam wegfriſſet. Neulich rief ſie mich, Böttiger — auch
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175. An Eliſa Feind in Leipzig.
[Weimar, 24. Dez. 1798]
Einer, der eine neue Stadt bezieht, hat es ſchlim, weil er den
Zurükbleibenden von nichts zu ſchreiben hat als von ſich; denn was
intereſſiert ſie ſeine neue Stadt? Sie hingegen können ihm zugleich von 5
der alten und von ſich etwas ſagen. — Ferne Glükwünſche ſind ſo warm
als nahe.
176. An Charlotte von Kalb in Weimar.
[Weimar, Ende Dez. 1798]
[Daß ich meine] Lippen auf die Wunden deines Herzens legen 10
[werde. Sei ſtil, liebe Seele! Werde ruhig und hoffend!]
177. An Emilie von Berlepſch in Leipzig.
[Weimar, 29. Dez. 1798]
Fein- und wund-nervig — Ich werfe Aſche auf meine Flammen,
weil andere die von Morgen bis Abend fortglühende Lebenswärme 15
für Feuerwerk zu [ihren] Ehren halten. — Sie handeln als gäb’ es
lauter Ebenbilder und denken als gäb’ es kaum Kopien. Ich wil nur
Ihre Schmerzen, nicht Ihre Meinungen beſtreiten.
178. An Matzdorff.
[Weimar, 29. Dez. 1798] 20
Immer ſei auf dem Fluſſe Ihres Lebens das glänzende Bild der
höhern Sonne und alle Wellen, die er wirft, ſollen die Blumen des
Ufers nachmalen.
179. An Chriſtian Otto.
Weimar d. 12. Dec. 98. 25
Lieber Otto! Ruhig ſich hinſezen und ſeinen Brief wegſchreiben,
ohne das Spornſtechen der Poſt und Nothwendigkeit, iſt ein Ver-
gnügen, das ich mir, wenn ich dürfte, von Morgen bis Abend auf-
tiſchte. Es kan ſein, daß ſich dieſer Brief erſt mit dem Jahre endigt.
Mein Leben hier hat Leben und dauert ſo fort. Ich gewinne die 30
gutmüthige Amalie immer lieber, die gern die Freuden austheilt,
die das Oſterlam wegfriſſet. Neulich rief ſie mich, Böttiger — auch
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
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Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/146>, abgerufen am 28.07.2024.
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