Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.Frühling säh ich bei dir dein Werk mit Brillen und Mikroskopen durch Lies Adele de Senange und den diable amoureux; zumal jene her- Ich hatte seit 3 Tagen -- gerade nach dem Ende meines Buchs,5 *) In Karolinens Brief sagt' ich einen andern Tag; aber Chronologen, die [mic]h hier vereinigen wollen, dürfen [nu]r bedenken, daß ich vieles 2mal mache. **) Böttiger, alles lobend, lobte mich auch darüber, "wir denken alle dasselbe,
aber es hats ihm noch keiner gesagt". Frühling ſäh ich bei dir dein Werk mit Brillen und Mikroſkopen durch Lies Adele de Senange und den diable amoureux; zumal jene her- Ich hatte ſeit 3 Tagen — gerade nach dem Ende meines Buchs,5 *) In Karolinens Brief ſagt’ ich einen andern Tag; aber Chronologen, die [mic]h hier vereinigen wollen, dürfen [nu]r bedenken, daß ich vieles 2mal mache. **) Böttiger, alles lobend, lobte mich auch darüber, „wir denken alle daſſelbe,
aber es hats ihm noch keiner geſagt“. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0161" n="151"/> Frühling ſäh ich bei dir dein Werk mit Brillen und Mikroſkopen durch<lb/> u. ſ. f. — Sei vernünftig!</p><lb/> <p>Lies <hi rendition="#aq">Adele de Senange</hi> und den <hi rendition="#aq">diable amoureux;</hi> zumal jene her-<lb/> liche.</p><lb/> <p>Ich hatte ſeit 3 Tagen — gerade nach dem Ende meines Buchs,<lb n="5"/> wo ich meinen Tod <note place="foot" n="*)">In Karolinens Brief ſagt’ ich einen andern Tag; aber Chronologen, die<lb/> [mic]h hier vereinigen wollen, dürfen [nu]r bedenken, daß ich vieles 2mal mache.</note> beſchrieb — troz der Muſkulargeſundheit ſtarken<note place="right"><ref target="1922_Bd3_167">[167]</ref></note><lb n="35"/> Nervenſchwindel; [ich] habe mich geheilt. Es kam vom Wetterglas<lb/> — Arbeiten — Weintrinken und Diſputieren abends. Noch in keinem<lb/> Jahr ſtrit und trank ich ſo viel. Mit Schiller neulich bis um 12 Uhr<lb/> Nachts; und mit ihm und Göthe bei der <hi rendition="#aq">Kalb.</hi> Ich bin jezt keker als<lb n="10"/> je, blos durch das Errathen des fremden Haltens von mir, nicht durch<lb/> mein eignes. Göthen ſagt ich etwas über das hieſige Tragiſche, <note place="foot" n="**)">Böttiger, alles lobend, lobte mich auch darüber, „wir denken alle daſſelbe,<lb/> aber es hats ihm noch keiner geſagt“.</note><lb/> worüber er empfindlich ¼ Stunde den Teller drehte (ich hatte Cham-<lb/> pagner und einen Vulkan im Kopf) Aber Wieland — der wieder da<lb/> war und deſſen Gegenwart mich durch das Simultaneum der Einladung<lb n="15"/> alzeit aufzehrt — ſagte, „ſo wärs recht und ich gew[änne] ihn da-<lb/> „durch — wir w[ürden] noch die beſten Freunde — [er] hat mit<lb/> „Reſpekt von [mir] geſprochen.“ Als ich [zu] einem Diner bei Göthe<lb/> geladen war Schiller zu Ehren, nebſt Herder und andern, der ihm aber<lb/> nicht ein Ölblat, geſchweige einen Oelzweig des Friedens, den Göthe<lb n="20"/> gern ſchlöſſe, reichte — wurd’ ich und <hi rendition="#aq">Herder</hi> zu Göthes Einfaſſung<lb/> gemacht, ich der linke Rahmen und er der rechte; hier ſagte mir Göthe,<lb/> der nur almählig warm werden wil — ſo iſt er gegen Schiller ſo kalt<lb/> wie gegen jeden —: „er habe ſeinen Werther 10 Jahre nach deſſen<lb/> „Schöpfung nicht geleſen; und ſo alles: wer wird ſich gern eines<lb n="25"/> „vorübergegangnen Affekts, des Zorns, der Liebe ꝛc. erinnern?“ Und<lb/> ſo ekelt Herder auch vor ſeinen Werken. So etwas ſolte [den] Selbſt-<lb/> Gözendienern von Litteratoren und Rektoren geſagt werden, damit ſie,<lb/> wenn ſolche Männer demüthig ſind, wenigſtens — nichts wären. Ich<lb/> ſchämte mich vor ihnen, nicht ſo zu ſein, ſagte ihnen aber auch, daß<lb n="30"/> mir meine Sachen zwar ſogleich nach dem Abdruk ungemein gefielen<lb/> — ich kente keine beſſere Lektüre —, aber auch vor demſelben deſto<lb/> ſchlechter, weil ich da das Ideal noch nicht vergeſſen hätte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [151/0161]
Frühling ſäh ich bei dir dein Werk mit Brillen und Mikroſkopen durch
u. ſ. f. — Sei vernünftig!
Lies Adele de Senange und den diable amoureux; zumal jene her-
liche.
Ich hatte ſeit 3 Tagen — gerade nach dem Ende meines Buchs, 5
wo ich meinen Tod *) beſchrieb — troz der Muſkulargeſundheit ſtarken 35
Nervenſchwindel; [ich] habe mich geheilt. Es kam vom Wetterglas
— Arbeiten — Weintrinken und Diſputieren abends. Noch in keinem
Jahr ſtrit und trank ich ſo viel. Mit Schiller neulich bis um 12 Uhr
Nachts; und mit ihm und Göthe bei der Kalb. Ich bin jezt keker als 10
je, blos durch das Errathen des fremden Haltens von mir, nicht durch
mein eignes. Göthen ſagt ich etwas über das hieſige Tragiſche, **)
worüber er empfindlich ¼ Stunde den Teller drehte (ich hatte Cham-
pagner und einen Vulkan im Kopf) Aber Wieland — der wieder da
war und deſſen Gegenwart mich durch das Simultaneum der Einladung 15
alzeit aufzehrt — ſagte, „ſo wärs recht und ich gew[änne] ihn da-
„durch — wir w[ürden] noch die beſten Freunde — [er] hat mit
„Reſpekt von [mir] geſprochen.“ Als ich [zu] einem Diner bei Göthe
geladen war Schiller zu Ehren, nebſt Herder und andern, der ihm aber
nicht ein Ölblat, geſchweige einen Oelzweig des Friedens, den Göthe 20
gern ſchlöſſe, reichte — wurd’ ich und Herder zu Göthes Einfaſſung
gemacht, ich der linke Rahmen und er der rechte; hier ſagte mir Göthe,
der nur almählig warm werden wil — ſo iſt er gegen Schiller ſo kalt
wie gegen jeden —: „er habe ſeinen Werther 10 Jahre nach deſſen
„Schöpfung nicht geleſen; und ſo alles: wer wird ſich gern eines 25
„vorübergegangnen Affekts, des Zorns, der Liebe ꝛc. erinnern?“ Und
ſo ekelt Herder auch vor ſeinen Werken. So etwas ſolte [den] Selbſt-
Gözendienern von Litteratoren und Rektoren geſagt werden, damit ſie,
wenn ſolche Männer demüthig ſind, wenigſtens — nichts wären. Ich
ſchämte mich vor ihnen, nicht ſo zu ſein, ſagte ihnen aber auch, daß 30
mir meine Sachen zwar ſogleich nach dem Abdruk ungemein gefielen
— ich kente keine beſſere Lektüre —, aber auch vor demſelben deſto
ſchlechter, weil ich da das Ideal noch nicht vergeſſen hätte.
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*) In Karolinens Brief ſagt’ ich einen andern Tag; aber Chronologen, die
[mic]h hier vereinigen wollen, dürfen [nu]r bedenken, daß ich vieles 2mal mache.
**) Böttiger, alles lobend, lobte mich auch darüber, „wir denken alle daſſelbe,
aber es hats ihm noch keiner geſagt“.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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