als Zeichen des Herzens zu meiden. -- (Ich kan bei der Menge der Sachen kein Wort weder auf die Wage deines Argwohns noch der Sprache legen).
"Meistens wars eine Bemerkung über das menschliche Gemüth etc." und nun deine Beschreibung, wie du vergeblich ihre Bestätigung in5 deinen Erfahrungen suchtest etc. Davon errieth [ich] nichts, sonst hätt' ichs nie gethan: ich drang lebhaft oft auf dein Ja, weil meines auch daran hieng. Vom obigen Herablassen hat mein Herz wie mein Ver- stand keinen Sin, nie einen Gedanken: ach wie kont' ich mir eine solche Vorstellung von mir vorstellen? Ach ja wohl war die körperliche Tren-10 nung ein Glük und Bund bei einem solchen ewigen schneidenden und ungeheuer fortwachsenden Argwohn! -- oder doch stat der Trennung ein Brief wie deiner.
"Wie die Walfahrter nach dem gelobten Lande etc." o welche harte Verdrehung des Ergusses der Liebe und Pflicht!15
"Das Verbergen des Abschieds" etc. Das begreifst du nicht? Ich weis nicht, ob du von der fürchterl[ichen] zerstörenden Empfindlichkeit, die die Anstrengungen der Phantasie zurüklassen, und von ihrer 2fachen Äusserung genug weist. Was ich sehe und nicht denke, ertrag ich kalt und wärs ein Gestorbner. Wenn aber die Gestalt aus dem Auge20 in die Phantasie rükt, die die Schlüssel meines Herzens hat: dan wird mir die Erweichung so zerreissend, daß ich mit Leichtsin stat alles Trostes blos suche, nicht daran zu denken. Ich müst[e] hier Bogen schreiben. Früher liebt' ich den Sturm des Gefühls -- weil er eben mehr ein Zephyr war -- aber jezt nicht so sehr, weil er so viel abbricht.25 [16]Ich frage nach wenig in der Welt viel mehr, die ich ausgekostet; und also auch nach dem Schmerz weniger als nach den körperlichen Folgen desselben: und doch ertrüg' ich jenen gern (denn ganz bitter ist er nie, sondern die Liebe darin macht ihn süs) aber ich versag' es mir wenn er andern schadet. Ich erlaubte mir nie (nämlich zulezt) diesen tragischen30 Genus bei Car[oline] (früher that ichs bei andern, jezt hat mich mein Titan aufgehelt); und jeden Abend wich ich ihren Rührungen scherz- haft aus, die ich sonst so gern vermehrte. So stieg am lezten Sontag (am Tauftag oben bei dir) eine ganze Welt vol Thränen in mir auf, als ich dich anschauete (und ich konte daher dich zulezt nie mehr lange35 ansehen) -- und ich sah an deinen Minen ähnliche Gedanken -- ich erstikte sie und gieng lieber fort. Ich tadle jezt sogar an dir (und an
als Zeichen des Herzens zu meiden. — (Ich kan bei der Menge der Sachen kein Wort weder auf die Wage deines Argwohns noch der Sprache legen).
„Meiſtens wars eine Bemerkung über das menſchliche Gemüth ꝛc.“ und nun deine Beſchreibung, wie du vergeblich ihre Beſtätigung in5 deinen Erfahrungen ſuchteſt ꝛc. Davon errieth [ich] nichts, ſonſt hätt’ ichs nie gethan: ich drang lebhaft oft auf dein Ja, weil meines auch daran hieng. Vom obigen Herablaſſen hat mein Herz wie mein Ver- ſtand keinen Sin, nie einen Gedanken: ach wie kont’ ich mir eine ſolche Vorſtellung von mir vorſtellen? Ach ja wohl war die körperliche Tren-10 nung ein Glük und Bund bei einem ſolchen ewigen ſchneidenden und ungeheuer fortwachſenden Argwohn! — oder doch ſtat der Trennung ein Brief wie deiner.
„Wie die Walfahrter nach dem gelobten Lande ꝛc.“ o welche harte Verdrehung des Erguſſes der Liebe und Pflicht!15
„Das Verbergen des Abſchieds“ ꝛc. Das begreifſt du nicht? Ich weis nicht, ob du von der fürchterl[ichen] zerſtörenden Empfindlichkeit, die die Anſtrengungen der Phantaſie zurüklaſſen, und von ihrer 2fachen Äuſſerung genug weiſt. Was ich ſehe und nicht denke, ertrag ich kalt und wärs ein Geſtorbner. Wenn aber die Geſtalt aus dem Auge20 in die Phantaſie rükt, die die Schlüſſel meines Herzens hat: dan wird mir die Erweichung ſo zerreiſſend, daß ich mit Leichtſin ſtat alles Troſtes blos ſuche, nicht daran zu denken. Ich müſt[e] hier Bogen ſchreiben. Früher liebt’ ich den Sturm des Gefühls — weil er eben mehr ein Zephyr war — aber jezt nicht ſo ſehr, weil er ſo viel abbricht.25 [16]Ich frage nach wenig in der Welt viel mehr, die ich ausgekoſtet; und alſo auch nach dem Schmerz weniger als nach den körperlichen Folgen deſſelben: und doch ertrüg’ ich jenen gern (denn ganz bitter iſt er nie, ſondern die Liebe darin macht ihn ſüs) aber ich verſag’ es mir wenn er andern ſchadet. Ich erlaubte mir nie (nämlich zulezt) dieſen tragiſchen30 Genus bei Car[oline] (früher that ichs bei andern, jezt hat mich mein Titan aufgehelt); und jeden Abend wich ich ihren Rührungen ſcherz- haft aus, die ich ſonſt ſo gern vermehrte. So ſtieg am lezten Sontag (am Tauftag oben bei dir) eine ganze Welt vol Thränen in mir auf, als ich dich anſchauete (und ich konte daher dich zulezt nie mehr lange35 anſehen) — und ich ſah an deinen Minen ähnliche Gedanken — ich erſtikte ſie und gieng lieber fort. Ich tadle jezt ſogar an dir (und an
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als Zeichen des Herzens zu meiden. — (Ich kan bei der Menge der
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und nun deine Beſchreibung, wie du vergeblich ihre Beſtätigung in 5
deinen Erfahrungen ſuchteſt ꝛc. Davon errieth [ich] nichts, ſonſt hätt’
ichs nie gethan: ich drang lebhaft oft auf dein Ja, weil meines auch
daran hieng. Vom obigen Herablaſſen hat mein Herz wie mein Ver-
ſtand keinen Sin, nie einen Gedanken: ach wie kont’ ich mir eine ſolche
Vorſtellung von mir vorſtellen? Ach ja wohl war die körperliche Tren- 10
nung ein Glük und Bund bei einem ſolchen ewigen ſchneidenden und
ungeheuer fortwachſenden Argwohn! — oder doch ſtat der Trennung
ein Brief wie deiner.
„Wie die Walfahrter nach dem gelobten Lande ꝛc.“ o welche harte
Verdrehung des Erguſſes der Liebe und Pflicht! 15
„Das Verbergen des Abſchieds“ ꝛc. Das begreifſt du nicht? Ich
weis nicht, ob du von der fürchterl[ichen] zerſtörenden Empfindlichkeit,
die die Anſtrengungen der Phantaſie zurüklaſſen, und von ihrer
2fachen Äuſſerung genug weiſt. Was ich ſehe und nicht denke, ertrag
ich kalt und wärs ein Geſtorbner. Wenn aber die Geſtalt aus dem Auge 20
in die Phantaſie rükt, die die Schlüſſel meines Herzens hat: dan wird
mir die Erweichung ſo zerreiſſend, daß ich mit Leichtſin ſtat alles
Troſtes blos ſuche, nicht daran zu denken. Ich müſt[e] hier Bogen
ſchreiben. Früher liebt’ ich den Sturm des Gefühls — weil er eben
mehr ein Zephyr war — aber jezt nicht ſo ſehr, weil er ſo viel abbricht. 25
Ich frage nach wenig in der Welt viel mehr, die ich ausgekoſtet; und
alſo auch nach dem Schmerz weniger als nach den körperlichen Folgen
deſſelben: und doch ertrüg’ ich jenen gern (denn ganz bitter iſt er nie,
ſondern die Liebe darin macht ihn ſüs) aber ich verſag’ es mir wenn er
andern ſchadet. Ich erlaubte mir nie (nämlich zulezt) dieſen tragiſchen 30
Genus bei Car[oline] (früher that ichs bei andern, jezt hat mich mein
Titan aufgehelt); und jeden Abend wich ich ihren Rührungen ſcherz-
haft aus, die ich ſonſt ſo gern vermehrte. So ſtieg am lezten Sontag
(am Tauftag oben bei dir) eine ganze Welt vol Thränen in mir auf,
als ich dich anſchauete (und ich konte daher dich zulezt nie mehr lange 35
anſehen) — und ich ſah an deinen Minen ähnliche Gedanken — ich
erſtikte ſie und gieng lieber fort. Ich tadle jezt ſogar an dir (und an
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/19>, abgerufen am 09.11.2024.
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