Schwester, die Fürstin von Solms, und eben so gut -- und die dritte Schwester, die Fürstin von Thurn und Taxis, welche beide mit mir an einem Tage mit den gesunden frohen Kindern ankamen (Erlasse mir die Männer!) Mit der von Solms wolt' ich in einem Kohlenbergwerk hausen, dürft ich ihren Galan da vorstellen. Diese Wesen lieben und5 lesen mich recht herzlich und wollen nur, daß ich noch 8 Tage bleibe, um die erhaben-schöne 4te Schwester, die Königin von Preussen zu sehen; Gott wird es aber verhüten. Ich bin auf Mittag und Abends für immer gebeten. Der Herzog, (ein wenig borniert, aber gutmüthig) machte anfangs nicht viel Fait von mir; aber jezt ist er mir recht gut,10 und er merkte an, daß ich mir zu wenig Spargel genommen und gab mir ausser diesem noch die ersten Hirschkolben zu essen, die nicht sonder- lich sind. Gestern hab' ich vor dem Hofe -- phantasiert. Du erschrikst; aber ich habe seit 11/2 Jahren phantasiert vor Gleim, Weisse, Herder, vor der Herzogin Mutter passimque. -- Auch hier hab ich eine an-15 ständige Brüder- und Schwestergemeinde; und kan der Zinzendorf sein. -- Nein, es wäre Undank, wenn ich nicht die Liebe meiner Deutschen für den reichsten Lohn meiner Federfechterei hielte.
Ich studiere an diesem Höfgen doch die Kurialien mehr ein für meine Biographien: Wenn alles aus den Vorzimmern in den Speise-20 saal zieht: so schreitet das kurze Kammerjunker- und sonstige Volk (und ich mithin mit) wie die Schule vor der Bahre voraus und die fürstlichen gepaarten Personen schleifen nach. Wieland aber (das erzählt' er mir selber immer mit Spas über seine Unwissenheit) gedachte anfangs höflich zu sein und gieng nicht voran, sondern fügte sich zum Nachtrab25 und kam so zugleich mit den Fürsten-Paaren an.
Übrigens was ich mir durch den Hof an Gasthofs-Essen und Trinken erspare, das trägt der Bader wieder fort, weil ich den ver- damten Kin-Igel öfter scheeren lassen mus.
[214]Hild[burghausen] den 26 Mai.30
Ich bin schon über 5 Sansculotiden-Tage (mehr) meiner Rechnung hier. Karoline bat mich etwas mitzunehmen; am Ende wars ein Beutel an Herder, dessen ersten Pol sie erst zu stricken anfieng, da sie die Bitte that. Was hätt' ich dir nicht über dieses originelle Wesen zu sagen ...35
Schweſter, die Fürſtin von Solms, und eben ſo gut — und die dritte Schweſter, die Fürſtin von Thurn und Taxis, welche beide mit mir an einem Tage mit den geſunden frohen Kindern ankamen (Erlaſſe mir die Männer!) Mit der von Solms wolt’ ich in einem Kohlenbergwerk hauſen, dürft ich ihren Galan da vorſtellen. Dieſe Weſen lieben und5 leſen mich recht herzlich und wollen nur, daß ich noch 8 Tage bleibe, um die erhaben-ſchöne 4te Schweſter, die Königin von Preuſſen zu ſehen; Gott wird es aber verhüten. Ich bin auf Mittag und Abends für immer gebeten. Der Herzog, (ein wenig borniert, aber gutmüthig) machte anfangs nicht viel Fait von mir; aber jezt iſt er mir recht gut,10 und er merkte an, daß ich mir zu wenig Spargel genommen und gab mir auſſer dieſem noch die erſten Hirſchkolben zu eſſen, die nicht ſonder- lich ſind. Geſtern hab’ ich vor dem Hofe — phantaſiert. Du erſchrikſt; aber ich habe ſeit 1½ Jahren phantaſiert vor Gleim, Weiſſe, Herder, vor der Herzogin Mutter passimque. — Auch hier hab ich eine an-15 ſtändige Brüder- und Schweſtergemeinde; und kan der Zinzendorf ſein. — Nein, es wäre Undank, wenn ich nicht die Liebe meiner Deutſchen für den reichſten Lohn meiner Federfechterei hielte.
Ich ſtudiere an dieſem Höfgen doch die Kurialien mehr ein für meine Biographien: Wenn alles aus den Vorzimmern in den Speiſe-20 ſaal zieht: ſo ſchreitet das kurze Kammerjunker- und ſonſtige Volk (und ich mithin mit) wie die Schule vor der Bahre voraus und die fürſtlichen gepaarten Perſonen ſchleifen nach. Wieland aber (das erzählt’ er mir ſelber immer mit Spas über ſeine Unwiſſenheit) gedachte anfangs höflich zu ſein und gieng nicht voran, ſondern fügte ſich zum Nachtrab25 und kam ſo zugleich mit den Fürſten-Paaren an.
Übrigens was ich mir durch den Hof an Gaſthofs-Eſſen und Trinken erſpare, das trägt der Bader wieder fort, weil ich den ver- damten Kin-Igel öfter ſcheeren laſſen mus.
[214]Hild[burghausen] den 26 Mai.30
Ich bin ſchon über 5 Sansculotiden-Tage (mehr) meiner Rechnung hier. Karoline bat mich etwas mitzunehmen; am Ende wars ein Beutel an Herder, deſſen erſten Pol ſie erſt zu ſtricken anfieng, da ſie die Bitte that. Was hätt’ ich dir nicht über dieſes originelle Weſen zu ſagen ...35
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Schweſter, die Fürſtin von Solms, und eben ſo gut — und die dritte
Schweſter, die Fürſtin von Thurn und Taxis, welche beide mit mir an
einem Tage mit den geſunden frohen Kindern ankamen (Erlaſſe mir
die Männer!) Mit der von Solms wolt’ ich in einem Kohlenbergwerk
hauſen, dürft ich ihren Galan da vorſtellen. Dieſe Weſen lieben und 5
leſen mich recht herzlich und wollen nur, daß ich noch 8 Tage bleibe,
um die erhaben-ſchöne 4te Schweſter, die Königin von Preuſſen zu
ſehen; Gott wird es aber verhüten. Ich bin auf Mittag und Abends
für immer gebeten. Der Herzog, (ein wenig borniert, aber gutmüthig)
machte anfangs nicht viel Fait von mir; aber jezt iſt er mir recht gut, 10
und er merkte an, daß ich mir zu wenig Spargel genommen und gab
mir auſſer dieſem noch die erſten Hirſchkolben zu eſſen, die nicht ſonder-
lich ſind. Geſtern hab’ ich vor dem Hofe — phantaſiert. Du erſchrikſt;
aber ich habe ſeit 1½ Jahren phantaſiert vor Gleim, Weiſſe, Herder,
vor der Herzogin Mutter passimque. — Auch hier hab ich eine an- 15
ſtändige Brüder- und Schweſtergemeinde; und kan der Zinzendorf ſein.
— Nein, es wäre Undank, wenn ich nicht die Liebe meiner Deutſchen
für den reichſten Lohn meiner Federfechterei hielte.
Ich ſtudiere an dieſem Höfgen doch die Kurialien mehr ein für
meine Biographien: Wenn alles aus den Vorzimmern in den Speiſe- 20
ſaal zieht: ſo ſchreitet das kurze Kammerjunker- und ſonſtige Volk (und
ich mithin mit) wie die Schule vor der Bahre voraus und die fürſtlichen
gepaarten Perſonen ſchleifen nach. Wieland aber (das erzählt’ er mir
ſelber immer mit Spas über ſeine Unwiſſenheit) gedachte anfangs
höflich zu ſein und gieng nicht voran, ſondern fügte ſich zum Nachtrab 25
und kam ſo zugleich mit den Fürſten-Paaren an.
Übrigens was ich mir durch den Hof an Gaſthofs-Eſſen und
Trinken erſpare, das trägt der Bader wieder fort, weil ich den ver-
damten Kin-Igel öfter ſcheeren laſſen mus.
Hild[burghausen] den 26 Mai. 30
Ich bin ſchon über 5 Sansculotiden-Tage (mehr) meiner Rechnung
hier. Karoline bat mich etwas mitzunehmen; am Ende wars ein
Beutel an Herder, deſſen erſten Pol ſie erſt zu ſtricken anfieng, da ſie
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zu ſagen ... 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/209>, abgerufen am 22.11.2024.
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