einen langen Brief verspreche und dir in langer Zeit nichts -- 1800 wird unter uns allen keinen Stein auf dem andern lassen sondern alles besser legen. Was deinen Regierungsrath anlangt, so soltest du doch bei Gott deiner künftigen Freiheit wegen und wegen etc. etc. etc. aus dem Qualmigen Hofe heraus, wo du Schimmel ansezen must messerhoch.5 Höre, ich lasse den Gedanken mehrmals sich zu mir auf den Schoos sezen, daß ich mit C. ja nach Bayreuth ziehen könte und du mit --[280] Höre, höre! Die Gegend und das Bier und die Wohlfeile ziehen; so sehr das enge Volk abstösset. Ich finde kein Weimar nirgends wieder (ausser in Berlin) und nicht die Ehre wie hier; und wenn die Ehe nicht10 den Ehrgeiz beschnitte: dürft' ich nicht nach dem Vaterland. -- Gestern eh' ich auf einig[e] Stunden auf den Bal gieng, hatt' ich an der Thüre mit den alten Herders durch drei Worte eine Rührung, daß ich kaum mehr hingehen konte. Denn als ich gesagt hatte: "C. gehört mir" sanken die 2 Menschen mit Thränen an mein Herz. Nie sah ich15 ihn verklärter, brennender, froher, gleichsam als wenn alle Räthsel und Wünsche den Aufschluß gefunden hätten. Ach du Guter, der helle Morgen, der jezt draussen leuchtet, ziehe auf allen Seiten strahlend in dein uneigennüziges Herz.
Schreibe mir von meinem Bruder. Sende mir sobald möglich alles.20 Danke Christ[oph] für seine Sorge.
Feiere dein Wiegenfest unter hellen Gestirnen. Ich werde an dich denken und mein Geist wird unter eueren Wünschen und Freuden sein.
R.25
N. S. d. 29. Nov.
Die Farbe des Briefs wird dir seinen Aufenthalt im Wirthshaus sagen, der auch unbelebten Wesen keine gute Aussenseite giebt. Gestern hab' ich sehr auf die Rükkehr meines "Wochenblattes" aufgesehen. Die Eile zum 2 B. wird dem Kritiker leicht auffallen; und eben darum30 hindert sie die deinige. Sage etwas über Kieslings Roman und schreibe ja bald. Adieu!
C. freuet sich immerfort auf dein Blätgen.
[Adr.] H. Christian Otto, Gelehrten. Hof. Mit einem Fasse und Buch.35
17 Jean Paul Briefe. III.
einen langen Brief verſpreche und dir in langer Zeit nichts — 1800 wird unter uns allen keinen Stein auf dem andern laſſen ſondern alles beſſer legen. Was deinen Regierungsrath anlangt, ſo ſolteſt du doch bei Gott deiner künftigen Freiheit wegen und wegen ꝛc. ꝛc. ꝛc. aus dem Qualmigen Hofe heraus, wo du Schimmel anſezen muſt meſſerhoch.5 Höre, ich laſſe den Gedanken mehrmals ſich zu mir auf den Schoos ſezen, daß ich mit C. ja nach Bayreuth ziehen könte und du mit —[280] Höre, höre! Die Gegend und das Bier und die Wohlfeile ziehen; ſo ſehr das enge Volk abſtöſſet. Ich finde kein Weimar nirgends wieder (auſſer in Berlin) und nicht die Ehre wie hier; und wenn die Ehe nicht10 den Ehrgeiz beſchnitte: dürft’ ich nicht nach dem Vaterland. — Geſtern eh’ ich auf einig[e] Stunden auf den Bal gieng, hatt’ ich an der Thüre mit den alten Herders durch drei Worte eine Rührung, daß ich kaum mehr hingehen konte. Denn als ich geſagt hatte: „C. gehört mir“ ſanken die 2 Menſchen mit Thränen an mein Herz. Nie ſah ich15 ihn verklärter, brennender, froher, gleichſam als wenn alle Räthſel und Wünſche den Aufſchluß gefunden hätten. Ach du Guter, der helle Morgen, der jezt drauſſen leuchtet, ziehe auf allen Seiten ſtrahlend in dein uneigennüziges Herz.
Schreibe mir von meinem Bruder. Sende mir ſobald möglich alles.20 Danke Chriſt[oph] für ſeine Sorge.
Feiere dein Wiegenfeſt unter hellen Geſtirnen. Ich werde an dich denken und mein Geiſt wird unter eueren Wünſchen und Freuden ſein.
R.25
N. S. d. 29. Nov.
Die Farbe des Briefs wird dir ſeinen Aufenthalt im Wirthshaus ſagen, der auch unbelebten Weſen keine gute Auſſenſeite giebt. Geſtern hab’ ich ſehr auf die Rükkehr meines „Wochenblattes“ aufgeſehen. Die Eile zum 2 B. wird dem Kritiker leicht auffallen; und eben darum30 hindert ſie die deinige. Sage etwas über Kieslings Roman und ſchreibe ja bald. Adieu!
C. freuet ſich immerfort auf dein Blätgen.
[Adr.] H. Chriſtian Otto, Gelehrten. Hof. Mit einem Faſſe und Buch.35
17 Jean Paul Briefe. III.
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[257/0273]
einen langen Brief verſpreche und dir in langer Zeit nichts — 1800
wird unter uns allen keinen Stein auf dem andern laſſen ſondern alles
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bei Gott deiner künftigen Freiheit wegen und wegen ꝛc. ꝛc. ꝛc. aus dem
Qualmigen Hofe heraus, wo du Schimmel anſezen muſt meſſerhoch. 5
Höre, ich laſſe den Gedanken mehrmals ſich zu mir auf den Schoos
ſezen, daß ich mit C. ja nach Bayreuth ziehen könte und du mit —
Höre, höre! Die Gegend und das Bier und die Wohlfeile ziehen; ſo
ſehr das enge Volk abſtöſſet. Ich finde kein Weimar nirgends wieder
(auſſer in Berlin) und nicht die Ehre wie hier; und wenn die Ehe nicht 10
den Ehrgeiz beſchnitte: dürft’ ich nicht nach dem Vaterland. —
Geſtern eh’ ich auf einig[e] Stunden auf den Bal gieng, hatt’ ich an
der Thüre mit den alten Herders durch drei Worte eine Rührung, daß
ich kaum mehr hingehen konte. Denn als ich geſagt hatte: „C. gehört
mir“ ſanken die 2 Menſchen mit Thränen an mein Herz. Nie ſah ich 15
ihn verklärter, brennender, froher, gleichſam als wenn alle Räthſel
und Wünſche den Aufſchluß gefunden hätten. Ach du Guter, der helle
Morgen, der jezt drauſſen leuchtet, ziehe auf allen Seiten ſtrahlend in
dein uneigennüziges Herz.
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Schreibe mir von meinem Bruder. Sende mir ſobald möglich alles. 20
Danke Chriſt[oph] für ſeine Sorge.
Feiere dein Wiegenfeſt unter hellen Geſtirnen. Ich werde an dich
denken und mein Geiſt wird unter eueren Wünſchen und Freuden
ſein.
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N. S. d. 29. Nov.
Die Farbe des Briefs wird dir ſeinen Aufenthalt im Wirthshaus
ſagen, der auch unbelebten Weſen keine gute Auſſenſeite giebt. Geſtern
hab’ ich ſehr auf die Rükkehr meines „Wochenblattes“ aufgeſehen.
Die Eile zum 2 B. wird dem Kritiker leicht auffallen; und eben darum 30
hindert ſie die deinige. Sage etwas über Kieslings Roman und ſchreibe
ja bald. Adieu!
C. freuet ſich immerfort auf dein Blätgen.
[Adr.] H. Chriſtian Otto, Gelehrten. Hof. Mit einem Faſſe und
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17 Jean Paul Briefe. III.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/273>, abgerufen am 27.07.2024.
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