zwei Vormittage, welche in meiner Seele, wie zwei Landschafts- gemälde von Claude Lorrain glühen, noch einmal zu erleben und auf ihre Fortsezung und Wiederholung mich innig zu freuen. -- Nim dieses Blat nur als Vorrede zu einem längern und küsse die Geliebte und vergis nicht, daß deine Briefe mir deine Abwesenheit ertragen helfen5 müssen.
Ewig dein J. P. F. Richter
482. An Christian Otto in Bayreuth.10
Berlin. d. 13 Jun. 1800 [Freitag].
Endlich komm' ich zu dir, vol wie der Wolkenhimmel, aber wie er unfähig meine Wassermasse von mir zu geben. Diese alte Klage ist diesmal die wahreste. Berlin warf mir ein oder ein Paar Universa in den Kopf. Seit 2 1/3 Wochen siz ich hier, und mus noch die folgende[371]15 bleiben, weil die Schauspieler Ifland meinetwegen den Wallen- stein geben. Noch in keiner Stadt wurd' ich mit dieser Latrie auf- genommen als hier, und von einem solchen Heer, und ich kan nun nach dieser Erhebung, künftig nur auf der Stufe, nicht auf der Spize des Thrones sizen.20
Potsdam mit seinen grossen Bau-Cubis und seinen herlichen Wasserscheiben macht einen auf die Stadt begierig, von der es sol übertroffen werden; man glaubt es gar nicht.
Weimar d. 29. Juny.
Gestern kam ich an; und fand deinen Brief, Geliebtester. -- Zuerst25 nach Berlin! Bei Matzdorf, dessen Eltern und Frau vortreflich sind, logiert' ich köstlich -- seidne Stühle -- Wachslichter -- Erforschen jedes Wunsches etc. -- 4 Zimmer zum Gebrauch. Meinetwegen -- und seinetwegen, aus Eitelkeit -- lud er ein Pak Gelehrter zu sich, deren Diner von 2 bis 6. dauerte. Ich besuchte keinen Gelehrtenklub,30 so oft ich auch dazu geladen worden, aber Weiber die Menge. Ich wurde angebetet von den Mädgen, die ich früher angebetet hätte. Himmel! welche Einfachheit, Offenheit, Bildung und Schönheit! Auf der herlichen Insel Pickelswerder, (21/2 Meilen von Berlin) fand ich so viele schöne Freundinnen auf einmal, daß es einen -- ärgerte,35 weil jeder Antheil den andern aufhob. -- Die herliche Königin lud
zwei Vormittage, welche in meiner Seele, wie zwei Landſchafts- gemälde von Claude Lorrain glühen, noch einmal zu erleben und auf ihre Fortſezung und Wiederholung mich innig zu freuen. — Nim dieſes Blat nur als Vorrede zu einem längern und küſſe die Geliebte und vergis nicht, daß deine Briefe mir deine Abweſenheit ertragen helfen5 müſſen.
Ewig dein J. P. F. Richter
482. An Chriſtian Otto in Bayreuth.10
Berlin. d. 13 Jun. 1800 [Freitag].
Endlich komm’ ich zu dir, vol wie der Wolkenhimmel, aber wie er unfähig meine Waſſermaſſe von mir zu geben. Dieſe alte Klage iſt diesmal die wahreſte. Berlin warf mir ein oder ein Paar Univerſa in den Kopf. Seit 2⅓ Wochen ſiz ich hier, und mus noch die folgende[371]15 bleiben, weil die Schauſpieler 〈Ifland〉 meinetwegen den Wallen- stein geben. Noch in keiner Stadt wurd’ ich mit dieſer Latrie auf- genommen als hier, und von einem ſolchen Heer, und ich kan nun nach dieſer Erhebung, künftig nur auf der Stufe, nicht auf der Spize des Thrones ſizen.20
Potsdam mit ſeinen groſſen Bau-Cubis und ſeinen herlichen Waſſerſcheiben macht einen auf die Stadt begierig, von der es ſol übertroffen werden; man glaubt es gar nicht.
Weimar d. 29. Juny.
Geſtern kam ich an; und fand deinen Brief, Geliebteſter. — Zuerſt25 nach Berlin! Bei Matzdorf, deſſen Eltern und Frau vortreflich ſind, logiert’ ich köſtlich — ſeidne Stühle — Wachslichter — Erforſchen jedes Wunſches ꝛc. — 4 Zimmer zum Gebrauch. Meinetwegen — und ſeinetwegen, aus Eitelkeit — lud er ein Pak Gelehrter zu ſich, deren Diner von 2 bis 6. dauerte. Ich beſuchte keinen Gelehrtenklub,30 ſo oft ich auch dazu geladen worden, aber Weiber die Menge. Ich wurde angebetet von den Mädgen, die ich früher angebetet hätte. Himmel! welche Einfachheit, Offenheit, Bildung und Schönheit! Auf der herlichen Inſel Pickelswerder, (2½ Meilen von Berlin) fand ich ſo viele ſchöne Freundinnen auf einmal, daß es einen — ärgerte,35 weil jeder Antheil den andern aufhob. — Die herliche Königin lud
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zwei Vormittage, welche in meiner Seele, wie zwei Landſchafts-
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Blat nur als Vorrede zu einem längern und küſſe die Geliebte und
vergis nicht, daß deine Briefe mir deine Abweſenheit ertragen helfen 5
müſſen.
Ewig
dein
J. P. F. Richter
482. An Chriſtian Otto in Bayreuth. 10
Berlin. d. 13 Jun. 1800 [Freitag].
Endlich komm’ ich zu dir, vol wie der Wolkenhimmel, aber wie er
unfähig meine Waſſermaſſe von mir zu geben. Dieſe alte Klage iſt
diesmal die wahreſte. Berlin warf mir ein oder ein Paar Univerſa in
den Kopf. Seit 2⅓ Wochen ſiz ich hier, und mus noch die folgende 15
bleiben, weil die Schauſpieler 〈Ifland〉 meinetwegen den Wallen-
stein geben. Noch in keiner Stadt wurd’ ich mit dieſer Latrie auf-
genommen als hier, und von einem ſolchen Heer, und ich kan nun nach
dieſer Erhebung, künftig nur auf der Stufe, nicht auf der Spize des
Thrones ſizen. 20
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Potsdam mit ſeinen groſſen Bau-Cubis und ſeinen herlichen
Waſſerſcheiben macht einen auf die Stadt begierig, von der es ſol
übertroffen werden; man glaubt es gar nicht.
Weimar d. 29. Juny.
Geſtern kam ich an; und fand deinen Brief, Geliebteſter. — Zuerſt 25
nach Berlin! Bei Matzdorf, deſſen Eltern und Frau vortreflich ſind,
logiert’ ich köſtlich — ſeidne Stühle — Wachslichter — Erforſchen
jedes Wunſches ꝛc. — 4 Zimmer zum Gebrauch. Meinetwegen —
und ſeinetwegen, aus Eitelkeit — lud er ein Pak Gelehrter zu ſich,
deren Diner von 2 bis 6. dauerte. Ich beſuchte keinen Gelehrtenklub, 30
ſo oft ich auch dazu geladen worden, aber Weiber die Menge. Ich
wurde angebetet von den Mädgen, die ich früher angebetet hätte.
Himmel! welche Einfachheit, Offenheit, Bildung und Schönheit! Auf
der herlichen Inſel Pickelswerder, (2½ Meilen von Berlin) fand ich
ſo viele ſchöne Freundinnen auf einmal, daß es einen — ärgerte, 35
weil jeder Antheil den andern aufhob. — Die herliche Königin lud
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/365>, abgerufen am 16.06.2024.
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