Diese bunte Blumenzeit wil mir nicht aus der Seele. Und Sie waren der Gärtner der Blumenbeete, aus denen ich mir so viel abris für meine linke Rokklappe. Wie erfreuet sah ich endlich in einen ofnern5 Himmel. Sie werden sicher in den bisherigen halbguten oder halb- schlechten Tagen nichts gethan haben als sich gewundert, daß ich ein so guter Wetter-Jesaias, Jeremias, Hesekiel und Daniel bin. Sie haben Recht, das bin ich.
487. An Ahlefeldt.10
Weimar d. 12 July 1800.
Mein geliebter Hans! Ich wolt' ich hätte dich an der Hand. Ich sehne mich sehr nach dir und nach den Tagen, die uns von Lustort zu Lustort führten, wohin auch die Lippe gehört. Nach Wörliz vor die auf allen Seiten geöfneten Himmel hätt' ich dich durch die Luft zaubern15 mögen und auch vor die 4teMeier, die ich auf meinem Wege nach Berlin in den Wagen mitnehme. --
Da du mehr epistolarische Musse hast als ich: so wende sie für mich an und schreibe mir 10,000 Fakta, arbeite aber die Memoires wie ein Buch, in mehreren Tagen aus. -- Grüsse die Levi und frage Sie,20 wenn sie den Fehler begeht, nach Frankreich zu gehen, und die Tugend, nach Weimar zu kommen. -- Sage mir immer, ob mir die Berliner so gut sind als ich ihnen und was sie schwazen. -- Denke ernstlich an das Bauen einer Hütte für mich, einer Nadelbüchse für den dünnen Satiriker. -- Sei lustig -- Und hoffe; deine gute Henriette wird dir25 die Abwesenheit reich vergelten. Meine Seele dankt ihrer für ihren holden Nachhal, den sie so weit zu mir fliegen lies. --
[379]Ein Wort des Gewissens über die berl[iner] Ernestine! Im Briefe, den sie mir an die Dessauische Schwester mitgab, spricht die Arme von ihrem neuen Glük, zwar jungfräulich, aber sehr bestimt. Es scheinen30 also alle deine angestrengtesten Versuche, ihr ihren Irthum zu nehmen -- so oft du sie auch wiederholest -- ihn blos befestigt zu haben. Aber ernstlich! martere die schöne Seele nicht. In deinem Falle, da du schon eine gefunden, ist dein Verdienst leichter. Doch ist auch deine Schuld leichter; denn die Dessauer Schwester, die mir alles vertrauete, sagte35 mir, sie habe sich öfters getäuscht.
486. An Matzdorff.
[Kopie][Weimar, 12. Juli 1800]
Dieſe bunte Blumenzeit wil mir nicht aus der Seele. Und Sie waren der Gärtner der Blumenbeete, aus denen ich mir ſo viel abris für meine linke Rokklappe. Wie erfreuet ſah ich endlich in einen ofnern5 Himmel. Sie werden ſicher in den bisherigen halbguten oder halb- ſchlechten Tagen nichts gethan haben als ſich gewundert, daß ich ein ſo guter Wetter-Jeſaias, Jeremias, Heſekiel und Daniel bin. Sie haben Recht, das bin ich.
487. An Ahlefeldt.10
Weimar d. 12 July 1800.
Mein geliebter Hans! Ich wolt’ ich hätte dich an der Hand. Ich ſehne mich ſehr nach dir und nach den Tagen, die uns von Luſtort zu Luſtort führten, wohin auch die Lippe gehört. Nach Wörliz vor die auf allen Seiten geöfneten Himmel hätt’ ich dich durch die Luft zaubern15 mögen und auch vor die 4teMeier, die ich auf meinem Wege nach Berlin in den Wagen mitnehme. —
Da du mehr epiſtolariſche Muſſe haſt als ich: ſo wende ſie für mich an und ſchreibe mir 10,000 Fakta, arbeite aber die Mémoires wie ein Buch, in mehreren Tagen aus. — Grüſſe die Levi und frage Sie,20 wenn ſie den Fehler begeht, nach Frankreich zu gehen, und die Tugend, nach Weimar zu kommen. — Sage mir immer, ob mir die Berliner ſo gut ſind als ich ihnen und was ſie ſchwazen. — Denke ernſtlich an das Bauen einer Hütte für mich, einer Nadelbüchſe für den dünnen Satiriker. — Sei luſtig — Und hoffe; deine gute Henriette wird dir25 die Abweſenheit reich vergelten. Meine Seele dankt ihrer für ihren holden Nachhal, den ſie ſo weit zu mir fliegen lies. —
[379]Ein Wort des Gewiſſens über die berl[iner] Ernestine! Im Briefe, den ſie mir an die Deſſauiſche Schweſter mitgab, ſpricht die Arme von ihrem neuen Glük, zwar jungfräulich, aber ſehr beſtimt. Es ſcheinen30 alſo alle deine angeſtrengteſten Verſuche, ihr ihren Irthum zu nehmen — ſo oft du ſie auch wiederholeſt — ihn blos befeſtigt zu haben. Aber ernſtlich! martere die ſchöne Seele nicht. In deinem Falle, da du ſchon eine gefunden, iſt dein Verdienſt leichter. Doch iſt auch deine Schuld leichter; denn die Deſſauer Schweſter, die mir alles vertrauete, ſagte35 mir, ſie habe ſich öfters getäuſcht.
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Dieſe bunte Blumenzeit wil mir nicht aus der Seele. Und Sie waren
der Gärtner der Blumenbeete, aus denen ich mir ſo viel abris für
meine linke Rokklappe. Wie erfreuet ſah ich endlich in einen ofnern 5
Himmel. Sie werden ſicher in den bisherigen halbguten oder halb-
ſchlechten Tagen nichts gethan haben als ſich gewundert, daß ich ein
ſo guter Wetter-Jeſaias, Jeremias, Heſekiel und Daniel bin. Sie haben
Recht, das bin ich.
487. An Ahlefeldt. 10
Weimar d. 12 July 1800.
Mein geliebter Hans! Ich wolt’ ich hätte dich an der Hand. Ich
ſehne mich ſehr nach dir und nach den Tagen, die uns von Luſtort zu
Luſtort führten, wohin auch die Lippe gehört. Nach Wörliz vor die
auf allen Seiten geöfneten Himmel hätt’ ich dich durch die Luft zaubern 15
mögen und auch vor die 4te Meier, die ich auf meinem Wege nach
Berlin in den Wagen mitnehme. —
Da du mehr epiſtolariſche Muſſe haſt als ich: ſo wende ſie für mich
an und ſchreibe mir 10,000 Fakta, arbeite aber die Mémoires wie ein
Buch, in mehreren Tagen aus. — Grüſſe die Levi und frage Sie, 20
wenn ſie den Fehler begeht, nach Frankreich zu gehen, und die Tugend,
nach Weimar zu kommen. — Sage mir immer, ob mir die Berliner
ſo gut ſind als ich ihnen und was ſie ſchwazen. — Denke ernſtlich an
das Bauen einer Hütte für mich, einer Nadelbüchſe für den dünnen
Satiriker. — Sei luſtig — Und hoffe; deine gute Henriette wird dir 25
die Abweſenheit reich vergelten. Meine Seele dankt ihrer für ihren
holden Nachhal, den ſie ſo weit zu mir fliegen lies. —
Ein Wort des Gewiſſens über die berl[iner] Ernestine! Im Briefe,
den ſie mir an die Deſſauiſche Schweſter mitgab, ſpricht die Arme von
ihrem neuen Glük, zwar jungfräulich, aber ſehr beſtimt. Es ſcheinen 30
alſo alle deine angeſtrengteſten Verſuche, ihr ihren Irthum zu nehmen
— ſo oft du ſie auch wiederholeſt — ihn blos befeſtigt zu haben. Aber
ernſtlich! martere die ſchöne Seele nicht. In deinem Falle, da du ſchon
eine gefunden, iſt dein Verdienſt leichter. Doch iſt auch deine Schuld
leichter; denn die Deſſauer Schweſter, die mir alles vertrauete, ſagte 35
mir, ſie habe ſich öfters getäuſcht.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
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Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/372>, abgerufen am 26.06.2024.
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