Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite
38. An Hans von Ahlefeldt in Berlin.

Ich schreibe an dich, mein Theuerer meinen ersten Brief dieses Jahrs.
Ich möchte stat dir zu wünschen, dich lieber umarmen und dan würd'
ich doch auch jenes thun.5

Mein Leben ist fast jezt so eben wie die Gegend: es hat weder die
Ermüdung noch die Perspektive der Gebirge.

Dieser kleine Brief ist nur das Couvert eines grössern, nämlich des
Überbringers, den ich dir als meinen Freund schicke und der deiner
werden kan. Er verbindet mit der freien Mänlichkeit der Berliner10
poetische Weichheit und hat eben so viele Kentnisse als Erfahrungen.
Er mag dir viel von mir sagen: mir sol er viel von dir sagen.

Ich erhielt dein Briefgen von M[ahlma]n: Er ist nicht --
Du.

[35]Nur mein Zeit-Falliment bedekt die Sonderbarkeit des Auftrags,15
daß du der lieblichen Doppelt-Geliebten unsrer zweifachen Freund-
schaft, der Nachtigallen-Nachbarin Minona in Bayreuth mein
wärmstes Andenken zusicherst. --

Wahrscheinlich komm' ich in der Leidenswoche -- und für mich
in der Freudenwoche -- nach Berlin und höre Graun und sehe20
dich.

Lebe froher, mein verehrter Geliebter, als deine Briefe sagen und
jeder liebe dich so innig und so lange als dein

Richter.
[Adr.] Sr. Hochwolgeboren dem H. Justiezassessor Freiherrn von25
Ahlefeldt Berlin d. F. An der Königsbrücke im Dietrichschen Hause
abzugeben.
39. An Amöne Herold.

Meine Amöne! Gerade bei meiner Zurükkehr vom sanften Eden-30
Belgershain fand ich die lieblichen Laute Ihrer Seele. Dort fand ich,
Gute, einen Brief von Ihnen, der Ihre Schmerzen in mein Herz ein-
schnit. Nein, Amöne -- ich wil Ihnen einmal schreiben über Ihr zer-
störendes Ahnden und Lieben des Todes. --

38. An Hans von Ahlefeldt in Berlin.

Ich ſchreibe an dich, mein Theuerer meinen erſten Brief dieſes Jahrs.
Ich möchte ſtat dir zu wünſchen, dich lieber umarmen und dan würd’
ich doch auch jenes thun.5

Mein Leben iſt faſt jezt ſo eben wie die Gegend: es hat weder die
Ermüdung noch die Perſpektive der Gebirge.

Dieſer kleine Brief iſt nur das Couvert eines gröſſern, nämlich des
Überbringers, den ich dir als meinen Freund ſchicke und der deiner
werden kan. Er verbindet mit der freien Mänlichkeit der Berliner10
poetiſche Weichheit und hat eben ſo viele Kentniſſe als Erfahrungen.
Er mag dir viel von mir ſagen: mir ſol er viel von dir ſagen.

Ich erhielt dein Briefgen von M[ahlma]n: Er iſt nicht —
Du.

[35]Nur mein Zeit-Falliment bedekt die Sonderbarkeit des Auftrags,15
daß du der lieblichen Doppelt-Geliebten unſrer zweifachen Freund-
ſchaft, der Nachtigallen-Nachbarin Minona in Bayreuth mein
wärmſtes Andenken zuſicherſt. —

Wahrſcheinlich komm’ ich in der Leidenswoche — und für mich
in der Freudenwoche — nach Berlin und höre Graun und ſehe20
dich.

Lebe froher, mein verehrter Geliebter, als deine Briefe ſagen und
jeder liebe dich ſo innig und ſo lange als dein

Richter.
[Adr.] Sr. Hochwolgeboren dem H. Juſtiezaſſeſſor Freiherrn von25
Ahlefeldt Berlin d. F. An der Königsbrücke im Dietrichſchen Hauſe
abzugeben.
39. An Amöne Herold.

Meine Amöne! Gerade bei meiner Zurükkehr vom ſanften Eden-30
Belgershain fand ich die lieblichen Laute Ihrer Seele. Dort fand ich,
Gute, einen Brief von Ihnen, der Ihre Schmerzen in mein Herz ein-
ſchnit. Nein, Amöne — ich wil Ihnen einmal ſchreiben über Ihr zer-
ſtörendes Ahnden und Lieben des Todes. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0038" n="32"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>38. An <hi rendition="#g">Hans von Ahlefeldt in Berlin.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 2. Jenn. 98.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich &#x017F;chreibe an dich, mein Theuerer meinen er&#x017F;ten Brief die&#x017F;es Jahrs.<lb/>
Ich möchte &#x017F;tat dir zu wün&#x017F;chen, dich lieber umarmen und dan würd&#x2019;<lb/>
ich doch auch jenes thun.<lb n="5"/>
</p>
        <p>Mein Leben i&#x017F;t fa&#x017F;t jezt &#x017F;o eben wie die Gegend: es hat weder die<lb/>
Ermüdung noch die Per&#x017F;pektive der Gebirge.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er kleine Brief i&#x017F;t nur das Couvert eines grö&#x017F;&#x017F;ern, nämlich des<lb/>
Überbringers, den ich dir als meinen Freund &#x017F;chicke und der deiner<lb/>
werden kan. Er verbindet mit der freien Mänlichkeit der Berliner<lb n="10"/>
poeti&#x017F;che Weichheit und hat eben &#x017F;o viele Kentni&#x017F;&#x017F;e als Erfahrungen.<lb/>
Er mag dir viel von mir &#x017F;agen: mir &#x017F;ol er viel von dir &#x017F;agen.</p><lb/>
        <p>Ich erhielt dein Briefgen von M[ahlma]n: Er i&#x017F;t nicht &#x2014;<lb/>
Du.</p><lb/>
        <p><note place="left"><ref target="1922_Bd3_35">[35]</ref></note>Nur mein Zeit-Falliment bedekt die Sonderbarkeit des Auftrags,<lb n="15"/>
daß du der lieblichen Doppelt-Geliebten un&#x017F;rer zweifachen Freund-<lb/>
&#x017F;chaft, der Nachtigallen-Nachbarin Minona in Bayreuth mein<lb/>
wärm&#x017F;tes Andenken zu&#x017F;icher&#x017F;t. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wahr&#x017F;cheinlich komm&#x2019; ich in der Leidenswoche &#x2014; und für mich<lb/>
in der Freudenwoche &#x2014; nach Berlin und höre Graun und &#x017F;ehe<lb n="20"/>
dich.</p><lb/>
        <p>Lebe froher, mein verehrter Geliebter, als deine Briefe &#x017F;agen und<lb/>
jeder liebe dich &#x017F;o innig und &#x017F;o lange als dein</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Richter.</hi> </salute><lb/>
          <address>
            <addrLine>[Adr.] Sr. Hochwolgeboren dem H. Ju&#x017F;tieza&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;or Freiherrn von<lb n="25"/> <hi rendition="#aq">Ahlefeldt Berlin</hi> d. F. An der Königsbrücke im Dietrich&#x017F;chen Hau&#x017F;e<lb/>
abzugeben.</addrLine>
          </address>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>39. An <hi rendition="#g">Amöne Herold.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">L[eipzig]</hi> d. 5. Jenn. 98 [Freitag].</hi> </dateline><lb/>
        <p>Meine Amöne! Gerade bei meiner Zurükkehr vom &#x017F;anften Eden-<lb n="30"/>
Belgershain fand ich die lieblichen Laute Ihrer Seele. Dort fand ich,<lb/>
Gute, einen Brief von Ihnen, der Ihre Schmerzen in mein Herz ein-<lb/>
&#x017F;chnit. Nein, Amöne &#x2014; ich wil Ihnen einmal &#x017F;chreiben über Ihr zer-<lb/>
&#x017F;törendes Ahnden und Lieben des Todes. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0038] 38. An Hans von Ahlefeldt in Berlin. Leipzig d. 2. Jenn. 98. Ich ſchreibe an dich, mein Theuerer meinen erſten Brief dieſes Jahrs. Ich möchte ſtat dir zu wünſchen, dich lieber umarmen und dan würd’ ich doch auch jenes thun. 5 Mein Leben iſt faſt jezt ſo eben wie die Gegend: es hat weder die Ermüdung noch die Perſpektive der Gebirge. Dieſer kleine Brief iſt nur das Couvert eines gröſſern, nämlich des Überbringers, den ich dir als meinen Freund ſchicke und der deiner werden kan. Er verbindet mit der freien Mänlichkeit der Berliner 10 poetiſche Weichheit und hat eben ſo viele Kentniſſe als Erfahrungen. Er mag dir viel von mir ſagen: mir ſol er viel von dir ſagen. Ich erhielt dein Briefgen von M[ahlma]n: Er iſt nicht — Du. Nur mein Zeit-Falliment bedekt die Sonderbarkeit des Auftrags, 15 daß du der lieblichen Doppelt-Geliebten unſrer zweifachen Freund- ſchaft, der Nachtigallen-Nachbarin Minona in Bayreuth mein wärmſtes Andenken zuſicherſt. — [35] Wahrſcheinlich komm’ ich in der Leidenswoche — und für mich in der Freudenwoche — nach Berlin und höre Graun und ſehe 20 dich. Lebe froher, mein verehrter Geliebter, als deine Briefe ſagen und jeder liebe dich ſo innig und ſo lange als dein Richter. [Adr.] Sr. Hochwolgeboren dem H. Juſtiezaſſeſſor Freiherrn von 25 Ahlefeldt Berlin d. F. An der Königsbrücke im Dietrichſchen Hauſe abzugeben. 39. An Amöne Herold. L[eipzig] d. 5. Jenn. 98 [Freitag]. Meine Amöne! Gerade bei meiner Zurükkehr vom ſanften Eden- 30 Belgershain fand ich die lieblichen Laute Ihrer Seele. Dort fand ich, Gute, einen Brief von Ihnen, der Ihre Schmerzen in mein Herz ein- ſchnit. Nein, Amöne — ich wil Ihnen einmal ſchreiben über Ihr zer- ſtörendes Ahnden und Lieben des Todes. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/38
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/38>, abgerufen am 21.11.2024.