Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.einem weiten Reiche in das andere fliesset; ferne Berge, Ebenen, ver- Den Montag [21. Mai].5 Ich habe den Königstein und seine notanda und videnda gesehen, 94. An die Gräfin Münster in Königsbrück.25 [Kopie][Dresden, Ende Mai 1798]Und nie werd' ich mich der Hesperus Pfingsttage bei Ihnen erinnern 95. An Christian Otto.30 Leipzig d. 8. Jun. 98 [Freitag].Heute, Guter, schreib ich dir eilig, weil ich andern so viel zu schreiben einem weiten Reiche in das andere flieſſet; ferne Berge, Ebenen, ver- Den Montag [21. Mai].5 Ich habe den Königſtein und ſeine notanda und videnda geſehen, 94. An die Gräfin Münſter in Königsbrück.25 [Kopie][Dresden, Ende Mai 1798]Und nie werd’ ich mich der Heſperus Pfingſttage bei Ihnen erinnern 95. An Chriſtian Otto.30 Leipzig d. 8. Jun. 98 [Freitag].Heute, Guter, ſchreib ich dir eilig, weil ich andern ſo viel zu ſchreiben <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0074" n="66"/> einem weiten Reiche in das andere flieſſet; ferne Berge, Ebenen, ver-<lb/> lorne Schifgen, die wandelnde Prozeſſion der einen Brücken Seite,<lb/> die entgegengehende der andern, eine lange Allee und das Getümmel<lb/> des Lebens ergreifen dich. —</p> </div><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">Den Montag [21. Mai].</hi> </dateline> <lb n="5"/> <p>Ich habe den Königſtein und ſeine <hi rendition="#aq">notanda</hi> und <hi rendition="#aq">videnda</hi> geſehen,<lb/> und war vergnügt aber nicht auſſer mir — Ich habe die Antiken ge-<lb/> ſehen, gleichſam die andere Hemiſphäre der Abgüſſe, die wir geſtern<lb/> wieder ſahen verklärt bei Fackeln Nachts 10 Uhr — ferner das<lb/> Naturalienkabinet — die fürſtliche heilige Familie nebſt dem plat-<lb n="10"/> gedrükten Hoftros in der kath. Kirche an der Himmelfarthsfeier, wo<lb/> zugleich das Kind einer Prinzeſſin hineingetragen wurde, das die<lb/> Trompeter taub blieſen gegen künftige Bitten. — Ich habe dabei<lb/> meine demokratiſchen Zähne geknirſcht, am meiſten über das gekrümte<lb/> Schwarzen-Volk von Dresdnern, die nicht ſchön, nicht edel, nicht les-<lb n="15"/> begierig, nicht kunſtbegierig ſind, ſondern nur höflich. — Ich reiſſe<lb/> mich Sonabends ab (vielleicht iſts nicht einmal nöthig) und gehe nach<lb/> Leipzig, nicht nach Deſſau, weil ich ſo viele Freuden ſat habe — Ach<lb/> ich habe keine Freiheit, das iſts — Otto und Freiheit, wo biſt du ſag<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_72">[72]</ref></note>ich tief in mir jede Stunde. Ich habe viele Bekantſchaften gemacht,<lb n="20"/> aber keine von Bedeutung. Ach mein Guter mein Theuerer wenn ich<lb/> doch deine Geſtalt bald wieder an meiner Bruſt hätte. Grüſſe meine<lb/> Geliebten! Ich ſchrieb das heutige Penſum umringt von 4 Perſonen,<lb/> Berlepſch, Üchteriz ꝛc.</p> </div> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>94. An <hi rendition="#g">die Gräfin Münſter in Königsbrück.</hi><lb n="25"/> </head> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Dresden, Ende Mai 1798]</hi> </dateline><lb/> <p>Und nie werd’ ich mich der Heſperus Pfingſttage bei Ihnen erinnern<lb/> ohne den Wunſch, daß Ihnen das Schikſal ein Pfingſtjahr gewähre —<lb/> und doch werd’ ich denken, daß Sie mehr verdienen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>95. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi><lb n="30"/> </head> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 8. Jun. 98 [Freitag].</hi> </dateline><lb/> <p>Heute, Guter, ſchreib ich dir eilig, weil ich andern ſo viel zu ſchreiben<lb/> habe. Ich wohne bei Buchbinder <hi rendition="#aq">Rüger,</hi> hab’ aber alle euere Briefe<lb/> bekommen. Den 31 Mai kamen wir alle hier an aus Dresden, nicht<lb/> aus Wörliz. Ich reiſe künftig nie anders als zu Fus und allein: — mit<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0074]
einem weiten Reiche in das andere flieſſet; ferne Berge, Ebenen, ver-
lorne Schifgen, die wandelnde Prozeſſion der einen Brücken Seite,
die entgegengehende der andern, eine lange Allee und das Getümmel
des Lebens ergreifen dich. —
Den Montag [21. Mai]. 5
Ich habe den Königſtein und ſeine notanda und videnda geſehen,
und war vergnügt aber nicht auſſer mir — Ich habe die Antiken ge-
ſehen, gleichſam die andere Hemiſphäre der Abgüſſe, die wir geſtern
wieder ſahen verklärt bei Fackeln Nachts 10 Uhr — ferner das
Naturalienkabinet — die fürſtliche heilige Familie nebſt dem plat- 10
gedrükten Hoftros in der kath. Kirche an der Himmelfarthsfeier, wo
zugleich das Kind einer Prinzeſſin hineingetragen wurde, das die
Trompeter taub blieſen gegen künftige Bitten. — Ich habe dabei
meine demokratiſchen Zähne geknirſcht, am meiſten über das gekrümte
Schwarzen-Volk von Dresdnern, die nicht ſchön, nicht edel, nicht les- 15
begierig, nicht kunſtbegierig ſind, ſondern nur höflich. — Ich reiſſe
mich Sonabends ab (vielleicht iſts nicht einmal nöthig) und gehe nach
Leipzig, nicht nach Deſſau, weil ich ſo viele Freuden ſat habe — Ach
ich habe keine Freiheit, das iſts — Otto und Freiheit, wo biſt du ſag
ich tief in mir jede Stunde. Ich habe viele Bekantſchaften gemacht, 20
aber keine von Bedeutung. Ach mein Guter mein Theuerer wenn ich
doch deine Geſtalt bald wieder an meiner Bruſt hätte. Grüſſe meine
Geliebten! Ich ſchrieb das heutige Penſum umringt von 4 Perſonen,
Berlepſch, Üchteriz ꝛc.
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94. An die Gräfin Münſter in Königsbrück. 25
[Dresden, Ende Mai 1798]
Und nie werd’ ich mich der Heſperus Pfingſttage bei Ihnen erinnern
ohne den Wunſch, daß Ihnen das Schikſal ein Pfingſtjahr gewähre —
und doch werd’ ich denken, daß Sie mehr verdienen.
95. An Chriſtian Otto. 30
Leipzig d. 8. Jun. 98 [Freitag].
Heute, Guter, ſchreib ich dir eilig, weil ich andern ſo viel zu ſchreiben
habe. Ich wohne bei Buchbinder Rüger, hab’ aber alle euere Briefe
bekommen. Den 31 Mai kamen wir alle hier an aus Dresden, nicht
aus Wörliz. Ich reiſe künftig nie anders als zu Fus und allein: — mit 35
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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