Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.in der demosthenischen Kette und Gewalt (impetu) über den Spinoza Ich wil dir ein wenig auf deinen Brief antworten. Hast du denn *) Zumal deine reichen Worte über den Instinkt, in dem eigentlich das dy-35
namische Räthsel der Welt liegt. in der demoſtheniſchen Kette und Gewalt (impetu) über den Spinoza Ich wil dir ein wenig auf deinen Brief antworten. Haſt du denn *) Zumal deine reichen Worte über den Inſtinkt, in dem eigentlich das dy-35
namiſche Räthſel der Welt liegt. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0173" n="166"/> in der demoſtheniſchen Kette und Gewalt (<hi rendition="#aq">impetu</hi>) <hi rendition="#g">über</hi> den Spinoza<lb/> ſeze. Es iſt das jünſte Gericht (<hi rendition="#aq">Krisis</hi>) über die Kritik wie über Fichte,<lb/> wo ſich die Sache mit Feuer endigt. Du haſt ſogar einen neuen her-<lb/> lichen Bilder- und Periodenſtyl darin. Warum nicht ſchon 100 Wider-<lb/> legungen dagegen da ſind, könt’ ich mir nicht erklären, wenn ich es<lb n="5"/> nicht darin ſuchen müſte, daß ſchon eine unmöglich iſt. Aber der rechte<lb/> Grund iſt, Schreiber und Käufer ſind jezt der öffentlichen Verhand-<lb/> lungen müde — jeder bekehrt ſich im Stillen — alles iſt ſchon kritiſche<lb/><hi rendition="#g">Nachwelt</hi> und man ſchreibt ſo wenig dafür oder dagegen mehr als<lb/> gegen und für Plato. Man kan es ſelber erleben, daß man für die-<lb n="10"/> ſelben Säze eine Mit- und ſpäter eine Nachwelt iſt; welche leztere<lb/> eine eigne Unterſuchung ihres Anfangs und Werths verdient. —<lb/> Deine Abhandlung über den Atheiſmus gehört unter die ſäkulariſchen,<lb/> welche <hi rendition="#g">geben,</hi> oder geſezt zeigen ſtat zu ſezen<note place="foot" n="*)">Zumal deine reichen Worte über den Inſtinkt, in dem eigentlich das dy-<lb n="35"/> namiſche Räthſel der Welt liegt.</note>. Verliere nur deine<lb/> Blätter, (in <hi rendition="#aq">Hamburg</hi> gemacht) und deine Briefe nicht und erſehe dir<lb n="15"/> einen Man, der einmal deine Phönix-Aſche ſamlet, zu der ſtets ein<lb/> Gott die Sonne ſein wird. —</p><lb/> <p>Ich wil dir ein wenig auf deinen Brief antworten. Haſt du denn<lb/> das <hi rendition="#g">bloſſe</hi> <hi rendition="#aq">Laudanum Sydenh.</hi> gegen deine Migraine probiert,<lb/> das meine <hi rendition="#g">ſtets</hi> mit 7 Tropfen <hi rendition="#g">vernichtet?</hi> Anfangs wird ſie auf<lb n="20"/> 1 Minute verdoppelt. Prüfe aber das Maas; mancher braucht 12,<lb/> 20 Tropfen; aber mit meinem fang’ an. — Apropos eben heute las<lb/> ich in <hi rendition="#aq">Otium hanov. s. Miscellan. Leibnit. p.</hi> 14. ja ganz Leſſings<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd4_186">[186]</ref></note>Idee, ſich den götlichen Sohn durch die götliche von Sich, zu er-<lb/> klären, die du ſpinoziſtiſch gewandt. — <hi rendition="#aq">Schellings</hi> magnetiſche Meta-<lb n="25"/> pher — dafür halt ich ſein Abſolut-Syſtem, das doch in ſeiner Stärke<lb/> nur der Abhal deines Spinoza iſt — hab ich nicht ſtudiert, weil dieſe<lb/> Vernichtung der Ob-Subjekt[ivität] im Abſoluten in keinem Syſtem<lb/> etwas neues iſt und er die Hauptſchwierigkeit vergiſſet, in der End-<lb/> lichkeit beide zu konſtruieren. Alles Sublimieren iſt jezt ein <hi rendition="#g">Präzipi-<lb n="30"/> tieren</hi> in jedem Sin, das Geſchöpf 〈<hi rendition="#aq">Schelling</hi>〉 friſſet ſeinen Schöpfer<lb/><hi rendition="#aq">(Fichte),</hi> der Magen den Kopf (im Krebs ſtecken ſie ſchon in einander)<lb/> und dieſer jenen. Fichte und Schelling giengen in Dresden (oder Berlin)<lb/> ſchnel zornig aus einander. So ſagt man auch in Jena, ſo tief jezt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0173]
in der demoſtheniſchen Kette und Gewalt (impetu) über den Spinoza
ſeze. Es iſt das jünſte Gericht (Krisis) über die Kritik wie über Fichte,
wo ſich die Sache mit Feuer endigt. Du haſt ſogar einen neuen her-
lichen Bilder- und Periodenſtyl darin. Warum nicht ſchon 100 Wider-
legungen dagegen da ſind, könt’ ich mir nicht erklären, wenn ich es 5
nicht darin ſuchen müſte, daß ſchon eine unmöglich iſt. Aber der rechte
Grund iſt, Schreiber und Käufer ſind jezt der öffentlichen Verhand-
lungen müde — jeder bekehrt ſich im Stillen — alles iſt ſchon kritiſche
Nachwelt und man ſchreibt ſo wenig dafür oder dagegen mehr als
gegen und für Plato. Man kan es ſelber erleben, daß man für die- 10
ſelben Säze eine Mit- und ſpäter eine Nachwelt iſt; welche leztere
eine eigne Unterſuchung ihres Anfangs und Werths verdient. —
Deine Abhandlung über den Atheiſmus gehört unter die ſäkulariſchen,
welche geben, oder geſezt zeigen ſtat zu ſezen *). Verliere nur deine
Blätter, (in Hamburg gemacht) und deine Briefe nicht und erſehe dir 15
einen Man, der einmal deine Phönix-Aſche ſamlet, zu der ſtets ein
Gott die Sonne ſein wird. —
Ich wil dir ein wenig auf deinen Brief antworten. Haſt du denn
das bloſſe Laudanum Sydenh. gegen deine Migraine probiert,
das meine ſtets mit 7 Tropfen vernichtet? Anfangs wird ſie auf 20
1 Minute verdoppelt. Prüfe aber das Maas; mancher braucht 12,
20 Tropfen; aber mit meinem fang’ an. — Apropos eben heute las
ich in Otium hanov. s. Miscellan. Leibnit. p. 14. ja ganz Leſſings
Idee, ſich den götlichen Sohn durch die götliche von Sich, zu er-
klären, die du ſpinoziſtiſch gewandt. — Schellings magnetiſche Meta- 25
pher — dafür halt ich ſein Abſolut-Syſtem, das doch in ſeiner Stärke
nur der Abhal deines Spinoza iſt — hab ich nicht ſtudiert, weil dieſe
Vernichtung der Ob-Subjekt[ivität] im Abſoluten in keinem Syſtem
etwas neues iſt und er die Hauptſchwierigkeit vergiſſet, in der End-
lichkeit beide zu konſtruieren. Alles Sublimieren iſt jezt ein Präzipi- 30
tieren in jedem Sin, das Geſchöpf 〈Schelling〉 friſſet ſeinen Schöpfer
(Fichte), der Magen den Kopf (im Krebs ſtecken ſie ſchon in einander)
und dieſer jenen. Fichte und Schelling giengen in Dresden (oder Berlin)
ſchnel zornig aus einander. So ſagt man auch in Jena, ſo tief jezt
[186]
*) Zumal deine reichen Worte über den Inſtinkt, in dem eigentlich das dy- 35
namiſche Räthſel der Welt liegt.
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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