Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.Brief nach Coburg, weil ich dahin schon Anfangs Maies ziehe, um Hinten in meinem litterarischen Imbreviatur oder Sudelprotokol5 d. 5. April. Ich wil dir doch die alten Explosionen schicken. Du schweigst gar zu25 d. 9. Apr.30 Ich wil das Blat schliessen, so wenig Früchte es auch bedekt oder Lies doch Novalis v. Hardenberg Schriften; ich kante ihn per- Brief nach Coburg, weil ich dahin ſchon Anfangs Maies ziehe, um Hinten in meinem litterariſchen Imbreviatur oder Sudelprotokol5 d. 5. April. Ich wil dir doch die alten Exploſionen ſchicken. Du ſchweigſt gar zu25 d. 9. Apr.30 Ich wil das Blat ſchlieſſen, ſo wenig Früchte es auch bedekt oder Lies doch Novalis 〈v. Hardenberg〉 Schriften; ich kante ihn per- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0219" n="212"/> Brief nach <hi rendition="#aq">Coburg,</hi> weil ich dahin ſchon Anfangs Maies ziehe, um<lb/> ein Paradies im geographiſchen Sin zu haben; und ſchreibe mir in<lb/> deinem nächſten Briefe deine Gedanken über den 4<hi rendition="#sup">ten</hi> <hi rendition="#aq">Titan,</hi> der in der<lb/> Oſter Meſſe gewis erſcheint.</p><lb/> <p>Hinten in meinem litterariſchen <hi rendition="#aq">Imbreviatur</hi> oder Sudelprotokol<lb n="5"/> hab’ ich für einige Freunde immer einige Pläze, wo ich für jeden die<lb/> zufälligen Novitäten ſamle, um ſie, wenn ich anfange, ſogleich vor<lb/> mir zum Verſenden zu haben. Ohne das vergiſſet man im Feuer das<lb/> Beſte, wenigſtens das Älteſte. Zu beiden gehört, daß im <hi rendition="#aq">September</hi><lb/> meine Frau mir ein götliches Mädgen gab und daß alſo der Vater<lb n="10"/> viel närriſcher iſt als der Eheman. Und ſo gros die Entzückung war<lb/> (wer unter und gleich nach einer Entbindung keinen Gott ſieht und<lb/> anbetet, verdient keinen ſondern den Satan): ſo trit doch noch die<lb/> götliche Ausſicht und Erfahrung dazu, daß jeder Tag eine neue gröſſere<lb/> Freude bringt; denn jeder liefert ein Paar neue Züge und Klänge des<lb n="15"/> knoſpen-vollen Neulings und die Luſt und Liebe iſt unermeslich und<lb/> unergründlich. Nun aber vollends bei meiner Frau! Ach Heinrich!<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd4_236">[236]</ref></note>könteſt du einmal in meiner Stube und bei meiner <hi rendition="#aq">Caroline</hi> ſein und<lb/> bei meiner <hi rendition="#aq">Emma Idoine:</hi> ich wolte gern die beſten metaphyſiſchen<lb/> Freuden miſſen! — Sonderbar, daß ich troz meiner ſüdlichen Ab-<lb n="20"/> errazion doch noch immer der feſten innigſten Hofnung lebe, daß wir<lb/> uns hienieden ſehen. Gern reiſ’ ich dir entgegen, wenn du entgegen<lb/> reiſeſt.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 5. <hi rendition="#g">April.</hi></hi> </dateline><lb/> <p>Ich wil dir doch die alten Exploſionen ſchicken. Du ſchweigſt gar zu<lb n="25"/> hart. Die Winter fürcht’ ich immer deinetwegen; ich ſelber blühe in<lb/> jeder Jahrszeit, weil ich mich mit einem Bier begieſſe, das deiner<lb/> Rinde und deinem Marke eben ſo wohl thäte, wenn du fränkiſches ſo<lb/> weit haben könteſt. —</p> </div><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 9. Apr.</hi> </dateline> <lb n="30"/> <p>Ich wil das Blat ſchlieſſen, ſo wenig Früchte es auch bedekt oder<lb/> herträgt, damit ich nur von dir einige bekomme. Der 4<hi rendition="#sup">te</hi> Titan wird<lb/> dich ſchon zur Antwort zwingen.</p><lb/> <p>Lies doch Novalis 〈<hi rendition="#aq">v. Hardenberg</hi>〉 Schriften; ich kante ihn per-<lb/> ſönlich als einen reinen, ſanften, religiöſen und doch feuerreichen<lb n="35"/> Karakter. Er ſtarb einer Geliebten nach. Sein poetiſches Chriſtenthum<lb/> war auch ſein theoretiſches. Die ganze Familie hat einen Anflug von<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0219]
Brief nach Coburg, weil ich dahin ſchon Anfangs Maies ziehe, um
ein Paradies im geographiſchen Sin zu haben; und ſchreibe mir in
deinem nächſten Briefe deine Gedanken über den 4ten Titan, der in der
Oſter Meſſe gewis erſcheint.
Hinten in meinem litterariſchen Imbreviatur oder Sudelprotokol 5
hab’ ich für einige Freunde immer einige Pläze, wo ich für jeden die
zufälligen Novitäten ſamle, um ſie, wenn ich anfange, ſogleich vor
mir zum Verſenden zu haben. Ohne das vergiſſet man im Feuer das
Beſte, wenigſtens das Älteſte. Zu beiden gehört, daß im September
meine Frau mir ein götliches Mädgen gab und daß alſo der Vater 10
viel närriſcher iſt als der Eheman. Und ſo gros die Entzückung war
(wer unter und gleich nach einer Entbindung keinen Gott ſieht und
anbetet, verdient keinen ſondern den Satan): ſo trit doch noch die
götliche Ausſicht und Erfahrung dazu, daß jeder Tag eine neue gröſſere
Freude bringt; denn jeder liefert ein Paar neue Züge und Klänge des 15
knoſpen-vollen Neulings und die Luſt und Liebe iſt unermeslich und
unergründlich. Nun aber vollends bei meiner Frau! Ach Heinrich!
könteſt du einmal in meiner Stube und bei meiner Caroline ſein und
bei meiner Emma Idoine: ich wolte gern die beſten metaphyſiſchen
Freuden miſſen! — Sonderbar, daß ich troz meiner ſüdlichen Ab- 20
errazion doch noch immer der feſten innigſten Hofnung lebe, daß wir
uns hienieden ſehen. Gern reiſ’ ich dir entgegen, wenn du entgegen
reiſeſt.
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d. 5. April.
Ich wil dir doch die alten Exploſionen ſchicken. Du ſchweigſt gar zu 25
hart. Die Winter fürcht’ ich immer deinetwegen; ich ſelber blühe in
jeder Jahrszeit, weil ich mich mit einem Bier begieſſe, das deiner
Rinde und deinem Marke eben ſo wohl thäte, wenn du fränkiſches ſo
weit haben könteſt. —
d. 9. Apr. 30
Ich wil das Blat ſchlieſſen, ſo wenig Früchte es auch bedekt oder
herträgt, damit ich nur von dir einige bekomme. Der 4te Titan wird
dich ſchon zur Antwort zwingen.
Lies doch Novalis 〈v. Hardenberg〉 Schriften; ich kante ihn per-
ſönlich als einen reinen, ſanften, religiöſen und doch feuerreichen 35
Karakter. Er ſtarb einer Geliebten nach. Sein poetiſches Chriſtenthum
war auch ſein theoretiſches. Die ganze Familie hat einen Anflug von
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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