Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts gemacht. Künftig Nächstens komt eine komische Biographie
und eine Samlung ästhetischer Abhandlungen.

Ich ziehe im Mai nach Coburg, ins geographische Paradies. --
Ein erotisches gab mir im September meine Frau durch eine -- Toch-
ter, die mir freilich keinen Himmel giebt, der sich nicht in der Mutter-5
liebe verdoppelte und erhöhte bis zu einem dritten.

Deinen Bilder-Index werd' ich dem hiesigen Herzog geben -- da
er samlet -- und dan dem koburgischen, ders auch thut, wiewohl eine
[238]Brustwassersucht jezt bald sein schönes Herz ersäufen wil. Es versteht
sich, daß ich thue -- und unendlich freudig --, was ich kan.10

Es wäre freilich ein heller Tag, wo du deinen Norden in einen
Süden umgesezet hättest und die Ferne in vier in einander blickende
Augen -- Aber ich verzage nicht einmal daran; ich bin ein fliegendes
Wesen, das schon alle Freunde wieder- und wiederfand -- warum denn
dich nicht? -- Ich halte dich für sehr gut; sonst würd' ich nicht so an15
dich schreiben als wär' ich ein Jüngling und du einer.

Wiewohl ich mich jeden Abend abschatte, wenn ich vor Lichtern
gehe: so hab' ich doch keine Abschattung. Meine Kupfer-Stiche nim
immer für Dolch- u. a. Stiche. Nicht ein Wort ist in den verdamten
Zeichnungen wahr, und ich sehe durchaus bisher nichts ähnlich als20
mir und meiner Emma (So und Idoine etc. heisset mein Kind.) --

Liebe meinen Emanuel recht. Nirgends, nirgends fand ich Seines
Gleichen, sein Herz lebt blos von Beleben, Erfreuen ist seine Freude.
Und dieses warme weiche zarte Herz stelt doch der Welt, wo ihrs
nöthig ist, eine mänliche Eisen-Brust entgegen.25


Dein Kettler gefält mir als ein gewandter, besonnener polierter
Man, dem man Amt und Norden nicht ansieht. -- So lebe recht
wohl, Theuerer, mit deiner Geliebten, die wie ich höre, der meinigen
ähnlich ist.30

J. P. F. Richter
[Adr.] H. Konsistorialrath Roentgen Esens.
363. An Emanuel.

Lieber! Nach Empfang Ihres heutigen Briefes an C. schreib' ich35
folgendes an Sie:

nichts gemacht. Künftig 〈Nächſtens〉 komt eine komiſche Biographie
und eine Samlung äſthetiſcher Abhandlungen.

Ich ziehe im Mai nach Coburg, ins geographiſche Paradies. —
Ein erotiſches gab mir im September meine Frau durch eine — Toch-
ter, die mir freilich keinen Himmel giebt, der ſich nicht in der Mutter-5
liebe verdoppelte und erhöhte bis zu einem dritten.

Deinen Bilder-Index werd’ ich dem hieſigen Herzog geben — da
er ſamlet — und dan dem koburgiſchen, ders auch thut, wiewohl eine
[238]Bruſtwaſſerſucht jezt bald ſein ſchönes Herz erſäufen wil. Es verſteht
ſich, daß ich thue — und unendlich freudig —, was ich kan.10

Es wäre freilich ein heller Tag, wo du deinen Norden in einen
Süden umgeſezet hätteſt und die Ferne in vier in einander blickende
Augen — Aber ich verzage nicht einmal daran; ich bin ein fliegendes
Weſen, das ſchon alle Freunde wieder- und wiederfand — warum denn
dich nicht? — Ich halte dich für ſehr gut; ſonſt würd’ ich nicht ſo an15
dich ſchreiben als wär’ ich ein Jüngling und du einer.

Wiewohl ich mich jeden Abend abſchatte, wenn ich vor Lichtern
gehe: ſo hab’ ich doch keine Abſchattung. Meine Kupfer-Stiche nim
immer für Dolch- u. a. Stiche. Nicht ein Wort iſt in den verdamten
Zeichnungen wahr, und ich ſehe durchaus bisher nichts ähnlich als20
mir und meiner Emma (So und Idoine ꝛc. heiſſet mein Kind.) —

Liebe meinen Emanuel recht. Nirgends, nirgends fand ich Seines
Gleichen, ſein Herz lebt blos von Beleben, Erfreuen iſt ſeine Freude.
Und dieſes warme weiche zarte Herz ſtelt doch der Welt, wo ihrs
nöthig iſt, eine mänliche Eiſen-Bruſt entgegen.25


Dein Kettler gefält mir als ein gewandter, beſonnener polierter
Man, dem man Amt und Norden nicht anſieht. — So lebe recht
wohl, Theuerer, mit deiner Geliebten, die wie ich höre, der meinigen
ähnlich iſt.30

J. P. F. Richter
[Adr.] H. Konſiſtorialrath Roentgen Esens.
363. An Emanuel.

Lieber! Nach Empfang Ihres heutigen Briefes an C. ſchreib’ ich35
folgendes an Sie:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="214"/>
nichts gemacht. Künftig &#x2329;Näch&#x017F;tens&#x232A; komt eine komi&#x017F;che Biographie<lb/>
und eine Samlung ä&#x017F;theti&#x017F;cher Abhandlungen.</p><lb/>
        <p>Ich ziehe im Mai nach <hi rendition="#aq">Coburg,</hi> ins geographi&#x017F;che Paradies. &#x2014;<lb/>
Ein eroti&#x017F;ches gab mir im September meine Frau durch eine &#x2014; Toch-<lb/>
ter, die mir freilich keinen Himmel giebt, der &#x017F;ich nicht in der Mutter-<lb n="5"/>
liebe verdoppelte und erhöhte bis zu einem dritten.</p><lb/>
        <p>Deinen Bilder-<hi rendition="#aq">Index</hi> werd&#x2019; ich dem hie&#x017F;igen Herzog geben &#x2014; da<lb/>
er &#x017F;amlet &#x2014; und dan dem koburgi&#x017F;chen, ders auch thut, wiewohl eine<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd4_238">[238]</ref></note>Bru&#x017F;twa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht jezt bald &#x017F;ein &#x017F;chönes Herz er&#x017F;äufen wil. Es ver&#x017F;teht<lb/>
&#x017F;ich, daß ich thue &#x2014; und unendlich freudig &#x2014;, was ich kan.<lb n="10"/>
</p>
        <p>Es wäre freilich ein heller Tag, wo du deinen Norden in einen<lb/>
Süden umge&#x017F;ezet hätte&#x017F;t und die Ferne in vier in einander blickende<lb/>
Augen &#x2014; Aber ich verzage nicht einmal daran; ich bin ein fliegendes<lb/>
We&#x017F;en, das &#x017F;chon alle Freunde wieder- und wiederfand &#x2014; warum denn<lb/>
dich nicht? &#x2014; Ich halte dich für &#x017F;ehr gut; &#x017F;on&#x017F;t würd&#x2019; ich nicht &#x017F;o an<lb n="15"/>
dich &#x017F;chreiben als wär&#x2019; ich ein Jüngling und du einer.</p><lb/>
        <p>Wiewohl ich mich jeden Abend ab&#x017F;chatte, wenn ich vor Lichtern<lb/>
gehe: &#x017F;o hab&#x2019; ich doch keine Ab&#x017F;chattung. Meine Kupfer-Stiche nim<lb/>
immer für Dolch- u. a. Stiche. Nicht ein Wort i&#x017F;t in den verdamten<lb/>
Zeichnungen wahr, und ich &#x017F;ehe durchaus bisher nichts ähnlich als<lb n="20"/>
mir und meiner <hi rendition="#aq">Emma</hi> (So und <hi rendition="#aq">Idoine</hi> &#xA75B;c. hei&#x017F;&#x017F;et mein Kind.) &#x2014;</p><lb/>
        <p>Liebe meinen <hi rendition="#aq">Emanuel</hi> recht. Nirgends, nirgends fand ich Seines<lb/>
Gleichen, &#x017F;ein Herz lebt blos von Beleben, Erfreuen i&#x017F;t &#x017F;eine Freude.<lb/>
Und die&#x017F;es warme weiche zarte Herz &#x017F;telt doch der Welt, wo ihrs<lb/>
nöthig i&#x017F;t, eine mänliche Ei&#x017F;en-Bru&#x017F;t entgegen.<lb n="25"/>
</p>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">d. 22. Apr.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Dein <hi rendition="#aq">Kettler</hi> gefält mir als ein gewandter, be&#x017F;onnener polierter<lb/>
Man, dem man Amt und Norden nicht an&#x017F;ieht. &#x2014; So lebe recht<lb/>
wohl, Theuerer, mit deiner Geliebten, die wie ich höre, der meinigen<lb/>
ähnlich i&#x017F;t.<lb n="30"/>
</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">J. P. F. Richter</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <trailer>
            <address>
              <addrLine>[Adr.] H. Kon&#x017F;i&#x017F;torialrath <hi rendition="#aq">Roentgen Esens.</hi></addrLine>
            </address>
          </trailer>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>363. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Meiningen</hi> d. 26 Ap. 1803.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Lieber! Nach Empfang Ihres heutigen Briefes an <hi rendition="#aq">C.</hi> &#x017F;chreib&#x2019; ich<lb n="35"/>
folgendes an Sie:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0221] nichts gemacht. Künftig 〈Nächſtens〉 komt eine komiſche Biographie und eine Samlung äſthetiſcher Abhandlungen. Ich ziehe im Mai nach Coburg, ins geographiſche Paradies. — Ein erotiſches gab mir im September meine Frau durch eine — Toch- ter, die mir freilich keinen Himmel giebt, der ſich nicht in der Mutter- 5 liebe verdoppelte und erhöhte bis zu einem dritten. Deinen Bilder-Index werd’ ich dem hieſigen Herzog geben — da er ſamlet — und dan dem koburgiſchen, ders auch thut, wiewohl eine Bruſtwaſſerſucht jezt bald ſein ſchönes Herz erſäufen wil. Es verſteht ſich, daß ich thue — und unendlich freudig —, was ich kan. 10 [238]Es wäre freilich ein heller Tag, wo du deinen Norden in einen Süden umgeſezet hätteſt und die Ferne in vier in einander blickende Augen — Aber ich verzage nicht einmal daran; ich bin ein fliegendes Weſen, das ſchon alle Freunde wieder- und wiederfand — warum denn dich nicht? — Ich halte dich für ſehr gut; ſonſt würd’ ich nicht ſo an 15 dich ſchreiben als wär’ ich ein Jüngling und du einer. Wiewohl ich mich jeden Abend abſchatte, wenn ich vor Lichtern gehe: ſo hab’ ich doch keine Abſchattung. Meine Kupfer-Stiche nim immer für Dolch- u. a. Stiche. Nicht ein Wort iſt in den verdamten Zeichnungen wahr, und ich ſehe durchaus bisher nichts ähnlich als 20 mir und meiner Emma (So und Idoine ꝛc. heiſſet mein Kind.) — Liebe meinen Emanuel recht. Nirgends, nirgends fand ich Seines Gleichen, ſein Herz lebt blos von Beleben, Erfreuen iſt ſeine Freude. Und dieſes warme weiche zarte Herz ſtelt doch der Welt, wo ihrs nöthig iſt, eine mänliche Eiſen-Bruſt entgegen. 25 d. 22. Apr. Dein Kettler gefält mir als ein gewandter, beſonnener polierter Man, dem man Amt und Norden nicht anſieht. — So lebe recht wohl, Theuerer, mit deiner Geliebten, die wie ich höre, der meinigen ähnlich iſt. 30 J. P. F. Richter [Adr.] H. Konſiſtorialrath Roentgen Esens. 363. An Emanuel. Meiningen d. 26 Ap. 1803. Lieber! Nach Empfang Ihres heutigen Briefes an C. ſchreib’ ich 35 folgendes an Sie:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/221
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/221>, abgerufen am 24.11.2024.