Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.488. An Emanuel. Coburg d. 29. Jul. 1804.Ihre letztern Briefe, Guter, kamen immer gleich nach Abgang -- Einen sonderbaren langen Karakter-Brief des Herzog v. Gotha -- Wenn Sie gern die alte Mühe für uns haben wollen: so steht25 *) Töpfe werden wir auch wieder kaufen müssen. Mich jammerte von jeher
bei unsern Nomaden-Zügen nichts mehr als das Zurücklassen der schönsten Tiegel35 und Töpfe. Dem Himmel sei Dank, daß doch die Nachttöpfe von Zinn sind und zu transportieren. 488. An Emanuel. Coburg d. 29. Jul. 1804.Ihre letztern Briefe, Guter, kamen immer gleich nach Abgang — Einen ſonderbaren langen Karakter-Brief des Herzog v. Gotha — Wenn Sie gern die alte Mühe für uns haben wollen: ſo ſteht25 *) Töpfe werden wir auch wieder kaufen müſſen. Mich jammerte von jeher
bei unſern Nomaden-Zügen nichts mehr als das Zurücklaſſen der ſchönſten Tiegel35 und Töpfe. Dem Himmel ſei Dank, daß doch die Nachttöpfe von Zinn ſind und zu transportieren. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0319" n="306"/> <div type="letter" n="1"> <head>488. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Coburg</hi> d. 29. Jul. 1804.</hi> </dateline><lb/> <p>Ihre letztern Briefe, Guter, kamen immer gleich <hi rendition="#g">nach</hi> Abgang<lb/> der unſrigen an; ſo Ihr Fünfgulden-Brief. Es gibt eine mittlere<lb/> Temperatur, die blos Abweſenheit aber nicht Widerſpiel der Wärme<lb n="5"/> iſt, welche ſich oft im Ganzen eines Briefes faſt unwillkürlich zeigt.<lb/> Dieſes Ganze errath’ ich ſchon als Dichter ſtets beſſer als meine <hi rendition="#aq">C.;</hi><lb/> und ich zeigt’ ihrs oft in den Briefen ihrer <hi rendition="#aq">Minna.</hi> Aber warum ſoll<lb/> das Gefühl der Freundſchaft nicht auch ſeine Jahrszeiten haben,<lb/> ohne den <hi rendition="#g">geringſten</hi> Nachtheil ihres ewigen Lebens und Blühens?<lb n="10"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd4_340">[340]</ref></note>Ich ſagte ſonſt oft zu meinen Geliebtinnen: „könnt Ihr denn mehr ver-<lb/> langen als Gott? Und doch denkt man oft nicht oder nur kühl an ihn.“<lb/> Ein Freund kann nur wehe thun, wenn er gegen ſich ſelber ſündigt;<lb/> alles übrige iſt fliehender Irrthum. Spüren aber wird freilich der<lb/> andere jedes Irren, allein nur als einen phyſiſchen Unfall, und nicht<lb n="15"/> als moraliſchen Stoß. — Was Sie von der Vereinigung von „Mild<lb/> und Wild“ ſagen, kann ich weder unter- noch vorſchreiben; denn ich<lb/> hab’s ſchon 1000 ꝛc. mal in meinen Romanen ja nachgeſchrieben,<lb/> geſungen, gepfiffen, gepredigt. Himmel, ich wollte Ihnen ja ein Lob<lb/> zuwerfen! — Ein Mann ſtrebe zuerſt, ein Mann zu werden, dann ein<lb n="20"/> Weib, endlich beides; die Frau verfahre umgewandt.</p><lb/> <p>— Einen ſonderbaren langen Karakter-Brief des Herzog v. Gotha<lb/> bring’ ich Ihnen mit; ich habe wieder geantwortet; das Dedizieren<lb/> iſt noch zweifelhaft.</p><lb/> <p>— Wenn Sie gern die alte Mühe für uns haben wollen: ſo ſteht<lb n="25"/> ſie Ihnen zu Dienſten; wir brauchen nämlich zur Miethe (jetzt muß<lb/> ich hinablaufen und <hi rendition="#aq">C.</hi> fragen) einen 1) Spiegel, 2) einen Weiszeug-<lb/> 3) einen Kleiderſchrank und 4) eine Bettſtelle für die Magd.<note place="foot" n="*)">Töpfe werden wir auch wieder kaufen müſſen. Mich jammerte von jeher<lb/> bei unſern Nomaden-Zügen nichts mehr als das Zurücklaſſen der ſchönſten Tiegel<lb n="35"/> und Töpfe. Dem Himmel ſei Dank, daß doch die Nachttöpfe von Zinn ſind und<lb/> zu transportieren.</note> Ich<lb/> meines Orts brauche blos einen elenden altväteriſchen mit einer<lb/><hi rendition="#g">Schublade</hi> verſehenen Schreib- und Schmiertiſch; (um Gottes<lb n="30"/> Willen keinen verfluchten zarten Sekretair von Mahagony!) Kurz<lb/> einen Tiſch, deſſen ſich der ſchlechteſte Kanzliſt ſchämen würde. Ein<lb/> Wetterglas kauf ich mir in <hi rendition="#aq">Bayreuth.</hi> Ich bleibe ſo lang’ ich lebe, der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [306/0319]
488. An Emanuel.
Coburg d. 29. Jul. 1804.
Ihre letztern Briefe, Guter, kamen immer gleich nach Abgang
der unſrigen an; ſo Ihr Fünfgulden-Brief. Es gibt eine mittlere
Temperatur, die blos Abweſenheit aber nicht Widerſpiel der Wärme 5
iſt, welche ſich oft im Ganzen eines Briefes faſt unwillkürlich zeigt.
Dieſes Ganze errath’ ich ſchon als Dichter ſtets beſſer als meine C.;
und ich zeigt’ ihrs oft in den Briefen ihrer Minna. Aber warum ſoll
das Gefühl der Freundſchaft nicht auch ſeine Jahrszeiten haben,
ohne den geringſten Nachtheil ihres ewigen Lebens und Blühens? 10
Ich ſagte ſonſt oft zu meinen Geliebtinnen: „könnt Ihr denn mehr ver-
langen als Gott? Und doch denkt man oft nicht oder nur kühl an ihn.“
Ein Freund kann nur wehe thun, wenn er gegen ſich ſelber ſündigt;
alles übrige iſt fliehender Irrthum. Spüren aber wird freilich der
andere jedes Irren, allein nur als einen phyſiſchen Unfall, und nicht 15
als moraliſchen Stoß. — Was Sie von der Vereinigung von „Mild
und Wild“ ſagen, kann ich weder unter- noch vorſchreiben; denn ich
hab’s ſchon 1000 ꝛc. mal in meinen Romanen ja nachgeſchrieben,
geſungen, gepfiffen, gepredigt. Himmel, ich wollte Ihnen ja ein Lob
zuwerfen! — Ein Mann ſtrebe zuerſt, ein Mann zu werden, dann ein 20
Weib, endlich beides; die Frau verfahre umgewandt.
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— Einen ſonderbaren langen Karakter-Brief des Herzog v. Gotha
bring’ ich Ihnen mit; ich habe wieder geantwortet; das Dedizieren
iſt noch zweifelhaft.
— Wenn Sie gern die alte Mühe für uns haben wollen: ſo ſteht 25
ſie Ihnen zu Dienſten; wir brauchen nämlich zur Miethe (jetzt muß
ich hinablaufen und C. fragen) einen 1) Spiegel, 2) einen Weiszeug-
3) einen Kleiderſchrank und 4) eine Bettſtelle für die Magd. *) Ich
meines Orts brauche blos einen elenden altväteriſchen mit einer
Schublade verſehenen Schreib- und Schmiertiſch; (um Gottes 30
Willen keinen verfluchten zarten Sekretair von Mahagony!) Kurz
einen Tiſch, deſſen ſich der ſchlechteſte Kanzliſt ſchämen würde. Ein
Wetterglas kauf ich mir in Bayreuth. Ich bleibe ſo lang’ ich lebe, der
*) Töpfe werden wir auch wieder kaufen müſſen. Mich jammerte von jeher
bei unſern Nomaden-Zügen nichts mehr als das Zurücklaſſen der ſchönſten Tiegel 35
und Töpfe. Dem Himmel ſei Dank, daß doch die Nachttöpfe von Zinn ſind und
zu transportieren.
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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