Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite
89. An Karoline Mayer. [55]

Nur Eine Zeile. Ja wohl komm' ich, um 6 Uhr und zum Thee.
Auch morgen denk' ich ein wenig. Ich werd' im herlichen Pelze er-
scheinen und bin neugierig auf den Effekt. -- O du allein Himlische,5
denn du giebst den Himmel.

90. An Böttiger.

Ich wil gar nicht um Vergebung bitten sondern um Bestrafung,
da ich mein Schweigen doch nur vor mir entschuldigen kan. -- Meine10
Novitäten sind wahrscheinlich schon für Sie Antiquitäten; z. B. die
wenn ich Ihnen erzählen wolte, daß ein H. v. Held als Verfasser
"der beiden Jakobiner" eingezogen worden, daß seine Defension nur
eine stärkere Wiederholung des Buchs war und daß die 2 Beklagten
auch hier, aber im andern Sinne, den lezten Saz haben. -- Buri be-15
komt immer mehr fürstliche Gesichter unter seinen Pinsel; vielleicht
auch, wie mir die russische Gesandtin versprochen, das theuere der
Grosfürstin. -- Ich sehe Delbrük, den Prinzenmentor oft; der recht
viel von dem mythologischen im Thelemach [!] hat, und zur Weisheit
noch die Güte. -- Ich und Fichte disputieren häufig, aber mit gegen-20
seitiger Liebe und er besucht mich. -- Göthe's neues Stük gefiel nicht
einmal seinen Freunden. -- Merkel läuft mit seiner kritischen Sohl-
wage noch alle Wochen durch die Gassen, und Bosheit suppliert ihm
Gründe wie sonst Jahre; man mus doch einmal dieses leere Män-
leingen selber auf einige Minuten in die Fischwage werfen.25

Im Mai komm' ich auf 10 Tage nach Weimar, um vielleicht nach
Meiningen zu ziehen. --

Apropos! Thieriot, der jezt hier ist, sagte mir, daß man ihn für
den Architekten des "Thurms zu Babel" halte. Ich bitte Sie, diese
schon voraus von seinem Wiz und seinen moralischen Gesinnungen30
vernichtete Verläumdung auch mündlich mit vernichten zu helfen. --

Leben Sie wohl. Ich freue mich auf Ihr Wiedersehen. Grüssen[56]
[Sie] Ihre Frau, Herder und die Herzogin. --

Ihr
Richter
35
4 Jean Paul Briefe. IV.
89. An Karoline Mayer. [55]

Nur Eine Zeile. Ja wohl komm’ ich, um 6 Uhr und zum Thee.
Auch morgen denk’ ich ein wenig. Ich werd’ im herlichen Pelze er-
ſcheinen und bin neugierig auf den Effekt. — O du allein Himliſche,5
denn du giebſt den Himmel.

90. An Böttiger.

Ich wil gar nicht um Vergebung bitten ſondern um Beſtrafung,
da ich mein Schweigen doch nur vor mir entſchuldigen kan. — Meine10
Novitäten ſind wahrſcheinlich ſchon für Sie Antiquitäten; z. B. die
wenn ich Ihnen erzählen wolte, daß ein H. v. Held als Verfaſſer
„der beiden Jakobiner“ eingezogen worden, daß ſeine Defenſion nur
eine ſtärkere Wiederholung des Buchs war und daß die 2 Beklagten
auch hier, aber im andern Sinne, den lezten Saz haben. — Buri be-15
komt immer mehr fürſtliche Geſichter unter ſeinen Pinſel; vielleicht
auch, wie mir die ruſſiſche Geſandtin verſprochen, das theuere der
Grosfürſtin. — Ich ſehe Delbrük, den Prinzenmentor oft; der recht
viel von dem mythologiſchen im Thelemach [!] hat, und zur Weisheit
noch die Güte. — Ich und Fichte diſputieren häufig, aber mit gegen-20
ſeitiger Liebe und er beſucht mich. — Göthe’s neues Stük gefiel nicht
einmal ſeinen Freunden. — Merkel läuft mit ſeiner kritiſchen Sohl-
wage noch alle Wochen durch die Gaſſen, und Bosheit ſuppliert ihm
Gründe wie ſonſt Jahre; man mus doch einmal dieſes leere Män-
leingen ſelber auf einige Minuten in die Fiſchwage werfen.25

Im Mai komm’ ich auf 10 Tage nach Weimar, um vielleicht nach
Meiningen zu ziehen. —

Apropos! Thieriot, der jezt hier iſt, ſagte mir, daß man ihn für
den Architekten des „Thurms zu Babel“ halte. Ich bitte Sie, dieſe
ſchon voraus von ſeinem Wiz und ſeinen moraliſchen Geſinnungen30
vernichtete Verläumdung auch mündlich mit vernichten zu helfen. —

Leben Sie wohl. Ich freue mich auf Ihr Wiederſehen. Grüſſen[56]
[Sie] Ihre Frau, Herder und die Herzogin. —

Ihr
Richter
35
4 Jean Paul Briefe. IV.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0055" n="49"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>89. An <hi rendition="#g">Karoline Mayer.</hi> <note place="right"><ref target="1922_Bd4_55">[55]</ref></note></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Berlin, Febr. oder März 1801?]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Nur Eine Zeile. Ja wohl komm&#x2019; ich, um 6 Uhr und zum Thee.<lb/>
Auch morgen denk&#x2019; ich ein wenig. Ich werd&#x2019; im herlichen Pelze er-<lb/>
&#x017F;cheinen und bin neugierig auf den Effekt. &#x2014; O du allein Himli&#x017F;che,<lb n="5"/>
denn du gieb&#x017F;t den Himmel.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>90. An <hi rendition="#g">Böttiger.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Berlin.</hi> d. 1. März 1801.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich wil gar nicht um Vergebung bitten &#x017F;ondern um Be&#x017F;trafung,<lb/>
da ich mein Schweigen doch nur vor mir ent&#x017F;chuldigen kan. &#x2014; Meine<lb n="10"/>
Novitäten &#x017F;ind wahr&#x017F;cheinlich &#x017F;chon für Sie Antiquitäten; z. B. die<lb/>
wenn ich Ihnen erzählen wolte, daß ein H. <hi rendition="#aq">v. Held</hi> als Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x201E;der beiden Jakobiner&#x201C; eingezogen worden, daß &#x017F;eine Defen&#x017F;ion nur<lb/>
eine &#x017F;tärkere Wiederholung des Buchs war und daß die 2 Beklagten<lb/>
auch hier, aber im andern Sinne, den lezten Saz haben. &#x2014; <hi rendition="#aq">Buri</hi> be-<lb n="15"/>
komt immer mehr für&#x017F;tliche Ge&#x017F;ichter unter &#x017F;einen Pin&#x017F;el; vielleicht<lb/>
auch, wie mir die ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;andtin ver&#x017F;prochen, das theuere der<lb/>
Grosfür&#x017F;tin. &#x2014; Ich &#x017F;ehe <hi rendition="#aq">Delbrük,</hi> den Prinzenmentor oft; der recht<lb/>
viel von dem mythologi&#x017F;chen im Thelemach [!] hat, und zur Weisheit<lb/>
noch die Güte. &#x2014; Ich und <hi rendition="#aq">Fichte</hi> di&#x017F;putieren häufig, aber mit gegen-<lb n="20"/>
&#x017F;eitiger Liebe und er be&#x017F;ucht mich. &#x2014; <hi rendition="#aq">Göthe&#x2019;s</hi> neues Stük gefiel nicht<lb/>
einmal &#x017F;einen Freunden. &#x2014; <hi rendition="#aq">Merkel</hi> läuft mit &#x017F;einer kriti&#x017F;chen Sohl-<lb/>
wage noch alle Wochen durch die Ga&#x017F;&#x017F;en, und Bosheit &#x017F;uppliert ihm<lb/>
Gründe wie &#x017F;on&#x017F;t Jahre; man mus doch einmal die&#x017F;es leere Män-<lb/>
leingen &#x017F;elber auf einige Minuten in die Fi&#x017F;chwage werfen.<lb n="25"/>
</p>
        <p>Im Mai komm&#x2019; ich auf 10 Tage nach <hi rendition="#aq">Weimar,</hi> um vielleicht nach<lb/><hi rendition="#aq">Meiningen</hi> zu ziehen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Apropos! <hi rendition="#aq">Thieriot,</hi> der jezt hier i&#x017F;t, &#x017F;agte mir, daß man ihn für<lb/>
den Architekten des &#x201E;Thurms zu Babel&#x201C; halte. Ich bitte Sie, die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chon voraus von &#x017F;einem Wiz und &#x017F;einen morali&#x017F;chen Ge&#x017F;innungen<lb n="30"/>
vernichtete Verläumdung auch mündlich mit vernichten zu helfen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Leben Sie wohl. Ich freue mich auf Ihr Wieder&#x017F;ehen. Grü&#x017F;&#x017F;en<note place="right"><ref target="1922_Bd4_56">[56]</ref></note><lb/>
[Sie] Ihre Frau, <hi rendition="#aq">Herder</hi> und die Herzogin. &#x2014;</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ihr<lb/>
Richter</hi> <lb n="35"/>
          </salute>
        </closer>
      </div>
      <fw place="bottom" type="sig">4 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">IV.</hi></fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0055] 89. An Karoline Mayer. [Berlin, Febr. oder März 1801?] Nur Eine Zeile. Ja wohl komm’ ich, um 6 Uhr und zum Thee. Auch morgen denk’ ich ein wenig. Ich werd’ im herlichen Pelze er- ſcheinen und bin neugierig auf den Effekt. — O du allein Himliſche, 5 denn du giebſt den Himmel. 90. An Böttiger. Berlin. d. 1. März 1801. Ich wil gar nicht um Vergebung bitten ſondern um Beſtrafung, da ich mein Schweigen doch nur vor mir entſchuldigen kan. — Meine 10 Novitäten ſind wahrſcheinlich ſchon für Sie Antiquitäten; z. B. die wenn ich Ihnen erzählen wolte, daß ein H. v. Held als Verfaſſer „der beiden Jakobiner“ eingezogen worden, daß ſeine Defenſion nur eine ſtärkere Wiederholung des Buchs war und daß die 2 Beklagten auch hier, aber im andern Sinne, den lezten Saz haben. — Buri be- 15 komt immer mehr fürſtliche Geſichter unter ſeinen Pinſel; vielleicht auch, wie mir die ruſſiſche Geſandtin verſprochen, das theuere der Grosfürſtin. — Ich ſehe Delbrük, den Prinzenmentor oft; der recht viel von dem mythologiſchen im Thelemach [!] hat, und zur Weisheit noch die Güte. — Ich und Fichte diſputieren häufig, aber mit gegen- 20 ſeitiger Liebe und er beſucht mich. — Göthe’s neues Stük gefiel nicht einmal ſeinen Freunden. — Merkel läuft mit ſeiner kritiſchen Sohl- wage noch alle Wochen durch die Gaſſen, und Bosheit ſuppliert ihm Gründe wie ſonſt Jahre; man mus doch einmal dieſes leere Män- leingen ſelber auf einige Minuten in die Fiſchwage werfen. 25 Im Mai komm’ ich auf 10 Tage nach Weimar, um vielleicht nach Meiningen zu ziehen. — Apropos! Thieriot, der jezt hier iſt, ſagte mir, daß man ihn für den Architekten des „Thurms zu Babel“ halte. Ich bitte Sie, dieſe ſchon voraus von ſeinem Wiz und ſeinen moraliſchen Geſinnungen 30 vernichtete Verläumdung auch mündlich mit vernichten zu helfen. — Leben Sie wohl. Ich freue mich auf Ihr Wiederſehen. Grüſſen [Sie] Ihre Frau, Herder und die Herzogin. — [56] Ihr Richter 35 4 Jean Paul Briefe. IV.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/55
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/55>, abgerufen am 24.11.2024.