Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

Bild:
<< vorherige Seite

Gott, ich nehme jetzt jedes transßendente Werk mit wahrer Kälte
in die Hand -- oder aus Scherz -- oder zur Gymnastik --; aber
leider ohne alle Hoffnung, meine dürstende Seele in diesen arabischen
Wüsten, mit einer Quelle Wahrheit zu stärken, so sehr auch diese
Wüsten wie ihre Urbilder, durch Stralenbrechung von weitem5
Meere vorspiegeln.

In meiner Levana mußt du die Stellen von Kants Idealen der
Vernunft blos auf die Sittlichkeit einschränken.

336. An Emanuel.
10
Guten Morgen!

"Dank, daß Sie nicht immer unzufrieden mit mir sind". So könnt'
ich leichter Ihnen als Sie mir danken. Bishieher, das sag' ich Ihnen
vor Gott, waren Sie der einzige Mensch meiner Bekanntschaft,
mit dem ich es am wenigsten gewesen -- und was noch mehr ist,15
gerade jetzt im hellern, traum-losern Alter. -- Sie wissen, wie viel
weniger ich leider Freunden vergebe als Sie. Was soll ich weiter
sagen? Emanuel, vertrauen Sie ewig auf mein ewiges Vertrauen!
Und fragen Sie nach keinem dummen Schein des Zufalls!

337. An Emanuel.20

Guten Morgen, wenn Sie ihn haben können, Mitleidender, bei
den Schmerzen unserer Freundin! Jetzt in dieser Wolkenzeit hätte
wol das Schicksal sie mit diesem Gewitterschlage verschonen mögen.Es schmerzt mich sehr.25

338. An Emanuel.

Guten Morgen! Ich habe gestern in der Harmonie das schwache
Wetterprodukt meines Nebenbuhlers gelesen. Ich wollte, man
könnt' ihm das meinige in die Hände spielen, damit er drei Monate30
hinter einander geärgert und beschämt würde, wiewol er fein und
einfältig genug ist, immer weite Wörter wie "vermischt" "meistens"
zu gebrauchen. So kann ichs auch; wie jeder weiß. -- Das treffliche
Packpapier bringen Sie auf meine Rechnung.

Gott, ich nehme jetzt jedes transſzendente Werk mit wahrer Kälte
in die Hand — oder aus Scherz — oder zur Gymnaſtik —; aber
leider ohne alle Hoffnung, meine dürſtende Seele in dieſen arabiſchen
Wüſten, mit einer Quelle Wahrheit zu ſtärken, ſo ſehr auch dieſe
Wüſten wie ihre Urbilder, durch Stralenbrechung von weitem5
Meere vorſpiegeln.

In meiner Levana mußt du die Stellen von Kants Idealen der
Vernunft blos auf die Sittlichkeit einſchränken.

336. An Emanuel.
10
Guten Morgen!

„Dank, daß Sie nicht immer unzufrieden mit mir ſind“. So könnt’
ich leichter Ihnen als Sie mir danken. Bishieher, das ſag’ ich Ihnen
vor Gott, waren Sie der einzige Menſch meiner Bekanntſchaft,
mit dem ich es am wenigſten geweſen — und was noch mehr iſt,15
gerade jetzt im hellern, traum-loſern Alter. — Sie wiſſen, wie viel
weniger ich leider Freunden vergebe als Sie. Was ſoll ich weiter
ſagen? Emanuel, vertrauen Sie ewig auf mein ewiges Vertrauen!
Und fragen Sie nach keinem dummen Schein des Zufalls!

337. An Emanuel.20

Guten Morgen, wenn Sie ihn haben können, Mitleidender, bei
den Schmerzen unſerer Freundin! Jetzt in dieſer Wolkenzeit hätte
wol das Schickſal ſie mit dieſem Gewitterſchlage verſchonen mögen.Es ſchmerzt mich ſehr.25

338. An Emanuel.

Guten Morgen! Ich habe geſtern in der Harmonie das ſchwache
Wetterprodukt meines Nebenbuhlers geleſen. Ich wollte, man
könnt’ ihm das meinige in die Hände ſpielen, damit er drei Monate30
hinter einander geärgert und beſchämt würde, wiewol er fein und
einfältig genug iſt, immer weite Wörter wie „vermiſcht“ „meiſtens“
zu gebrauchen. So kann ichs auch; wie jeder weiß. — Das treffliche
Packpapier bringen Sie auf meine Rechnung.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <div>
          <postscript>
            <p><pb facs="#f0156" n="141"/>
Gott, ich nehme jetzt jedes trans&#x017F;zendente Werk mit wahrer Kälte<lb/>
in die Hand &#x2014; oder aus Scherz &#x2014; oder zur Gymna&#x017F;tik &#x2014;; aber<lb/>
leider ohne alle Hoffnung, meine dür&#x017F;tende Seele in die&#x017F;en arabi&#x017F;chen<lb/>&#x017F;ten, mit einer Quelle Wahrheit zu &#x017F;tärken, &#x017F;o &#x017F;ehr auch die&#x017F;e<lb/>&#x017F;ten wie ihre Urbilder, durch Stralenbrechung von weitem<lb n="5"/>
Meere vor&#x017F;piegeln.</p><lb/>
            <p>In meiner Levana mußt du die Stellen von Kants Idealen der<lb/>
Vernunft blos auf die Sittlichkeit ein&#x017F;chränken.</p>
          </postscript>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>336. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 1. April 1807]</hi> </dateline>
        <lb n="10"/>
        <salute>Guten Morgen!</salute><lb/>
        <p>&#x201E;Dank, daß Sie nicht immer unzufrieden mit mir &#x017F;ind&#x201C;. So könnt&#x2019;<lb/>
ich leichter Ihnen als Sie mir danken. Bishieher, das &#x017F;ag&#x2019; ich Ihnen<lb/>
vor Gott, waren Sie der einzige Men&#x017F;ch meiner Bekannt&#x017F;chaft,<lb/>
mit dem ich es am wenig&#x017F;ten gewe&#x017F;en &#x2014; und was noch mehr i&#x017F;t,<lb n="15"/>
gerade jetzt im hellern, traum-lo&#x017F;ern Alter. &#x2014; Sie wi&#x017F;&#x017F;en, wie viel<lb/>
weniger ich leider Freunden vergebe als Sie. Was &#x017F;oll ich weiter<lb/>
&#x017F;agen? Emanuel, vertrauen Sie ewig auf mein ewiges Vertrauen!<lb/>
Und fragen Sie nach keinem dummen Schein des Zufalls!</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>337. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi><lb n="20"/>
</head>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 2. April 1807]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Morgen, wenn Sie ihn haben können, Mitleidender, bei<lb/>
den Schmerzen un&#x017F;erer Freundin! Jetzt in die&#x017F;er Wolkenzeit hätte<lb/>
wol das Schick&#x017F;al &#x017F;ie mit die&#x017F;em Gewitter&#x017F;chlage ver&#x017F;chonen mögen.Es &#x017F;chmerzt mich &#x017F;ehr.<lb n="25"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>338. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 3. April 1807]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Morgen! Ich habe ge&#x017F;tern in der <hi rendition="#aq">Harmonie</hi> das &#x017F;chwache<lb/>
Wetterprodukt meines Nebenbuhlers gele&#x017F;en. Ich wollte, man<lb/>
könnt&#x2019; ihm das meinige in die Hände &#x017F;pielen, damit er drei Monate<lb n="30"/>
hinter einander geärgert und be&#x017F;chämt würde, wiewol er fein und<lb/>
einfältig genug i&#x017F;t, immer weite Wörter wie &#x201E;vermi&#x017F;cht&#x201C; &#x201E;mei&#x017F;tens&#x201C;<lb/>
zu gebrauchen. So kann ichs auch; wie jeder weiß. &#x2014; Das treffliche<lb/>
Packpapier bringen Sie auf meine Rechnung.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0156] Gott, ich nehme jetzt jedes transſzendente Werk mit wahrer Kälte in die Hand — oder aus Scherz — oder zur Gymnaſtik —; aber leider ohne alle Hoffnung, meine dürſtende Seele in dieſen arabiſchen Wüſten, mit einer Quelle Wahrheit zu ſtärken, ſo ſehr auch dieſe Wüſten wie ihre Urbilder, durch Stralenbrechung von weitem 5 Meere vorſpiegeln. In meiner Levana mußt du die Stellen von Kants Idealen der Vernunft blos auf die Sittlichkeit einſchränken. 336. An Emanuel. [Bayreuth, 1. April 1807] 10 Guten Morgen! „Dank, daß Sie nicht immer unzufrieden mit mir ſind“. So könnt’ ich leichter Ihnen als Sie mir danken. Bishieher, das ſag’ ich Ihnen vor Gott, waren Sie der einzige Menſch meiner Bekanntſchaft, mit dem ich es am wenigſten geweſen — und was noch mehr iſt, 15 gerade jetzt im hellern, traum-loſern Alter. — Sie wiſſen, wie viel weniger ich leider Freunden vergebe als Sie. Was ſoll ich weiter ſagen? Emanuel, vertrauen Sie ewig auf mein ewiges Vertrauen! Und fragen Sie nach keinem dummen Schein des Zufalls! 337. An Emanuel. 20 [Bayreuth, 2. April 1807] Guten Morgen, wenn Sie ihn haben können, Mitleidender, bei den Schmerzen unſerer Freundin! Jetzt in dieſer Wolkenzeit hätte wol das Schickſal ſie mit dieſem Gewitterſchlage verſchonen mögen.Es ſchmerzt mich ſehr. 25 338. An Emanuel. [Bayreuth, 3. April 1807] Guten Morgen! Ich habe geſtern in der Harmonie das ſchwache Wetterprodukt meines Nebenbuhlers geleſen. Ich wollte, man könnt’ ihm das meinige in die Hände ſpielen, damit er drei Monate 30 hinter einander geärgert und beſchämt würde, wiewol er fein und einfältig genug iſt, immer weite Wörter wie „vermiſcht“ „meiſtens“ zu gebrauchen. So kann ichs auch; wie jeder weiß. — Das treffliche Packpapier bringen Sie auf meine Rechnung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/156
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/156>, abgerufen am 27.11.2024.