Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.ihrer Dicke -- wenn dieß nicht identisch ist -- so begierig bin, hab' Mein guter Schlichtegroll wird dir zwar nicht auf der philo- Das Folgende ist blos eine Frage an dich: ein Freund fragt mich Mir gehts wie dir, nur dir aus höhern und genialen Gründen; ihrer Dicke — wenn dieß nicht identiſch iſt — ſo begierig bin, hab’ Mein guter Schlichtegroll wird dir zwar nicht auf der philo- Das Folgende iſt blos eine Frage an dich: ein Freund fragt mich Mir gehts wie dir, nur dir aus höhern und genialen Gründen; <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0179" n="164"/> ihrer Dicke — wenn dieß nicht identiſch iſt — ſo begierig bin, hab’<lb/> ich im dummen <hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> noch nicht aufgetrieben, aber meine<lb/> Stellnetze darnach ſchon ausgeſtellt. Du ſollſt darin „viele Wahr-<lb/> heiten“ geſagt haben, d. h. ſcharfe. — Sonderbar, daß die Menſchen<lb/> unter Wahrheiten-Sagen nur tadelnde, nie lobende meinen; ſo ſchwer<lb n="5"/> und ſelten iſt alſo dieſen guten Seelen, den Menſchen, das Tadeln.</p><lb/> <p>Mein guter <hi rendition="#aq">Schlichtegroll</hi> wird dir zwar nicht auf der philo-<lb/> ſophiſchen Arena und Sandwüſte und Sandbank — aber deſto mehr<lb/> im erſten und letzten Eden-Garten eines ſchönen reinen treuen<lb/> Herzens Genüge leiſten — Und mit ſeiner Frau kannſt du ſogar<lb n="10"/> diſputieren; ſie wird dich, wenn nicht beſiegen, doch auslachen<lb/> und lieben und herzlich anblicken. Viel ſchönes rouſſeauiſches oder<lb/> Genfer Blut rinnt durch ihr deutſches Herz. — <hi rendition="#aq">Schlichtegroll</hi><lb/> hab’ ich um die Leute (und deren Adreſſen) gebeten, wodurch man<lb/> in die Akademie hineinkommt; ich ſehe beim Henker nicht ein,<lb n="15"/> warum ich gar nichts werden und haben ſoll.</p><lb/> <p>Das Folgende iſt blos eine Frage an dich: ein Freund fragt mich<lb/> nämlich, ob ich nicht durch eine Konnexion in München dem Prof.<lb/> Voß in Halle, der ſeinem Ruf nach Dorpat gern eine Vokazion<lb/> in die erledigte hiſtoriſche Profeſſur in Landshut vorzöge, zur letztern<lb n="20"/> verhelfen helfen könnte. Joh. v. Müller ſchätzt ihn ſehr. Du weißt<lb/> am beſten, was meine Münchner Konnexionen ſind und vermögen.</p><lb/> <p>Mir gehts wie dir, nur dir aus höhern und genialen Gründen;<lb/> nichts hoffend von der Philoſophie, leſ’ ich doch die Philoſophen.<lb/> Eben leg’ ich Aſts Geſchichte der Philoſophie aus den Händen, die<lb n="25"/> mir ſehr gut zu ſein ſcheint und worin man die immer dünner auf<lb/> einander liegenden Luftſchichten bis zum Ausgehen des Athems<lb/> herrlich hinter einander durchſteigt. Aſt hält Schelling für den<lb/> Vor-Höchſten und ſchließt mit einer Verweiſung auf eine Luft-<lb/> ſchicht oder ein Werkchen von ſich ſelber, das natürlich erſt ein<lb n="30"/> anderer philoſophiſcher Hiſtoriker einzuſchalten hat. — Hegel<lb/> ſogar überraſchte — nach ſeinem verworrenen Schreiben oder<lb/> Denken gegen dich — in ſeinem neueſten philoſophiſchen Syſtem<lb/> mich ſehr durch ſeine Klarheit, Schreibart, Freiheit und Kraft; auch<lb/> er hat ſich vom Vater-Polypen <hi rendition="#aq">Schelling</hi> abgelöſet; wiewol man<lb n="35"/> alle dieſe nach einander abgehenden Arm- und Kopf-Polypen leicht<lb/> wieder in den Vater-Polypen ſtecken kann.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [164/0179]
ihrer Dicke — wenn dieß nicht identiſch iſt — ſo begierig bin, hab’
ich im dummen Bayreuth noch nicht aufgetrieben, aber meine
Stellnetze darnach ſchon ausgeſtellt. Du ſollſt darin „viele Wahr-
heiten“ geſagt haben, d. h. ſcharfe. — Sonderbar, daß die Menſchen
unter Wahrheiten-Sagen nur tadelnde, nie lobende meinen; ſo ſchwer 5
und ſelten iſt alſo dieſen guten Seelen, den Menſchen, das Tadeln.
Mein guter Schlichtegroll wird dir zwar nicht auf der philo-
ſophiſchen Arena und Sandwüſte und Sandbank — aber deſto mehr
im erſten und letzten Eden-Garten eines ſchönen reinen treuen
Herzens Genüge leiſten — Und mit ſeiner Frau kannſt du ſogar 10
diſputieren; ſie wird dich, wenn nicht beſiegen, doch auslachen
und lieben und herzlich anblicken. Viel ſchönes rouſſeauiſches oder
Genfer Blut rinnt durch ihr deutſches Herz. — Schlichtegroll
hab’ ich um die Leute (und deren Adreſſen) gebeten, wodurch man
in die Akademie hineinkommt; ich ſehe beim Henker nicht ein, 15
warum ich gar nichts werden und haben ſoll.
Das Folgende iſt blos eine Frage an dich: ein Freund fragt mich
nämlich, ob ich nicht durch eine Konnexion in München dem Prof.
Voß in Halle, der ſeinem Ruf nach Dorpat gern eine Vokazion
in die erledigte hiſtoriſche Profeſſur in Landshut vorzöge, zur letztern 20
verhelfen helfen könnte. Joh. v. Müller ſchätzt ihn ſehr. Du weißt
am beſten, was meine Münchner Konnexionen ſind und vermögen.
Mir gehts wie dir, nur dir aus höhern und genialen Gründen;
nichts hoffend von der Philoſophie, leſ’ ich doch die Philoſophen.
Eben leg’ ich Aſts Geſchichte der Philoſophie aus den Händen, die 25
mir ſehr gut zu ſein ſcheint und worin man die immer dünner auf
einander liegenden Luftſchichten bis zum Ausgehen des Athems
herrlich hinter einander durchſteigt. Aſt hält Schelling für den
Vor-Höchſten und ſchließt mit einer Verweiſung auf eine Luft-
ſchicht oder ein Werkchen von ſich ſelber, das natürlich erſt ein 30
anderer philoſophiſcher Hiſtoriker einzuſchalten hat. — Hegel
ſogar überraſchte — nach ſeinem verworrenen Schreiben oder
Denken gegen dich — in ſeinem neueſten philoſophiſchen Syſtem
mich ſehr durch ſeine Klarheit, Schreibart, Freiheit und Kraft; auch
er hat ſich vom Vater-Polypen Schelling abgelöſet; wiewol man 35
alle dieſe nach einander abgehenden Arm- und Kopf-Polypen leicht
wieder in den Vater-Polypen ſtecken kann.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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