Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.Michaelis kommen 2 Bändchen vermischte (alte und neue) Schriften; Mein Inneres übrigens ist jetzt starr, trocken, kalt; der Frühling Was werden wir einmal einander -- eigentlich du -- auf und ab- *) Denn wäre dieß nicht: so wäre bei der Überzahl der Schwachen und Dummen35
und Schlimmen längst die Menschheit eingesunken anstatt gestiegen. Michaelis kommen 2 Bändchen vermiſchte (alte und neue) Schriften; Mein Inneres übrigens iſt jetzt ſtarr, trocken, kalt; der Frühling Was werden wir einmal einander — eigentlich du — auf und ab- *) Denn wäre dieß nicht: ſo wäre bei der Überzahl der Schwachen und Dummen35
und Schlimmen längſt die Menſchheit eingeſunken anſtatt geſtiegen. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0234" n="218"/> Michaelis kommen 2 Bändchen vermiſchte (alte und neue) Schriften;<lb/> die Badreiſe eines <hi rendition="#aq">D.</hi> Katzenbergers ſoll in dir den kleinen Sprech-<lb/> Zyniſmus deines alten Freundes, der ſo oft mit dir über den Ekel<lb/> ſcherzte, etwas wieder (hoff’ ich) auffriſchen. Wahrſcheinlich kommt<lb/> auch Michaelis mein <hi rendition="#aq">Fibel</hi> heraus; nämlich die Biographie eines<lb n="5"/> gewiſſen <hi rendition="#aq">Fibels,</hi> der das fränkiſch-ſächſiſche Abcbuch gemacht, das<lb/> mit den Kupfern und Verſen: „ein Affe gar poßierlich iſt ꝛc.“ —<lb/> voran, ausgegeben wird. Eine Satire auf die Lebensbeſchreiber<lb/><hi rendition="#aq">Kants</hi> u. a. Ohne den Krieg wäre meine <hi rendition="#aq">Levana</hi> gewiß ſchon<lb/> wieder aufgelegt geworden; auch hab’ ich mir bei ihr wie bei [der]<lb n="10"/> <hi rendition="#aq">Vorschule</hi> die Nachzahlung des 6<hi rendition="#sup">ten</hi> <hi rendition="#aq">Ld’or</hi> bedungen; und von<lb/><hi rendition="#aq">Perthes</hi> hab’ ich dieſe auch ſchon bekommen. Sonderbar! bei keinem<lb/> Buche fürchtete ich mehr das Urtheil und Schickſal als bei dieſer<lb/><hi rendition="#aq">Levana;</hi> ſo wie ich eben ſo hoffte das des <hi rendition="#aq">Titans.</hi> Aber ſo über-<lb/> raſcht immer das Publikum, wenigſtens unangenehm. — In der<lb n="15"/> <hi rendition="#aq">Heidelberger L[iteratur] Zeitung</hi> helf’ ich ſehr mit rezenſieren;<lb/> und ich werde überhaupt ſtark geſucht. Jetzt ſollte Geld unter den<lb/> Leuten ſein; ich bekäme vieles davon.</p><lb/> <p>Mein Inneres übrigens iſt jetzt ſtarr, trocken, kalt; der Frühling<lb/> und alle ſeine Sternenhimmel haben mir nichts an; ich bleibe ſtarr-<lb n="20"/> kalt, bis das große Welt-〈Europa’s-〉 Spiel gewonnen iſt. Dieß<lb/> hält mich indeß nicht ab — denn es ſpornt mich an —, zum All-<lb/> Beſten mit Einzel-Kräften feurig mit zu wirken. Welchen die Zeit<lb/> niederſchlägt, der richte zuerſt dieſe wieder auf und dann ſich mit;<lb/> wenn die Vielheit der Teufel etwas vermag, ſo noch mehr die der<lb n="25"/> Engel; noch mehr, ſag’ ich; denn die menſchliche Natur gibt 10 Engeln<lb/> das Übergewicht über 100 Teufel.<note place="foot" n="*)">Denn wäre dieß nicht: ſo wäre bei der Überzahl der Schwachen und Dummen<lb n="35"/> und Schlimmen längſt die Menſchheit eingeſunken anſtatt geſtiegen.</note></p><lb/> <p>Was werden wir einmal einander — eigentlich du — auf und ab-<lb/> gehend und zu unmäßig dabei trinkend, nicht zu ſagen haben? Du<lb/> kannſt jetzt — und wenn du deinen halben Kopf zu Hauſe läſſeſt —<lb n="30"/> überall den beliebteſten aufgeweckteſten Geſellſchafter ſpielen blos<lb/> durch Erzählen. Ich werde wie ein naſſer begoßner Hund dabei<lb/> ſtehen und tropfen. — Dein ſchönes Glück hat mich nur erfreuet,<lb/> aber gar nicht überraſcht; und hätteſt du etwas von meinem kecken<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [218/0234]
Michaelis kommen 2 Bändchen vermiſchte (alte und neue) Schriften;
die Badreiſe eines D. Katzenbergers ſoll in dir den kleinen Sprech-
Zyniſmus deines alten Freundes, der ſo oft mit dir über den Ekel
ſcherzte, etwas wieder (hoff’ ich) auffriſchen. Wahrſcheinlich kommt
auch Michaelis mein Fibel heraus; nämlich die Biographie eines 5
gewiſſen Fibels, der das fränkiſch-ſächſiſche Abcbuch gemacht, das
mit den Kupfern und Verſen: „ein Affe gar poßierlich iſt ꝛc.“ —
voran, ausgegeben wird. Eine Satire auf die Lebensbeſchreiber
Kants u. a. Ohne den Krieg wäre meine Levana gewiß ſchon
wieder aufgelegt geworden; auch hab’ ich mir bei ihr wie bei [der] 10
Vorschule die Nachzahlung des 6ten Ld’or bedungen; und von
Perthes hab’ ich dieſe auch ſchon bekommen. Sonderbar! bei keinem
Buche fürchtete ich mehr das Urtheil und Schickſal als bei dieſer
Levana; ſo wie ich eben ſo hoffte das des Titans. Aber ſo über-
raſcht immer das Publikum, wenigſtens unangenehm. — In der 15
Heidelberger L[iteratur] Zeitung helf’ ich ſehr mit rezenſieren;
und ich werde überhaupt ſtark geſucht. Jetzt ſollte Geld unter den
Leuten ſein; ich bekäme vieles davon.
Mein Inneres übrigens iſt jetzt ſtarr, trocken, kalt; der Frühling
und alle ſeine Sternenhimmel haben mir nichts an; ich bleibe ſtarr- 20
kalt, bis das große Welt-〈Europa’s-〉 Spiel gewonnen iſt. Dieß
hält mich indeß nicht ab — denn es ſpornt mich an —, zum All-
Beſten mit Einzel-Kräften feurig mit zu wirken. Welchen die Zeit
niederſchlägt, der richte zuerſt dieſe wieder auf und dann ſich mit;
wenn die Vielheit der Teufel etwas vermag, ſo noch mehr die der 25
Engel; noch mehr, ſag’ ich; denn die menſchliche Natur gibt 10 Engeln
das Übergewicht über 100 Teufel. *)
Was werden wir einmal einander — eigentlich du — auf und ab-
gehend und zu unmäßig dabei trinkend, nicht zu ſagen haben? Du
kannſt jetzt — und wenn du deinen halben Kopf zu Hauſe läſſeſt — 30
überall den beliebteſten aufgeweckteſten Geſellſchafter ſpielen blos
durch Erzählen. Ich werde wie ein naſſer begoßner Hund dabei
ſtehen und tropfen. — Dein ſchönes Glück hat mich nur erfreuet,
aber gar nicht überraſcht; und hätteſt du etwas von meinem kecken
*) Denn wäre dieß nicht: ſo wäre bei der Überzahl der Schwachen und Dummen 35
und Schlimmen längſt die Menſchheit eingeſunken anſtatt geſtiegen.
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(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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