In Weimar bekam ich einen anonymen Brief aus Jena, der gewis der Ihrige gewesen. Ich danke dem Schicksal, daß Sie mich lieben: -- und Sie lieb' ich herzlich, wenn Sie auch nur Ihr Büchlein, nicht Ihren Brief geschrieben hätten.
Nachahmung ist etwas anderes als Nachäffung oder Nachahmerei;5 denn sonst gäb' es nur Einen originellen Autor, den ersten Schreiber. In Ihrem Büchlein gehören die Einfälle ja nur Ihnen allein; -- auch die Manier konnten Sie nicht abschreiben, sondern sie fort- setzen, wie ich ja selber thue, wenn ich weiter schreibe. Ihre Laune und deren Berechnung, oft bis auf das Wörtchen herab, hat mich10 sehr erquickt; und mein Wunsch ist nun, daß Sie vom Fragmen- tarischen zum Ganzen überschreiten und den Witz etc. etc. nur ein- schalten, der sich jetzt ein Privileg des Einschaltens einschaltet.
Ich und meine Frau erinnern uns noch sehr lebhaft, d. h. sehr froh der drei Schwestern, welche so schön an die schönste mytho-15 logische Drei erinnern. -- Aber Ihnen, und Ihrer Gattin noch mehr, kann das Schicksal den durchbohrenden Blitzstrahl nur durch einen seltnen Frühling vergüten; mich und noch mehr meine Frau hat die Thee-Wasserprobe zum Schaudern gebracht. Aber das hin- gegangne Wesen muß als Engel herunterschweben -- oder wer die20 Stelle vertritt -- und es muß längere Leiden heilen als es empfangen hat. -- Kurz nach einem solchen Unglück -- glauben Sie mir -- bereitet das Schicksal großes Glück zu; oder hat es schon gethan.
Leben Sie denn wol, trefflicher Mann! Jede Nachricht Ihres Fortlebens ist mir willkommen. Gegrüßet von ganzer Seele sei die25 Schöne, Zarte, und Lebens-Verwundete, wenn der letztere Ausdruck erlaubt ist, da sie einen solchen Mann hat! Es geh' Ihnen beiden wol!
Ihr Jean Paul Fr. Richter30
5. An Emanuel.
[Bayreuth, 10. Jan. 1809]
Guten Morgen, lieber Emanuel. Gern gäb' ich Ihnen die Re- zension, könnt' ich sie nur erst aus dem Umlaufe im Lese-Zirkel herausbekommen. Doch will ich an Langermann schreiben. -- Hier35 soll aber noch ein anderer die heidelberger Jahrbücher haben. --
In Weimar bekam ich einen anonymen Brief aus Jena, der gewis der Ihrige geweſen. Ich danke dem Schickſal, daß Sie mich lieben: — und Sie lieb’ ich herzlich, wenn Sie auch nur Ihr Büchlein, nicht Ihren Brief geſchrieben hätten.
Nachahmung iſt etwas anderes als Nachäffung oder Nachahmerei;5 denn ſonſt gäb’ es nur Einen originellen Autor, den erſten Schreiber. In Ihrem Büchlein gehören die Einfälle ja nur Ihnen allein; — auch die Manier konnten Sie nicht abſchreiben, ſondern ſie fort- ſetzen, wie ich ja ſelber thue, wenn ich weiter ſchreibe. Ihre Laune und deren Berechnung, oft bis auf das Wörtchen herab, hat mich10 ſehr erquickt; und mein Wunſch iſt nun, daß Sie vom Fragmen- tariſchen zum Ganzen überſchreiten und den Witz ꝛc. ꝛc. nur ein- ſchalten, der ſich jetzt ein Privileg des Einſchaltens einſchaltet.
Ich und meine Frau erinnern uns noch ſehr lebhaft, d. h. ſehr froh der drei Schweſtern, welche ſo ſchön an die ſchönſte mytho-15 logiſche Drei erinnern. — Aber Ihnen, und Ihrer Gattin noch mehr, kann das Schickſal den durchbohrenden Blitzſtrahl nur durch einen ſeltnen Frühling vergüten; mich und noch mehr meine Frau hat die Thee-Waſſerprobe zum Schaudern gebracht. Aber das hin- gegangne Weſen muß als Engel herunterſchweben — oder wer die20 Stelle vertritt — und es muß längere Leiden heilen als es empfangen hat. — Kurz nach einem ſolchen Unglück — glauben Sie mir — bereitet das Schickſal großes Glück zu; oder hat es ſchon gethan.
Leben Sie denn wol, trefflicher Mann! Jede Nachricht Ihres Fortlebens iſt mir willkommen. Gegrüßet von ganzer Seele ſei die25 Schöne, Zarte, und Lebens-Verwundete, wenn der letztere Ausdruck erlaubt iſt, da ſie einen ſolchen Mann hat! Es geh’ Ihnen beiden wol!
Ihr Jean Paul Fr. Richter30
5. An Emanuel.
[Bayreuth, 10. Jan. 1809]
Guten Morgen, lieber Emanuel. Gern gäb’ ich Ihnen die Re- zenſion, könnt’ ich ſie nur erſt aus dem Umlaufe im Leſe-Zirkel herausbekommen. Doch will ich an Langermann ſchreiben. — Hier35 ſoll aber noch ein anderer die heidelberger Jahrbücher haben. —
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[2/0011]
In Weimar bekam ich einen anonymen Brief aus Jena, der gewis
der Ihrige geweſen. Ich danke dem Schickſal, daß Sie mich lieben:
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nicht Ihren Brief geſchrieben hätten.
Nachahmung iſt etwas anderes als Nachäffung oder Nachahmerei; 5
denn ſonſt gäb’ es nur Einen originellen Autor, den erſten Schreiber.
In Ihrem Büchlein gehören die Einfälle ja nur Ihnen allein; —
auch die Manier konnten Sie nicht abſchreiben, ſondern ſie fort-
ſetzen, wie ich ja ſelber thue, wenn ich weiter ſchreibe. Ihre Laune
und deren Berechnung, oft bis auf das Wörtchen herab, hat mich 10
ſehr erquickt; und mein Wunſch iſt nun, daß Sie vom Fragmen-
tariſchen zum Ganzen überſchreiten und den Witz ꝛc. ꝛc. nur ein-
ſchalten, der ſich jetzt ein Privileg des Einſchaltens einſchaltet.
Ich und meine Frau erinnern uns noch ſehr lebhaft, d. h. ſehr
froh der drei Schweſtern, welche ſo ſchön an die ſchönſte mytho- 15
logiſche Drei erinnern. — Aber Ihnen, und Ihrer Gattin noch
mehr, kann das Schickſal den durchbohrenden Blitzſtrahl nur durch
einen ſeltnen Frühling vergüten; mich und noch mehr meine Frau
hat die Thee-Waſſerprobe zum Schaudern gebracht. Aber das hin-
gegangne Weſen muß als Engel herunterſchweben — oder wer die 20
Stelle vertritt — und es muß längere Leiden heilen als es empfangen
hat. — Kurz nach einem ſolchen Unglück — glauben Sie mir —
bereitet das Schickſal großes Glück zu; oder hat es ſchon gethan.
Leben Sie denn wol, trefflicher Mann! Jede Nachricht Ihres
Fortlebens iſt mir willkommen. Gegrüßet von ganzer Seele ſei die 25
Schöne, Zarte, und Lebens-Verwundete, wenn der letztere Ausdruck
erlaubt iſt, da ſie einen ſolchen Mann hat! Es geh’ Ihnen beiden
wol!
Ihr
Jean Paul Fr. Richter 30
5. An Emanuel.
[Bayreuth, 10. Jan. 1809]
Guten Morgen, lieber Emanuel. Gern gäb’ ich Ihnen die Re-
zenſion, könnt’ ich ſie nur erſt aus dem Umlaufe im Leſe-Zirkel
herausbekommen. Doch will ich an Langermann ſchreiben. — Hier 35
ſoll aber noch ein anderer die heidelberger Jahrbücher haben. —
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/11>, abgerufen am 03.12.2024.
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