Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu schreiben gedachte. -- Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen und Vogelfang zusammen. Dem Leser Ihres Büchleins thut eben das Besondere, ja Individuelle der Darstellungen so wol, eben weil5 im Bestimmtesten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um- gekehrt in diesem jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und Kraft dazu, das Individuelle an und in sich nur zu fassen, geschweige zu geben.
Ehe Sie Ihren "Jesus von Nazareth" malen, lesen Sie ja vorher10 alle "christliche Schriften" Herders durch, für mich der 13te Apostel. Mir ist in der Kirchengeschichte noch kein Geist vorgekommen, der so ätherisch und so fromm und so leicht und so weit sich breitend und so innig in sich gehend, den großen Christus-Geist in sich auf- genommen hätte, als eben der Herder, dessen Antlitz nun ohne den15 hebenden Geist verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde; denn ein vor Kurzem Gestorbner ruft zu mächtig uns seine Unsterb- lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekanntschaft sehen, und zu schmerzhaftern machen möchten.
d. 25 Jenn.20
Heut ist Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich schicke endlich diesen Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim heißt! Es gehe Ihrer schönen lichten Seele wol in der verfinsterten Zeit!
Ihr25 J. P. Fr. Richter
448. An Emanuel.
[Bayreuth, 26. Jan. 1811]
Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das Eßgeschenk, kam gestern nicht sogleich vor mich; denn sonst hätt'30 ich mich für sie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben wir noch die Walfisch-Forelle. -- Aus dem Briefe des Rentmeisters will Otto schließen, daß mein Pension nun aus der Staatskasse gezahlet werde; und Sie?
Von Langermann wird Otto Ihnen einen schönen Brief an mich35 geben.
[Es folgen noch einige Zeilen von Karoline]
12*
d. 23 Jenn.
Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu ſchreiben gedachte. — Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen und Vogelfang zuſammen. Dem Leſer Ihres Büchleins thut eben das Beſondere, ja Individuelle der Darſtellungen ſo wol, eben weil5 im Beſtimmteſten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um- gekehrt in dieſem jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und Kraft dazu, das Individuelle an und in ſich nur zu faſſen, geſchweige zu geben.
Ehe Sie Ihren „Jeſus von Nazareth“ malen, leſen Sie ja vorher10 alle „chriſtliche Schriften“ Herders durch, für mich der 13te Apoſtel. Mir iſt in der Kirchengeſchichte noch kein Geiſt vorgekommen, der ſo ätheriſch und ſo fromm und ſo leicht und ſo weit ſich breitend und ſo innig in ſich gehend, den großen Chriſtus-Geiſt in ſich auf- genommen hätte, als eben der Herder, deſſen Antlitz nun ohne den15 hebenden Geiſt verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde; denn ein vor Kurzem Geſtorbner ruft zu mächtig uns ſeine Unſterb- lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekanntſchaft ſehen, und zu ſchmerzhaftern machen möchten.
d. 25 Jenn.20
Heut iſt Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich ſchicke endlich dieſen Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim heißt! Es gehe Ihrer ſchönen lichten Seele wol in der verfinſterten Zeit!
Ihr25 J. P. Fr. Richter
448. An Emanuel.
[Bayreuth, 26. Jan. 1811]
Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das Eßgeſchenk, kam geſtern nicht ſogleich vor mich; denn ſonſt hätt’30 ich mich für ſie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben wir noch die Walfiſch-Forelle. — Aus dem Briefe des Rentmeiſters will Otto ſchließen, daß mein Penſion nun aus der Staatskaſſe gezahlet werde; und Sie?
Von Langermann wird Otto Ihnen einen ſchönen Brief an mich35 geben.
[Es folgen noch einige Zeilen von Karoline]
12*
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><pbfacs="#f0192"n="179"/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">d. 23 Jenn.</hi></dateline><lb/><p>Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu ſchreiben gedachte. —<lb/>
Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen<lb/>
und Vogelfang zuſammen. Dem Leſer Ihres Büchleins thut eben<lb/>
das Beſondere, ja Individuelle der Darſtellungen ſo wol, eben weil<lbn="5"/>
im Beſtimmteſten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um-<lb/>
gekehrt in dieſem jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und<lb/>
Kraft dazu, das Individuelle an und in ſich nur zu faſſen, geſchweige<lb/>
zu geben.</p><lb/><p>Ehe Sie Ihren „Jeſus von Nazareth“ malen, leſen Sie ja vorher<lbn="10"/>
alle „chriſtliche Schriften“ Herders durch, für mich der 13<hirendition="#sup">te</hi> Apoſtel.<lb/>
Mir iſt in der Kirchengeſchichte noch kein Geiſt vorgekommen, der<lb/>ſo ätheriſch und ſo fromm und ſo leicht und ſo weit ſich breitend<lb/>
und ſo innig in ſich gehend, den großen Chriſtus-Geiſt in ſich auf-<lb/>
genommen hätte, als eben der Herder, deſſen Antlitz nun ohne den<lbn="15"/>
hebenden Geiſt verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde;<lb/>
denn ein vor Kurzem Geſtorbner ruft zu mächtig uns ſeine Unſterb-<lb/>
lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekanntſchaft ſehen, und zu<lb/>ſchmerzhaftern machen möchten.</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">d. 25 Jenn.</hi></dateline><lbn="20"/><p>Heut iſt Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich ſchicke<lb/>
endlich dieſen Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim<lb/>
heißt! Es gehe Ihrer ſchönen lichten Seele wol in der verfinſterten<lb/>
Zeit!</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Ihr<lbn="25"/>
J. P. Fr. Richter</hi></salute></closer></div></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>448. An <hirendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right">[Bayreuth, 26. Jan. 1811]</hi></dateline><lb/><p>Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das<lb/>
Eßgeſchenk, kam geſtern nicht ſogleich vor mich; denn ſonſt hätt’<lbn="30"/>
ich mich für ſie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben<lb/>
wir noch die Walfiſch-Forelle. — Aus dem Briefe des Rentmeiſters<lb/>
will <hirendition="#aq">Otto</hi>ſchließen, daß mein Penſion nun aus der Staatskaſſe<lb/>
gezahlet werde; und Sie?</p><lb/><p>Von Langermann wird <hirendition="#aq">Otto</hi> Ihnen einen ſchönen Brief an mich<lbn="35"/>
geben.</p><lb/><notetype="editorial"><hirendition="#c"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">[Es folgen noch einige Zeilen von Karoline]</hi></hi></hi></note></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig">12*</fw><lb/></body></text></TEI>
[179/0192]
d. 23 Jenn.
Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu ſchreiben gedachte. —
Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen
und Vogelfang zuſammen. Dem Leſer Ihres Büchleins thut eben
das Beſondere, ja Individuelle der Darſtellungen ſo wol, eben weil 5
im Beſtimmteſten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um-
gekehrt in dieſem jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und
Kraft dazu, das Individuelle an und in ſich nur zu faſſen, geſchweige
zu geben.
Ehe Sie Ihren „Jeſus von Nazareth“ malen, leſen Sie ja vorher 10
alle „chriſtliche Schriften“ Herders durch, für mich der 13te Apoſtel.
Mir iſt in der Kirchengeſchichte noch kein Geiſt vorgekommen, der
ſo ätheriſch und ſo fromm und ſo leicht und ſo weit ſich breitend
und ſo innig in ſich gehend, den großen Chriſtus-Geiſt in ſich auf-
genommen hätte, als eben der Herder, deſſen Antlitz nun ohne den 15
hebenden Geiſt verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde;
denn ein vor Kurzem Geſtorbner ruft zu mächtig uns ſeine Unſterb-
lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekanntſchaft ſehen, und zu
ſchmerzhaftern machen möchten.
d. 25 Jenn. 20
Heut iſt Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich ſchicke
endlich dieſen Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim
heißt! Es gehe Ihrer ſchönen lichten Seele wol in der verfinſterten
Zeit!
Ihr 25
J. P. Fr. Richter
448. An Emanuel.
[Bayreuth, 26. Jan. 1811]
Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das
Eßgeſchenk, kam geſtern nicht ſogleich vor mich; denn ſonſt hätt’ 30
ich mich für ſie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben
wir noch die Walfiſch-Forelle. — Aus dem Briefe des Rentmeiſters
will Otto ſchließen, daß mein Penſion nun aus der Staatskaſſe
gezahlet werde; und Sie?
Von Langermann wird Otto Ihnen einen ſchönen Brief an mich 35
geben.
12*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/192>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.