genöthigt werden, auszuziehen, so werd' ich mit Vergnügen mich Ihrer Gefälligkeit und der Schönheit Ihres Quartiers erinnern.
Baireuth d. 27. Aug. 1814
J. P. F. Richter
919. An Graf Einsiedel in Dresden.5
[Kopie][Bayreuth, 27. Aug. 1814]
Verzeihen Sie mein Schweigen und mein -- Schreiben ... Sie waren mir immer ein wahrer Prophet, wenn Sie etwas Gutes weißagten -- und darum waren Sie mir selten einer --; ich hoffe, daß Sie es jetzo noch weniger sind, wo Sie kein Gutes weißagen.10 Blos aus Überfluß an Verstand, an Welt und Hofkenntnissen wären Sie z. B. unfähig gewesen, das glückliche Jahr 1813 vorauszusagen.. Übrigens deuten alle Zeichen der Zeit, der gekrönten Mäßigung und Unpartheilichkeit dahin, daß der Friedens Kongreß den Kriegs Kongressen ähnlich bleiben etc. ... Waten Sie unerkältet durch den15 frostigsten Zeitraum des Lebens, den der Unentschiedenheit und des Harrens hindurch.
*920. An Mumenthaler in Langenthal.
Baireuth d. 27. Aug. 1814
Mein Dank, Guter! blieb lange aus, obgleich jeden Tag mein20 Gaumen mein Herz anpredigte, indeß sonst umgekehrt dieses jenen zur Rede setzt. Gleichwol bleib' ich dabei, daß Ihr alter Käse schmackhafter und kräftiger ist als die neueste Schweiz. Denn ich bin -- mit Deutschland -- mehr auf Görres Seite als auf Zschok- kens. Die Schweizer sind jenseits der Schweiz keine; -- so wie alle25 Republikaner, die Engländer ausgenommen, nichts für fremde Freiheit thun und alles nur für eigne. Gott wird doch endlich eine Zeit und einen kosmopolitischen Fürsten schicken, welcher, wie Gott selber, nichts auf der seelarmen und leibreichen und leibeignen Erde frei machen will als diese selber ganz.30
Sie sehen aus meinem Beispiel und Briefe, wie man mitten aus den wärmsten und dankbarsten Gefühlen weit abkommt in die ver- dammte Politik hinein.
genöthigt werden, auszuziehen, ſo werd’ ich mit Vergnügen mich Ihrer Gefälligkeit und der Schönheit Ihres Quartiers erinnern.
Baireuth d. 27. Aug. 1814
J. P. F. Richter
919. An Graf Einſiedel in Dresden.5
[Kopie][Bayreuth, 27. Aug. 1814]
Verzeihen Sie mein Schweigen und mein — Schreiben ... Sie waren mir immer ein wahrer Prophet, wenn Sie etwas Gutes weißagten — und darum waren Sie mir ſelten einer —; ich hoffe, daß Sie es jetzo noch weniger ſind, wo Sie kein Gutes weißagen.10 Blos aus Überfluß an Verſtand, an Welt und Hofkenntniſſen wären Sie z. B. unfähig geweſen, das glückliche Jahr 1813 vorauszuſagen.. Übrigens deuten alle Zeichen der Zeit, der gekrönten Mäßigung und Unpartheilichkeit dahin, daß der Friedens Kongreß den Kriegs Kongreſſen ähnlich bleiben ꝛc. ... Waten Sie unerkältet durch den15 froſtigſten Zeitraum des Lebens, den der Unentſchiedenheit und des Harrens hindurch.
*920. An Mumenthaler in Langenthal.
Baireuth d. 27. Aug. 1814
Mein Dank, Guter! blieb lange aus, obgleich jeden Tag mein20 Gaumen mein Herz anpredigte, indeß ſonſt umgekehrt dieſes jenen zur Rede ſetzt. Gleichwol bleib’ ich dabei, daß Ihr alter Käſe ſchmackhafter und kräftiger iſt als die neueſte Schweiz. Denn ich bin — mit Deutſchland — mehr auf Görres Seite als auf Zſchok- kens. Die Schweizer ſind jenſeits der Schweiz keine; — ſo wie alle25 Republikaner, die Engländer ausgenommen, nichts für fremde Freiheit thun und alles nur für eigne. Gott wird doch endlich eine Zeit und einen kosmopolitiſchen Fürſten ſchicken, welcher, wie Gott ſelber, nichts auf der ſeelarmen und leibreichen und leibeignen Erde frei machen will als dieſe ſelber ganz.30
Sie ſehen aus meinem Beiſpiel und Briefe, wie man mitten aus den wärmſten und dankbarſten Gefühlen weit abkommt in die ver- dammte Politik hinein.
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[397/0413]
genöthigt werden, auszuziehen, ſo werd’ ich mit Vergnügen mich
Ihrer Gefälligkeit und der Schönheit Ihres Quartiers erinnern.
Baireuth d. 27. Aug. 1814
J. P. F. Richter
919. An Graf Einſiedel in Dresden. 5
[Bayreuth, 27. Aug. 1814]
Verzeihen Sie mein Schweigen und mein — Schreiben ... Sie
waren mir immer ein wahrer Prophet, wenn Sie etwas Gutes
weißagten — und darum waren Sie mir ſelten einer —; ich hoffe,
daß Sie es jetzo noch weniger ſind, wo Sie kein Gutes weißagen. 10
Blos aus Überfluß an Verſtand, an Welt und Hofkenntniſſen wären
Sie z. B. unfähig geweſen, das glückliche Jahr 1813 vorauszuſagen..
Übrigens deuten alle Zeichen der Zeit, der gekrönten Mäßigung und
Unpartheilichkeit dahin, daß der Friedens Kongreß den Kriegs
Kongreſſen ähnlich bleiben ꝛc. ... Waten Sie unerkältet durch den 15
froſtigſten Zeitraum des Lebens, den der Unentſchiedenheit und des
Harrens hindurch.
*920. An Mumenthaler in Langenthal.
Baireuth d. 27. Aug. 1814
Mein Dank, Guter! blieb lange aus, obgleich jeden Tag mein 20
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ſchmackhafter und kräftiger iſt als die neueſte Schweiz. Denn ich
bin — mit Deutſchland — mehr auf Görres Seite als auf Zſchok-
kens. Die Schweizer ſind jenſeits der Schweiz keine; — ſo wie alle 25
Republikaner, die Engländer ausgenommen, nichts für fremde
Freiheit thun und alles nur für eigne. Gott wird doch endlich eine
Zeit und einen kosmopolitiſchen Fürſten ſchicken, welcher, wie Gott
ſelber, nichts auf der ſeelarmen und leibreichen und leibeignen Erde
frei machen will als dieſe ſelber ganz. 30
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/413>, abgerufen am 24.11.2024.
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