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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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flaschen auf dem Schiff ließen doch diesen Ton bestehen. -- Von der
Gegend lasse mich um Gottes Willen nichts sagen, ausgenommen
abends, wenn ich dir wieder gegenüber sitze.

Dem herzigen urdeutschen liebereichen und kraftreichen Voß hab'
ich auf dem Schiffe das Sie genommen und habe nun in so alten5
Jahren ein neues Du mehr gemacht.

Max muß mir in Heidelberg studieren; lauter Schutzgeister um-
geben ihn in Gestalt meiner Freunde.

Sehr theuer ist es hier. Die erste Woche zahlt' ich im Gasthofe
22 fl.*); aber ein Misverständnis des Kellners war Mitursache;10
für einen Schoppen Wein zu 48 Kreuzer hielt ich eine Flasche, die
eben 2 Schoppen ist; ferner den Tischwein für darein gegeben wie bei
uns das Bier, der jedoch 20 kr. kostete. In Würzburg zahlt' ich für
1 Abend-, 1 Mittagessen und 2 Frühstücke (den mäßigen Kutscher
eingerechnet) 8 fl. -- Der Krug Bier kostet 12 kr., ein Mittag-15
essen 40 kr. Die englischen Waren sind hier theuerer als in
Frankfurt.

Nach Manheim werd' ich mit Gesellschaft reisen, besonders da
Sternberg bei mir gewesen. -- Gesund bin ich unglaublich, ich mag
trinken, reden und wachen wie ich will. -- Deine Briefe kamen an.20
-- Wie ist euere Ernte? -- Hier wechselt der Himmel und stört sie;
indeß gibt es hier selten Bettler und kein krüpelhaftes Haus. Am
Montage wird jedoch das bessere Wetter kommen.

25

Welcher herrliche Abendzirkel und Regenbogen gestern um den
Tisch, gemacht aus lauter Professoren und Künstlern, Hirt (zurück
kommend aus Italien) -- Aerzten -- Philosophen -- Philologen --
Theologen -- Juristen -- Physiker[n] -- Kunstkennerninhabern
wie Boisseret -- und dem jovialen Kreuzer! --

Jetzo allerlei durch einander, weil jemand neben mir sitzt -- Trinke30
erstlich recht viel Bier aus und ziehe neues ab, sobald Rerehni gutes
hat. Den Wein ziehst du in der Woche meiner Ankunft ab und auf
lauter Krüge, und auf die Paar dünnen Bouteillen. -- Deine beiden
Herzbriefe hab' ich erhalten; vermehre sie ja bald. -- Schreibe mir
den Tag des Empfangs jedes meinigen, damit ich darnach aufgebe.35

*) die 2te zahlte ich 13 fl.

flaſchen auf dem Schiff ließen doch dieſen Ton beſtehen. — Von der
Gegend laſſe mich um Gottes Willen nichts ſagen, ausgenommen
abends, wenn ich dir wieder gegenüber ſitze.

Dem herzigen urdeutſchen liebereichen und kraftreichen Voß hab’
ich auf dem Schiffe das Sie genommen und habe nun in ſo alten5
Jahren ein neues Du mehr gemacht.

Max muß mir in Heidelberg ſtudieren; lauter Schutzgeiſter um-
geben ihn in Geſtalt meiner Freunde.

Sehr theuer iſt es hier. Die erſte Woche zahlt’ ich im Gaſthofe
22 fl.*); aber ein Misverſtändnis des Kellners war Miturſache;10
für einen Schoppen Wein zu 48 Kreuzer hielt ich eine Flaſche, die
eben 2 Schoppen iſt; ferner den Tiſchwein für darein gegeben wie bei
uns das Bier, der jedoch 20 kr. koſtete. In Würzburg zahlt’ ich für
1 Abend-, 1 Mittageſſen und 2 Frühſtücke (den mäßigen Kutſcher
eingerechnet) 8 fl. — Der Krug Bier koſtet 12 kr., ein Mittag-15
eſſen 40 kr. Die engliſchen Waren ſind hier theuerer als in
Frankfurt.

Nach Manheim werd’ ich mit Geſellſchaft reiſen, beſonders da
Sternberg bei mir geweſen. — Geſund bin ich unglaublich, ich mag
trinken, reden und wachen wie ich will. — Deine Briefe kamen an.20
— Wie iſt euere Ernte? — Hier wechſelt der Himmel und ſtört ſie;
indeß gibt es hier ſelten Bettler und kein krüpelhaftes Haus. Am
Montage wird jedoch das beſſere Wetter kommen.

25

Welcher herrliche Abendzirkel und Regenbogen geſtern um den
Tiſch, gemacht aus lauter Profeſſoren und Künſtlern, Hirt (zurück
kommend aus Italien) — Aerzten — Philoſophen — Philologen —
Theologen — Juriſten — Phyſiker[n] — Kunſtkennern〈inhabern〉
wie Boiſſeret — und dem jovialen Kreuzer! —

Jetzo allerlei durch einander, weil jemand neben mir ſitzt — Trinke30
erſtlich recht viel Bier aus und ziehe neues ab, ſobald Rerehni gutes
hat. Den Wein ziehſt du in der Woche meiner Ankunft ab und auf
lauter Krüge, und auf die Paar dünnen Bouteillen. — Deine beiden
Herzbriefe hab’ ich erhalten; vermehre ſie ja bald. — Schreibe mir
den Tag des Empfangs jedes meinigen, damit ich darnach aufgebe.35

*) die 2te zahlte ich 13 fl.
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[123/0130] flaſchen auf dem Schiff ließen doch dieſen Ton beſtehen. — Von der Gegend laſſe mich um Gottes Willen nichts ſagen, ausgenommen abends, wenn ich dir wieder gegenüber ſitze. Dem herzigen urdeutſchen liebereichen und kraftreichen Voß hab’ ich auf dem Schiffe das Sie genommen und habe nun in ſo alten 5 Jahren ein neues Du mehr gemacht. Max muß mir in Heidelberg ſtudieren; lauter Schutzgeiſter um- geben ihn in Geſtalt meiner Freunde. Sehr theuer iſt es hier. Die erſte Woche zahlt’ ich im Gaſthofe 22 fl. *); aber ein Misverſtändnis des Kellners war Miturſache; 10 für einen Schoppen Wein zu 48 Kreuzer hielt ich eine Flaſche, die eben 2 Schoppen iſt; ferner den Tiſchwein für darein gegeben wie bei uns das Bier, der jedoch 20 kr. koſtete. In Würzburg zahlt’ ich für 1 Abend-, 1 Mittageſſen und 2 Frühſtücke (den mäßigen Kutſcher eingerechnet) 8 fl. — Der Krug Bier koſtet 12 kr., ein Mittag- 15 eſſen 40 kr. Die engliſchen Waren ſind hier theuerer als in Frankfurt. Nach Manheim werd’ ich mit Geſellſchaft reiſen, beſonders da Sternberg bei mir geweſen. — Geſund bin ich unglaublich, ich mag trinken, reden und wachen wie ich will. — Deine Briefe kamen an. 20 — Wie iſt euere Ernte? — Hier wechſelt der Himmel und ſtört ſie; indeß gibt es hier ſelten Bettler und kein krüpelhaftes Haus. Am Montage wird jedoch das beſſere Wetter kommen. den 19ten 25 Welcher herrliche Abendzirkel und Regenbogen geſtern um den Tiſch, gemacht aus lauter Profeſſoren und Künſtlern, Hirt (zurück kommend aus Italien) — Aerzten — Philoſophen — Philologen — Theologen — Juriſten — Phyſiker[n] — Kunſtkennern〈inhabern〉 wie Boiſſeret — und dem jovialen Kreuzer! — Jetzo allerlei durch einander, weil jemand neben mir ſitzt — Trinke 30 erſtlich recht viel Bier aus und ziehe neues ab, ſobald Rerehni gutes hat. Den Wein ziehſt du in der Woche meiner Ankunft ab und auf lauter Krüge, und auf die Paar dünnen Bouteillen. — Deine beiden Herzbriefe hab’ ich erhalten; vermehre ſie ja bald. — Schreibe mir den Tag des Empfangs jedes meinigen, damit ich darnach aufgebe. 35 *) die 2te zahlte ich 13 fl.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/130>, abgerufen am 16.05.2024.