Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie wollten die Güte haben -- oder haben sie schon gehabt --, die
20 fl. an Kunz in Bamberg bezahlen zu lassen. Hier send' ich sie.
-- Die Unkaiserin Louise ist in ein Nonnenkloster in Ungarn gebracht
worden. Wäre sie nur ein Jahrzehend eher in eines gegangen!5

49. An Emanuel.

Guten Morgen, mein Emanuel! Ich höre leider, daß Kranksein
gerade in Ihre Festzeit fällt. Schonen Sie sich ja in Ihrem Katarrh,
da in diesem Jahre die K[atarrhe] so bösartig sind wie N[apoleon].
-- Hier schick' ich zu einiger Erheiterung dieses Büchlein, wovon Sie10
nur die Theateranekdoten und die Reise wider willen zu lesen haben.

50. An Emanuel.

Immer mein alter Geber, der nicht satt kriegt, zu geben, wie
andere nicht satt, zu nehmen. Aber eben von Ihnen, da ich Ihre15
Freude an fremdem Genuße kenne, nehm ich alles am liebsten an
und sage blos: Gott geb es Ihm in schöner Gestalt wieder.

51. An Frau von Lochner in München.
[Kopie]20

Gnädige Frau! Gäb' es keine höhere Pflicht als die der Dank-
barkeit, so würd' ich Ihren Wunsch mit Freuden erfüllen. Aber
Wahrhaftigkeit ist eine noch höhere. Zum ersten male in meinem
Leben müßt' ich gegen eine edle Seele Wärme und Unabsichtlichkeit
heucheln, um jene zu einem Mittel meines Ziels zu verbrauchen,
gerade gegen eine Seele, der ich selber Dank schuldig bin. Ich müßte25
also ihr Vertrauen und meinen Namen zur Lockspeise und Schlinge
meiner Absicht misbrauchen. Denken Sie sich, wie ich vor ihr stände,
wenn sie mich erriethe. Sogar das Errathen ist wahrscheinlich. Aber
auch ohne dieses, und sogar, wenn ich durch dieses Mittel das Un-
wahrscheinliche wirklich durchsetzte, würde ich es nicht thun, weil ich30
nie auf diese Weise täuschen kann und darf. Dazu kommt vollends
auf der andern Seite, daß meine Einmengung als die eines entfernten
bürgerlichen Privatmannes in eine so bedeutende Entschließung eine

2*

Sie wollten die Güte haben — oder haben ſie ſchon gehabt —, die
20 fl. an Kunz in Bamberg bezahlen zu laſſen. Hier ſend’ ich ſie.
— Die Unkaiſerin Louise iſt in ein Nonnenkloſter in Ungarn gebracht
worden. Wäre ſie nur ein Jahrzehend eher in eines gegangen!5

49. An Emanuel.

Guten Morgen, mein Emanuel! Ich höre leider, daß Krankſein
gerade in Ihre Feſtzeit fällt. Schonen Sie ſich ja in Ihrem Katarrh,
da in dieſem Jahre die K[atarrhe] ſo bösartig ſind wie N[apoleon].
— Hier ſchick’ ich zu einiger Erheiterung dieſes Büchlein, wovon Sie10
nur die Theateranekdoten und die Reiſe wider willen zu leſen haben.

50. An Emanuel.

Immer mein alter Geber, der nicht ſatt kriegt, zu geben, wie
andere nicht ſatt, zu nehmen. Aber eben von Ihnen, da ich Ihre15
Freude an fremdem Genuße kenne, nehm ich alles am liebſten an
und ſage blos: Gott geb es Ihm in ſchöner Geſtalt wieder.

51. An Frau von Lochner in München.
[Kopie]20

Gnädige Frau! Gäb’ es keine höhere Pflicht als die der Dank-
barkeit, ſo würd’ ich Ihren Wunſch mit Freuden erfüllen. Aber
Wahrhaftigkeit iſt eine noch höhere. Zum erſten male in meinem
Leben müßt’ ich gegen eine edle Seele Wärme und Unabſichtlichkeit
heucheln, um jene zu einem Mittel meines Ziels zu verbrauchen,
gerade gegen eine Seele, der ich ſelber Dank ſchuldig bin. Ich müßte25
alſo ihr Vertrauen und meinen Namen zur Lockſpeiſe und Schlinge
meiner Abſicht misbrauchen. Denken Sie ſich, wie ich vor ihr ſtände,
wenn ſie mich erriethe. Sogar das Errathen iſt wahrſcheinlich. Aber
auch ohne dieſes, und ſogar, wenn ich durch dieſes Mittel das Un-
wahrſcheinliche wirklich durchſetzte, würde ich es nicht thun, weil ich30
nie auf dieſe Weiſe täuſchen kann und darf. Dazu kommt vollends
auf der andern Seite, daß meine Einmengung als die eines entfernten
bürgerlichen Privatmannes in eine ſo bedeutende Entſchließung eine

2*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="19"/>
Sie wollten die Güte haben &#x2014; oder haben &#x017F;ie &#x017F;chon gehabt &#x2014;, die<lb/>
20 fl. an <hi rendition="#aq">Kunz</hi> in <hi rendition="#aq">Bamberg</hi> bezahlen zu la&#x017F;&#x017F;en. Hier &#x017F;end&#x2019; ich &#x017F;ie.<lb/>
&#x2014; Die Unkai&#x017F;erin <hi rendition="#aq">Louise</hi> i&#x017F;t in ein Nonnenklo&#x017F;ter in Ungarn gebracht<lb/>
worden. Wäre &#x017F;ie nur ein Jahrzehend eher in eines gegangen!<lb n="5"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>49. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 24. April 1815]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Morgen, mein Emanuel! Ich höre leider, daß Krank&#x017F;ein<lb/>
gerade in Ihre Fe&#x017F;tzeit fällt. Schonen Sie &#x017F;ich ja in Ihrem Katarrh,<lb/>
da in die&#x017F;em Jahre die K[atarrhe] &#x017F;o bösartig &#x017F;ind wie N[apoleon].<lb/>
&#x2014; Hier &#x017F;chick&#x2019; ich zu einiger Erheiterung die&#x017F;es Büchlein, wovon Sie<lb n="10"/>
nur die Theateranekdoten und die Rei&#x017F;e wider willen zu le&#x017F;en haben.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>50. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 24. April 1815]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Immer mein alter Geber, der nicht &#x017F;att kriegt, zu geben, wie<lb/>
andere nicht &#x017F;att, zu nehmen. Aber eben von Ihnen, da ich Ihre<lb n="15"/>
Freude an fremdem Genuße kenne, nehm ich alles am lieb&#x017F;ten an<lb/>
und &#x017F;age blos: Gott geb es Ihm in &#x017F;chöner Ge&#x017F;talt wieder.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>51. An <hi rendition="#g">Frau von Lochner in München.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Baireuth d. 28 Apr.</hi> 1815</hi> </dateline>
        <lb n="20"/>
        <p>Gnädige Frau! Gäb&#x2019; es keine höhere Pflicht als die der Dank-<lb/>
barkeit, &#x017F;o würd&#x2019; ich Ihren Wun&#x017F;ch mit Freuden erfüllen. Aber<lb/>
Wahrhaftigkeit i&#x017F;t eine noch höhere. Zum <hi rendition="#g">er&#x017F;ten</hi> male in meinem<lb/>
Leben müßt&#x2019; ich gegen eine edle Seele Wärme und Unab&#x017F;ichtlichkeit<lb/>
heucheln, um jene zu einem Mittel meines Ziels zu verbrauchen,<lb/>
gerade gegen eine Seele, der ich &#x017F;elber Dank &#x017F;chuldig bin. Ich müßte<lb n="25"/>
al&#x017F;o ihr Vertrauen und meinen Namen zur Lock&#x017F;pei&#x017F;e und Schlinge<lb/>
meiner Ab&#x017F;icht misbrauchen. Denken Sie &#x017F;ich, wie ich vor ihr &#x017F;tände,<lb/>
wenn &#x017F;ie mich erriethe. Sogar das Errathen i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich. Aber<lb/>
auch ohne die&#x017F;es, und &#x017F;ogar, wenn ich durch die&#x017F;es Mittel das Un-<lb/>
wahr&#x017F;cheinliche wirklich durch&#x017F;etzte, würde ich es nicht thun, weil ich<lb n="30"/>
nie auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e täu&#x017F;chen kann und darf. Dazu kommt vollends<lb/>
auf der andern Seite, daß meine Einmengung als die eines entfernten<lb/>
bürgerlichen Privatmannes in eine &#x017F;o bedeutende Ent&#x017F;chließung eine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0024] Sie wollten die Güte haben — oder haben ſie ſchon gehabt —, die 20 fl. an Kunz in Bamberg bezahlen zu laſſen. Hier ſend’ ich ſie. — Die Unkaiſerin Louise iſt in ein Nonnenkloſter in Ungarn gebracht worden. Wäre ſie nur ein Jahrzehend eher in eines gegangen! 5 49. An Emanuel. [Bayreuth, 24. April 1815] Guten Morgen, mein Emanuel! Ich höre leider, daß Krankſein gerade in Ihre Feſtzeit fällt. Schonen Sie ſich ja in Ihrem Katarrh, da in dieſem Jahre die K[atarrhe] ſo bösartig ſind wie N[apoleon]. — Hier ſchick’ ich zu einiger Erheiterung dieſes Büchlein, wovon Sie 10 nur die Theateranekdoten und die Reiſe wider willen zu leſen haben. 50. An Emanuel. [Bayreuth, 24. April 1815] Immer mein alter Geber, der nicht ſatt kriegt, zu geben, wie andere nicht ſatt, zu nehmen. Aber eben von Ihnen, da ich Ihre 15 Freude an fremdem Genuße kenne, nehm ich alles am liebſten an und ſage blos: Gott geb es Ihm in ſchöner Geſtalt wieder. 51. An Frau von Lochner in München. Baireuth d. 28 Apr. 1815 20 Gnädige Frau! Gäb’ es keine höhere Pflicht als die der Dank- barkeit, ſo würd’ ich Ihren Wunſch mit Freuden erfüllen. Aber Wahrhaftigkeit iſt eine noch höhere. Zum erſten male in meinem Leben müßt’ ich gegen eine edle Seele Wärme und Unabſichtlichkeit heucheln, um jene zu einem Mittel meines Ziels zu verbrauchen, gerade gegen eine Seele, der ich ſelber Dank ſchuldig bin. Ich müßte 25 alſo ihr Vertrauen und meinen Namen zur Lockſpeiſe und Schlinge meiner Abſicht misbrauchen. Denken Sie ſich, wie ich vor ihr ſtände, wenn ſie mich erriethe. Sogar das Errathen iſt wahrſcheinlich. Aber auch ohne dieſes, und ſogar, wenn ich durch dieſes Mittel das Un- wahrſcheinliche wirklich durchſetzte, würde ich es nicht thun, weil ich 30 nie auf dieſe Weiſe täuſchen kann und darf. Dazu kommt vollends auf der andern Seite, daß meine Einmengung als die eines entfernten bürgerlichen Privatmannes in eine ſo bedeutende Entſchließung eine 2*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/24
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/24>, abgerufen am 21.11.2024.